In einer kleinen Studie der Tehran University of Medical Sciences im Iran wurde die Wirkung von Safran bei jungen ADHS-Patienten mit dem Standardwirkstoff Methylphenidat (Ritalin) verglichen. Signifikante Unterschiede zeigten sich dabei nicht.
Bei der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) kommt als Arzneimittel vorrangig Methylphenidat zur Anwendung, alternativ stehen auch Amphetamin, Guanfacin oder Atomoxetin zur Verfügung. Auch Kombinationstherapien sind möglich. Diese Pharmaka sind aber mit unterschiedlichen Nebenwirkungen und Risiken verbunden. Wissenschaftler der Tehran University of Medical Sciences im Iran gingen darum der Frage nach, ob sich Safran (Crocus sativus) als Alternative eignen könnte. Ältere Untersuchungen hatten bereits Hinweise geliefert auf möglicherweise positive Effekte der Pflanze bei leichten Depressionen. Die Wirkung könnte über NMDA- und über GABA-Rezeptoren vermittelt sein.
Die Wissenschftler nahmen in ihre Studie 54 Kinder zwischen 6 und 17 Jahren auf, die laut Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) an ADHS litten. DSM-5 ist ein Klassifikationssystem für psychische Störungen. Zusätzliche psychiatrische Krankheiten waren ein Ausschlusskriterium.
Alle Versuchpersonen bekamen randomisiert (also per Zufall entschieden) abhängig vom Körpergewicht pro Tag 20 bis 30 mg Methylphenidat oder 20 bis 30 mg Safran in Kapselform. Die Symptome der Probanden wurden anhand der ADHD Rating Scale-IV, einem symptomorientierten Fragebogen für medizinische Laien, erfasst, wobei die Bewertungen von Eltern bzw. Lehrern kamen.
Insgesamt beendeten 50 Patienten die Studie
Nach 5 Wochen fanden die Wissenschaftler keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Sie kommen zum Schluss, dass Safrankapseln bei der Kurzzeittherapie einen ähnlichen Effekt hätten wie Methylphenidat. Welche Symptome sich im Detail verbessert haben, schreiben die Forscher nicht. Nur Änderungen an ihrer ADHD Rating Scale werden aufgeführt.
Auch die Nebenwirkungen sind nach Angaben der Wissenschaftler vergleichbar. Die Autoren erwähnen hier insbesondere Kopfschmerzen (Safran 2 Patienten versus Methylphenidat 5 Patienten), Übelkeit (2 versus 4 Patienten), Mundtrockenheit (2 versus 3 Patienten), Erbrechen (2 versus 4 Patienten), Schlaflosigkeit (2 versus 5 Patienten), Appetitlosigkeit (2 versus 5 Patienten) und starkes Schwitzen (2 versus 2 Patienten).
Studie mit Schwächen
Dass Phytopharmaka bei psychiatrischen Leiden Wirkungen zeigen können, ist vom Echten Johanniskraut (Hypericum perforatum) seit Jahren bekannt. Johanniskrautextrakte kommen bei leichten bis mittelstarken depressiven Verstimmungen oder bei nervöser Unruhe zur Anwendung. Der Vergleich mit Johanniskraut zeigt jedoch, wo eine mögliche Schwäche der aktuellen Safran-Studie liegt. Die bei Depressionen eingesetzten Johanniskraut-Präparate bestehen aus standardisierten Extrakten der Heilpflanze. In der Beschreibung ihrer Safran-Studie machen die Wissenschaftler keine Anmerkungen zum verwendeten Pflanzenmaterial. Je nach Anbaubedingungen und Sonnenexposition ist mit mehr oder weniger grossen Unterschieden zu rechnen.
Mit nur 50 Teilnehmenden die Studie auch klein, was ihre Aussagekraft einschränkt. Aufffallend sit zudem, dass 6 Wochen bei einer Krankheit wie ADHS zu kurz sind, um den Mehrwert einer Heilpflanze gegenüber einem in großen Studien untersuchten Molekül zu beurteilen.
Die hohen Kosten für Safran sollen nicht ins Gewicht fallen, denn Methlyphenidat liegt in einem vergleichbaren preislichen Rahmen.
Ob Safran tatsächlich einmal zur Behandlung von ADHS empfohlen werden kann, bleibt allerdings offen. Dazu müssten noch sehr viele Fragen durch weitere Forschung geklärt werden.
Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler geben im Übrigen an, keine Interessenskonflikte zu haben.
Quellen:
https://www.doccheck.com/de/detail/articles/21045-adhs-safran-statt-ritalin
Originalpublifikation.
https://www.liebertpub.com/doi/full/10.1089/cap.2018.0146?url_ver=Z39.88-2003&rfr_id=ori%3Arid%3Acrossref.org&rfr_dat=cr_pub%3Dpubmed&
Kommentar & Ergänzung:
Die Sache ist leider wieder einmal ziemlich komplex und nicht eindeutig.
ADHS und Ritalin – das ist ein heiss diskutiertes Thema. Darum kommt eine Studie, die eine pflanzliche Alternative zu Ritalin anbietet, bestimmt in vielen Kreisen sehr gut an. Und natürlich ist es interessant, wenn Safran zu diesem Zweck untersucht wird.
Festzuhalten ist aber, dass Safran in grösseren Dosen stark giftig ist; das Pharmawiki sieht die tödliche Dosis bei 20 g.
Wikipedia fasst die medizinische Bedeutung von Safran so zusammen:
„Safran nimmt in der Medizin des Orients schon seit Jahrtausenden einen wichtigen Stellenwert ein. Auch heute ist die Pflanze wegen ihrer medizinischen Wirkung geschätzt und insbesondere über den Safran-Extrakt wird international geforscht.Studien zeigten einen nervenstärkenden Effekt von Safran-Extrakt.Sie zeigten auch, dass Safran bei leichten bis mittelschweren depressiven Verstimmungen eine stimmungsaufhellende Wirkunghabe, z. B. im Rahmen des PMS, der (Post)Menopauseund des Babyblues. Die Studien kamen zu dem Schluss, dass Safran-Extrakt bei depressiven Verstimmungen genauso gut geeignet sei wie ein Antidepressivum.“
Hier geht es also vor allem um allfällige antidepressive Wirkungen. Ich kann die Qualität der Studien, die im Wikipedia-Text aufgeführt sind, nicht wirklich beurteilen, Sie liegen mir auch nicht vor. Zwei davon sind allerdings deklariert als „Pilotstudie“. Das sind kleine Studien, die mehr der Vorbereitung für eine spätere grosse Studie dienen, und nicht für das Belegen einer Wirksamkeit konzipiert sind.
In Deutschland ist ein rezeptfrei in der Apotheke erhältliches diätetisches Produkt im Handel auf der Basis einer Kombination von Safran-Extrakt und Rosenwurz-Extrakt (TALASAR®). Belegt ist die Wirksamkeit nicht und als diätetisches Produkt muss es auch keine Wirksamkeit belegen.
Skeptisch macht mich an der beschriebenen Safran-Studie, dass sie im Iran durchgeführt wurde. Aus dem Iran kommen in den letzten Jahren immer wieder kleine Pilotstudien mit auf den ersten Blick ziemlich sensationellen Ergebnisssen, vor allem mit Wirkungen, die nicht an den bisherigen Wissenstand in der Phytotherapie anschliessen. Auch kommt mir zu diesen Studien immer eine Aussage von Roman Huber in den Sinn, dem Leiter des Zentrums für Naturheilkunde der Uniklinik Freiburg. Er sagte in einem Interview:
„Bei derartigen Untersuchungen sollte man vorsichtig sein, denn aus dem Iran kommen genau wie aus China in Sachen Naturheilkunde eigentlich nur Studien mit positiven Ergebnissen.“
Quelle:
http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/panorama/schoen-mild-und-sehr-beruhigend–38073981.html
Es spricht viel dafür, dass etwas nicht so ganz mit rechten Dingen zugeht, wenn nur positive Ergebnisse publiziert werden. Bei Studien müssten auch negative Ergebnisse bekannt werden, wenn sie ergebnisoffen durchgeführt und vollständig publiziert werden.
Aber noch einmal und allen Einwänden zum Trotz ist das Thema interessant.
Wer sich für Wirkstoffe und Heilpflanzen-Anwendungen interessiert, kann dazu fundiertes Wissen erwerben in meinen Lehrgängen, dem Heilpflanzen-Seminar und der Phytotherapie-Ausbildung.