Die „SonntagsZeitung“ (13. Januar 2019) veröffentlichte eine Sammlung von Hausmitteln gegen verschiedene Beschwerden und Krankheiten. Darunter befand sich auch der folgende Tipp gegen Nagelpilz:
„Ein wenig bekanntes Mittel gegen Nagelpilz ist Fichtenharz. Entweder daraus eine Salbe herstellen oder – einfacher – ein Erkältungsmittel wie etwa Vicks Vaporub auf den Nagel streichen. Nach 5 bis 16 Monaten verschwand der Pilz damit bei 22 bis 38 Prozent der Betroffenen. Die Zufriedenheit mit dem Aussehen des Nagels war hoch.“
Quelle:
https://www.tagesanzeiger.ch/sonntagszeitung/das-abc-der-hausmedizin/story/23864546?utm_source=emarsys&utm_medium=email&utm_campaign=TA18EDIT_DerMorgen_13012019&sc_src=email_2619139
Kommentar & Ergänzung:
Erster Eindruck:
Ich bin immer etwas skeptisch, wenn es um die äusserliche Behandlung von Nagelpilz geht. In der Regel ist es fraglich, ob man mit einem externen Mittel in ausreichender Konzentration an den Ort gelangt, wo der Nagelpilz „hockt“.
Für Heilungsberichte sind meinem Eindruck nach oft Fehldiagnosen verantwortlich. Nicht alles, was nach Nagelpilz aussieht, ist auch ein Nagelpilz. Verfärbungen des Nagels können auch durch Druck oder Schlag auf den Nagel entstehen und dann ganz natürlich herauswachsen. So entsteht leicht der Eindruck einer Heilung, wenn man während dieser Zeit ein Mittel angewandt hat.
Der Tipp spielt auf Untersuchungen an, für die aber eine Quellenangabe fehlt. Entscheidend wäre zu wissen, ob vorgängig zu der Behandlung mit Fichtenharz oder Vicks Vaporub sowie nach Abschluss der Anwendung die Nagelpilz-Erkrankung mit einer Labor-Untersuchung bestätigt wurde. Diese zentrale Frage bleibt hier offen.
Eigenartig finde ich auch die Angabe einer Heilungsrate zwischen 22 und 38 Prozent. Wenn man in einer Studie zum Beispiel 100 Patienten behandelt, dann weiss man am Schluss, wieviele davon Nagelpilz-frei sind und wieviele nicht. Das gibt eine klare Prozentzahl und nicht diesen Bereich von 22 bi 38 Prozent, der wohl aus einer Zusammenfassung mehrerer Studien stammt.
Gut, ich recherchiere das….
Ergebnis:
Zu Vicks Vaporub habe ich eine Pilotstudie einer „Medical Group“ der US Air Force gefunden.
Bei einer „Pilotstudie“ geht es im Übrigen nicht um „Piloten“, wie man es bei einer Studie der „Air Force“ leicht meinen könnte.
Eine Pilotstudie ist eine kleinere, überschaubare Studie, mit der Erkenntnisse gewonnen werden sollen für die Konzeption und Durchführung einer grösseren Studie, von der man dann „wasserdichte“ Ergebnisse erwartet.
Bei der Pilotstudie geht es also noch nicht darum, Belege für Wirksamkeit oder Unwirksamkeit zu finden. Dafür reicht oft nur schon die kleine Zahl der Teilnehmenden statistisch nicht aus.
An dieser Pilotstudie nahmen also 18 Probanden teil, die alle labormässig bestätigt unter Nagelpilz litten.
Der Behandlungsverlauf wurde fotografisch dokumentiert.
Nach 48 Wochen hatten 5der 18 Probanden (27,8%) ein negatives Ergebnis der Laboruntersuchung (= kein Pilz kultivierbar). Bei 4 dieser 5 Personen stellten die Mediziner eine vollständige klinische und labormässige Heilung fest (22,2%).
