Chia-Samen werden als ausserordentlich gesund angepriesen, sind aber sehr teuer.
Chia-Samen gelten als Superfood, also als ein Lebensmittel mit besonders hohem Nährstoffgehalt. Sie sollen gesünder und fitter machen.
Das sei maßlos übertriebenes Marketing, sagt Hans Hauner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin in München. Es gebe einige regionale Lebensmittel, die es gut mit Chia aufnehmen können.
Chia (Salvia hispanica) stammt ursprünglich aus Mexiko und Guatemala und stammt zur Gattung der Salbei. Die kleinen essbaren schwarzen oder grauen Samen, die botanisch „Klausenfrüchte“ heißen, wurden der Überlieferung nach schon von den Mayas und Azteken als Nahrungsmittel verwendet.
Chia wird wie Amarant, Buchweizen und Quinoa als Pseudogetreide bezeichnet, weil es ähnlich wie Getreide verwendet wird. Chia besitzt allerdings keine Eigenbackfähigkeit. Ein Teig aus Chia-Mehl würde deshalb flach auseinanderlaufen. Chia ist daher in Backwaren nur eine ergänzende Zutat.
In Verbindung mit Wasser quellen Chia-Samen auf und bilden eine geleeartige Masse.
Die Chia-Körner seien eine der reichhaltigsten Quellen für die essenziellen mehrfach ungesättigten Fettsäuren, erklärt Silke Restemeyer, Ökotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Bis zu 40 Prozent Fett ist in den Samen enthalten, ein Großteil davon sind Alpha-Linolensäure (Omega-3) und Linolsäure (Omega-6).
Im menschlichen Organismus wird Alpha-Linolensäure in die noch wirksameren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) umgewandelt. Diese wertvollen Säuren erhalte man sonst nur über sehr fettreichen Fisch, sagt Restemeyer.
Chia-Samen zeichnen sich aber auch aus durch ihren hohen Proteingehalt. Während Weizen 14 Prozent Eiweiß enthält, kommt Chia auf rund 20 Prozent. Mit etwa 34,4 Gramm pro 100 Gramm bieten Chia-Samen zudem viele verdauungsfördernde Ballaststoffe. Darüber hinaus sind sie reich an Vitaminen (besonders Vitamin A und C, Niacin) und Mineralien (Kalzium, Magnesium, Phosphor).
Gemäss der europäischen Lebensmittelverordnung gelten Chia-Samen als Novel Food (neuartiges Lebensmittel).
Sie wurden bei ihrer Markteinführung im Jahr 2009 für die Verwendung in Backwaren zugelassen.
Erst 2013 gestattete die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) den Import der reinen Chia-Samen als Lebensmittel, beschränkte die tägliche Verzehrempfehlung jedoch auf maximal 15 Gramm. Das sei eine Vorsichtsmaßnahme, weil bislang Langzeituntersuchungen fehlen, erläutert Restemeyer.
In Brot und Backwaren wird der Höchstgehalt auf zehn Prozent beschränkt.
Der Münchner Ernährungsmediziner Hauner beurteilt Chia-Samen grundsätzlich als günstig für die Ernährung.
Die Wirkung von 15 Gramm Körnern, was ungefähr einem gefüllten Esslöffel entspricht, sei allerdings erwartungsgemäß niedrig.
Um eine messbare gesundheitliche Wirkung zu erzielen, gaben Forscher ihren Testpersonen deshalb größere Tagesmengen.
So verordneten Wissenschaftler in einer zwölfwöchigen Studie zehn Bluthochdruckpatienten 35 Gramm Chia pro Tag. Die Blutdruckwerte sanken während dieser Zeitspanne.
Auch andere vergleichbare Studien kamen zu solchen Resultaten.
Das seien interessante Hinweise, aber noch keine ausreichenden Beweise, erklärt Hauner. Die Datenlage sei insgesamt noch viel zu dünn, um wirklich allgemeingültige Gesundheitseffekte ableiten zu können.
Wer Chia-Samen essen wolle, könne das jedoch tun, sagt Restemeyer, und weißt auch darauf hin, dass allergische Reaktionen nicht zu befürchten seien. Die Ökotrophologin ist auch davon überzeugt, dass Chia in jedem Fall eine Bereicherung für den Speiseplan sein können.
Insbesondere für Personen, die sich vegan oder vegetarisch ernähren, sei der tägliche Löffel Chia eine gute Quelle für Omega-3-Fettsäuren und Kalzium.
Chia-Samen lassen sich vielseitig einsetzen. Als Zutat beim Backen steigern sie den Nährstoffgehalt von Brot und Gebäck.
Wegen ihres neutralen Geschmacks passen sie gut in Müsli, Salate und Suppen.
Lässt man Chia in Wasser aufquellen, können als Ei- oder Margarineersatz beim Backen oder als Geliermittel für Pudding und Soßen eingesetzt werden.
Chia-Samen kommen von weit her. Eine sinnvolle und viel günstigere Alternative seien Leinsamen, erklärt Silke Restemeyer. Lein sei das heimische Pendant zur Chiapflanze – er enthalte einen ähnlich hochwertigen Nährstoffmix und die gleichen Quelleigenschaften, koste aber nur drei bis vier Euro pro Kilo.
Restemeyer weist zudem darauf hin, dass auch viele heimische Saaten und Nüsse wie etwa Hasel- und Walnüsse eine ähnliche Fettzusammensetzung aufweisen, die durchaus mit Chia vergleichbar ist.
Quelle:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25403867
Kommentar & Ergänzung:
Interessant ist an diesem Beispiel wieder einmal, dass Exotisches attraktiver ist und teurer verkauft werden kann als Altbekanntes – wie zum Beispiel Leinsamen.
Leinsamen werden in der Phytotherapie als mildes Mittel gegen Verstopfung eingesetzt und dazu in der Regel mit viel Flüssigkeit unzerkleinert eingenommen. Um die gesunden Inhaltstoffe der Leinsamen aufzunehmen, müssen sie aber geschrotet werden.
Nicht ganz untypisch ist auch, dass in den Empfehlungen von Chia als Blutdrucksenker zwar auf entsprechende Studien verwiesen wird, aber in der Regel ohne genaue Quellenangabe und ohne Hinweis darauf, welche Mengen dabei verwendet wurden. So bleiben Konsumentinnen und Konsumenten oft im Glauben, dass ein paar Löffel Chia-Samen pro Woche blutdrucksenkend wirken. Dass sich in den Studien eine Wirkung bei 35 g Chia-Samen pro Tag gezeigt hat, wird kaum je kommuniziert, weil solche Einnahme-Mengen nicht sehr realistisch sind.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
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