In einem Interview mit dem Spiegel schildert der Hausarzt Guido Schmiemann, welche pflanzlichen Alternativen zu Antibiotika es bei Blasenentzündung gibt.
Zitat:
«Zu den Mitteln, die bewiesenermaßen eine Wirkung haben, zählt ein Präparat, das eine Kombination aus Tausendgüldenkraut, Rosmarin und Liebstöckel enthält. Bärentraubenblätter sind ein anderes Präparat, das es auch als Einzelsubstanz gibt und das ebenfalls effektiv ist bei Harnwegsinfektionen. Im Vergleich zu Antibiotika schneidet es zwar ein klein wenig schlechter ab, die meisten Frauen sind aber auch damit nur einen Tag später als mit einer Antibiotikabehandlung wieder beschwerdefrei. Wir selbst haben in einer Studie einmal eine Behandlung mit Bärentraubenblättern mit einer Behandlung mit einem Antibiotikum verglichen.»
Kommentar zu den Ausführungen im Artikel «Was hilft wirklich gegen Blasenentzündung?»
Grundsätzlich ist es natürlich zu begrüssen, wenn im «Spiegel» über pflanzliche Alternativen bei Blasenentzündung berichtet wird. Schliesslich ist es ein wichtiges Anliegen, unnötige Antibiotika-Einnahme zu reduzieren, damit die Gefahr von Resistenzen kleiner wird. Allerdings scheint mir die Beurteilung der wissenschaftlichen Belege nicht sehr fundiert.
Bei dem erwähnten Präparat mit Tausendgüldenkraut, Rosmarin und Liebstöckel handelt es sich um Canephron®.
Eine groß angelegte, klinische Studie mit über 600 Patientinnen verglich Canephron® mit dem meistverordneten Antibiotikum bei der Behandlung von akuter, unkomplizierter Blasenentzündung Bezüglich dem Rückgang der Symptome kommt die Studie zum Schluss, dass Canephron® dem Standard-Antibiotikum nicht unterlegen ist.
Das ist zwar schön, sagt aber noch nicht viel Handfestes aus. Es könnte sein, dass wir beim Rückgang der Symptome hauptsächlich den natürlichen Verlauf der Blasenentzündung sehen und sowohl das Antibiotikum als auch Canephron® diese Besserung kaum oder gar nicht beeinflussen. Um zu beurteilen, ob und wieviel die beiden Interventionen besser wirken als der natürliche Verlauf, wäre eine Placebo-Kontollgruppe nötig.
Das gleiche gilt auch für die Studie, in der Bärentraubenblätter mit einem Antibiotikum verglichen wurde.
Die fehlende Placebo-Kontrollgruppe erschwert es also, fundierte Aussagen über die Wirksamkeit dieser Präparate bei Blasenentzündung zu machen.
Fragezeichen betreffend Canephron®
Bei Canephron® habe ich Fragezeichen betreffend Zusammensetzung. Tausendgüldenkraut, Rosmarin und Liebstöckel tauchen in der Phytotherapie-Fachliteratur unabhängig von Canephron® nicht als wirksam bei Blasenentzündung auf. Von den Wirkstoffen her ist eine Wirksamkeit für mich nicht nachvollziehbar und die zur Anwendung kommenden Mengen sind klein: Tausendgüldenkraut-Pulver (36 mg) , Liebstöckelwurzel-Pulver (36 mg) , Rosmarinblätter-Pulver (36 mg). Je 36 mg Pulver pro Tablette, das ist sehr wenig (ein Teebeutel enthält rund 2 Gramm).
Bärentraubenblätter haben in der Phytotherapie-Fachliteratur dagegen ein klares Profil für den Anwendungsbereich Blasenentzündung. Und es gibt Angaben zu den nötigen Dosierungen (10g Bärentraubenblätter pro Tag entsprechend 400 – 840 mg Arbutin oder entsprechende Trockenextrakte).
Hier gibt’s ein kurzes YouTube-Video zur Vergleichsstudie von Bärentraube versus Antibiotika:
Nicht erwähnt im Spiegel-Beitrag als weitere Möglichkeit bei akuter Blasenentzündung wird Meerrettichwurzel. Der Artikel geht aber auf Cranberry / D-Mannose als vorbeugendes Mittel ein und bringt gute Informationen grundsätzlich zur Blasenentzündung und zu den Warnsignalen, die zu beachten sind.
Wer sich vertieft mit Heilpflanzen bei Blasenentzündung befassen möchte, kann das in meinen Lehrgängen, der Phytotherapie-Ausbildung und dem Heilpflanzen-Seminar.
Quelle:
Was hilft wirklich gegen Blasenentzündung? (Spiegel)
Ohne Paywall hier.
Studie zu Canephron®:
https://karger.com/uin/article/101/3/327/301828/Non-Antibiotic-Herbal-Therapy-BNO-1045-versus