Hopfenzapfen werden immer wieder mal empfohlen gegen Hitzewallungen in den Wechseljahren. Begründet wird dies mit dem Gehalt an Phytoöstrogenen.
Reinhard Länger hat in der Zeitschrift „PHYTOTherapie“ (5 / 2014) der Österreichischen Gesellschaft für Phytotherapie einen informativen Beitrag über den Hopfen als Heilpflanze publiziert. Darin geht es auch um die Phytoöstrogene im Hopfen.
Zitat:
„Hopfenzapfen enthalten neben den genannten Inhaltsstoffen auch Flavonoide, darunter solche, die östrogenartige Effekte hervorrufen können (nomenklatorisch nicht ganz korrekt als 8-Prenylnaringenin bezeichnet). Obwohl diese Substanz zu jenen Phytoöstrogenen zählt, die in-vitro die stärksten Wirkungen zeigten, ist die Affinität zu den Östrogenrezeptoren verglichen mit Estradiol doch deutlich geringer (ERα 70-fach geringer, ERβ 20,000-fach geringer). Diese Substanzen könnten die Erklärung dafür sein, weshalb bei Hopfenpflückerinnen Zyklusstörungen beobachtet wurden und traditionell konzentrierte Reste des Brauvorgangs zur Behandlung verschiedenster gynäkologischer Probleme verwendet wurden. In Bieren, die mit modernen CO2-Extrakten aus Hopfen zubereitet wurden, ist der Phytoöstrogengehalt im Bereich 0 – ca. 20 μg/kg, also sehr gering.“
Quelle:
https://www.phytotherapie.co.at/pdf/PT0514.pdf
Kommentar & Ergänzung:
Ich bin gegenüber der Empfehlung von Hopfen zur Linderung von Wechseljahrbeschwerden schon seit langem generell skeptisch.
Erstens ist der Gehalt an Phytoöstrogenen tatsächlich gering. Im Labor zeigt die Substanz aber interessante Wirkungen.
Zweitens bindet Prenylnaringenin – wie auch Reinhard Länger darlegt – deutlich stärker an den Östrogenrezeptor Alpha (Erα) als an Östrogenrezeptor Beta (Erβ).
Diese beiden Östrogenrezeptoren befinden sich im menschlichen Körper an unterschiedlichen Orten.
Der ERα überwiegt in der Niere und Nebenniere, in der Brustdrüse, in der Leber, im Uterus und im Zentralnervensystem in der Hypophyse.
Überwiegend ERß dominiert im Gefäßsystem, im Knochen, in der Lunge, in der Blase und in der Prostata.
Da in der Brustdrüse und im Uterus Tumore auftreten können, die durch Östrogene im Wachstum stimuliert werden, ist bei Substanzen wie Prenylnaringenin, die hauptsächlich an Erα binden, nicht auszuschliessen, dass sie dort tumorfördernde Effekte auslösen.
Selbst wenn also Hopfen relevante östrogene Wirkungen im menschlichen Organismus zeigen würde, wäre eine Empfehlung gegen Wechseljahrbeschwerden meines Erachtens wegen diesem nicht geklärten Risiko fragwürdig.
Die von Reinhard Länger erwähnten Berichte über Zyklusstörungen bei Hopfenpflückerinnen geistern im übrigen schon seit Jahrzehnten in der Fachliteratur herum, ohne dass ich bisher irgendwo konkrete Angaben dazu gefunden hätte (wer hat wann, wo, was genau beobachtet? Wo wurden diese Angaben publiziert?).
In der Phytotherapie-Fachliteratur wird Hopfen hauptsächlich als Mittel gegen Schlafstörungen, Unruhe und Nervosität eingesetzt. Eine Empfehlung von Hopfen zur Linderung von Hitzewallungen taucht dort nicht auf. Empfohlen wird gegen diese Beschwerden in der Regel Traubensilberkerze als Extrakt.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
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