Die Schafgarbe zählt zu den bekanntesten Vertretern der Korbblütler und wird seit Jahrtausenden als wertvolle Heilpflanze geschätzt. Ihre Blätter und Blüten enthalten bedeutende Wirkstoffe wie ätherisches Öl, Gerbstoffe und Flavonoide, die in Form von Tees, Dragees und Tropfen zur Linderung von Verdauungsproblemen, menstruationsbedingten Beschwerden und zur äußerlichen Behandlung kleiner, oberflächlicher Wunden angewendet werden können.
Wegen ihrer vielfältigen historischen Anwendungen und des Potenzials für zukünftige Forschung hat der interdisziplinäre Studienkreis zur Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde die Gemeine Schafgarbe zur Arzneipflanze des Jahres 2025 gewählt.
Zur Botanik der Schafgarbe
Die Schafgarben (Achillea) bilden eine komplexe Gattung innerhalb der Familie der Korbblütler. Sie umfasst zwischen 100 und 200 Arten. Die heimische Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium) zeigt eine große Formenvielfalt und kommt in etwa einem Dutzend Kleinarten vor, deren Unterscheidung oft herausfordernd ist und in der Literatur unterschiedlich behandelt wird.
Die Schafgarbe erreicht eine Höhe von 30 bis 60 Zentimetern und wächst in Fettwiesen, auf Äckern, an Wegrändern sowie auf Brachland und Schutt. Typisch sind der kriechende Wurzelstock, die fein gefiederten Laubblätter und der scheindoldige Blütenstand, der weiße bis rötliche Blüten trägt.
Zur historischen Verwendung
In der griechischen Mythologie, jedoch nicht bei Homer, wird die Schafgarbe als das Wundkraut des Achilles erwähnt, was den Botaniker Carl von Linné im 18. Jahrhundert dazu veranlasste, die Gattung nach diesem nahezu unverwundbaren Helden zu benennen. Der Artname ‚millefolium‘, was so viel wie Tausendblatt bedeutet und sich auf die fein gefiederten Blätter bezieht, ist ebenfalls seit der Antike bekannt.
Erste schriftliche Belege für die Schafgarbe finden sich im 1. Jahrhundert in den Arzneimittellehren des griechischen Arztes Dioskurides. Die genaue Zuordnung der Arten wird seit dem 16. Jahrhundert teils kontrovers diskutiert und bleibt bis heute komplex. Dennoch ziehen sich einige der von Dioskurides beschriebenen Anwendungen wie ein roter Faden durch die europäische Medizingeschichte und werden seit dem Mittelalter der Gemeinen Schafgarbe zugeschrieben: die Verwendung bei Wunden, Verdauungsbeschwerden und Frauenleiden.
Ein früher Nachweis des deutschen Begriffs Garbe findet sich im 12. Jahrhundert in den Schriften der Hildegard von Bingen, die besonders die „feine Wirkung“ auf Wunden hervorhebt und das Kraut auch bei Dreitagefieber empfiehlt.
Die größte Beliebtheit erlangte die Schafgarbe in der frühen Neuzeit, als der Arzt und Botaniker Tabernaemontanus in seinem umfangreichen Kräuterbuch, das von 1588 bis 1731 erschien, zahlreiche Zubereitungsformen für innere und äußere Anwendungen vorstellte.
Der Arzt Georg Ernst Stahl bemerkte in seiner Arzneimittellehre, die ab 1728 veröffentlicht wurde: „So gemeine und schlecht dieses Kräutgen scheinet, so gute Dienste kan man sich davon versprechen, woferne man es mit Verstande zu appliciren weiß.“
Im 20. Jahrhundert setzten sich die heute anerkannten Anwendungen nach und nach durch, wobei zunehmend auf die unterschiedliche Zusammensetzung der Inhaltsstoffe hingewiesen wurde. Das als besonders wirksam geltende Azulen macht 10 bis 20 Prozent des ätherischen Öls in der Arzneidroge aus, ist jedoch in wild gesammelten Pflanzen teils nicht nachweisbar.
Bei der Anwendung sollte das kontaktallergene Potenzial der Pflanze beachtet werden; Personen mit bekannter Allergie gegen Korbblütler sollten vorsichtig sein.
Weitere Forschung ist erforderlich, um die anerkannten Anwendungen besser abzusichern und die in der Überlieferung sowie in experimentellen Studien genannten Wirkungen kritisch zu überprüfen.
Zum Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde
Seit 1999 zeichnet der interdisziplinäre Studienkreis zur Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde jährlich die Arzneipflanze des Jahres aus. Das Hauptziel dieser Initiative ist es, die lange und gut dokumentierte Tradition der Verwendung von Pflanzen in der europäischen Medizin ins Bewusstsein zu rufen. Aus dieser historischen Perspektive lassen sich wertvolle Erkenntnisse für die pharmazeutische und medizinische Anwendung traditioneller Heilpflanzen gewinnen.
Der Studienkreis wurde 1999 an der Universität Würzburg gegründet, maßgeblich initiiert von Prof. Franz-Christian Czygan († 2012) und Dr. Johannes Gottfried Mayer († 2019). Aktuell setzt sich die Jury aus Medizinern, Pharmazeuten, Biologen und Historikern verschiedener Hochschulen und Institutionen zusammen.
Quelle:
Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde (Würzburg)