Es gab jedoch immer noch Hinweise auf fehlentwickelte Nagelsubstanz. Zehn Teilnehmer (55,6%) zeigten Anzeichen einer teilweise klinischen Heilung (abnehmender Bereich des dystrophischen Nagels); 9 von diesen Probanden hatten nach 48 Wochen positive Nagelkulturen und eine hatte eine negative Nagelkultur. Die verbleibenden 3 Probanden (16,7%) zeigten über 48 Wochen keine signifikante klinische Verbesserung und hatten nach 48 Wochen positive Kulturen. Interessanterweise bewerteten alle 18 Probanden ihre Zufriedenheit mit dem Aussehen des betroffenen Nagels nach der Beendigung der Studie als „sehr zufrieden“ (n = 9) oder „zufrieden“ (n = 9).
Das ist nicht gerade umwerfend, wenn nach 48 Wochen bei 27,8 Prozent der Teilnehmenden im Labor kein Pilz mehr nachweisbar ist. Dass der Nagel nach der Behandlung besser aussieht, ist aber nachvollziehbar.
Vicks Vaporub enthält unter anderem Menthol (Hauptbestandteil des Pfefferminzöls), Thymol (Hauptbestandteil des Thymianöls) und Eukalyptusöl.
Das sind Wirkstoffe, die im Labor klar antimykotische (pilzhemmende) Effekte zeigen.
Oberflächlich angewandt ist deshalb eine antimykotische Wirkung von Vicks Vaporub plausibel, was sich auf das Aussehen des Nagels positiv auswirken kann.
Ist der Nagel tiefer befallen, können äusserlich angewendete Mittel den Pilz nicht gut genug erreichen, was die Wirksamkeit in Frage stellt. Das gilt für Vicks Vaporub, aber auch für Teebaumöl, Lavendelöl, Fichtenharz, genauso wie für lokal angewandte synthetische Antimykotika.
In solchen Fällen braucht es innerliche, also oral anzuwendende Antimykotika, die generell bessere Erfolgsraten haben, aber auch mit entsprechenden Risiken und Nebenwirkungen behaftet sind.
Wer Geduld hat und möglichst schon im Anfangsstadium damit beginnt, kann meinem Eindruck nach gut einen Versuch machen mit Vicks Vaporub bei Nagelpilz.
Aber selbst bei den 27,8% der Fälle in der Studie, bei denen nach 48 Wochen im Labor kein Pilz mehr feststellbar war, könnte es sein, dass nur oberflächliches Nagelmaterial untersucht wurde und der Pilz später aus den tieferen Schichten wieder kommt.
Quellen:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3302018/
Volle Studie:
https://www.jabfm.org/content/24/1/69
Zu Fichtenharz habe ich keine Studien gefunden.
Nachfolgend jedoch ein Rezept für die Herstellung eines Fichtenharz-Balsams.
Dazu braucht es diese Zutaten:
„10 – 15 Gramm Fichtenharz
1 kleiner Tannenzweig
ein paar frische Fichtenzapfen
50 – 70 ml Olivenöl
5 g Bienenwachs“
Und so bereitet man den Fichtenharz-Balsam zu:
„Fichtenharz, Tannenzweig und Fichtenzapen fein hacken und mit Olivenöl zudecken. Diese Mischung 3 bis 5 Stunden im heissen Wasserbad erhitzen (zwischendurch Wasser nachgeben). Anschliessend die Mischung mit Hilfe eines Trichters durch ein Baumwolltuch filtern. Reste gut ausdrücken (Achtung, Verbrennungsgefahr!) Den fertigen Ölauszug nochmals im heissen Wasserbad erwärmen, Bienenwachs dazugeben und rühren, bis der Wachs geschmolzen ist. Die noch heisse Flüssigkeit in ein Salbentöpfchen füllen und erkalten lassen……
Fichtenzapfen lassen sich besser zerkleinern, wenn sie zuvor im Tiefkühlfach gelegen haben.“
Empfohlen wird der Fichtenharz-Balsam eher bei Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen und Erkältungen.
Quelle:
https://www.srf.ch/sendungen/musikwelle-magazin/fichtenharz-balsam
Wer sich für Wirkstoffe und Heilpflanzen-Anwendungen interessiert, kann dazu fundiertes Wissen erwerben in meinen Lehrgängen, dem Heilpflanzen-Seminar und der Phytotherapie-Ausbildung.