In Internet und in der Presse wurde in den letzten Wochen die Meldung verbreitet, dass laut kanadischen Forschern Honig bei Nasenhöhlenentzündungen heilend wirken soll. Geht man den Meldungen auf den Grund, erweisen sich die meisten davon als gutes Beispiel für schlechten Journalismus.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Honig ist als Heilmittel interessant und ich möchte hier mit meinen Bemerkungen keinesfalls irgendeiner Biene zu nahe treten.
Aber nehmen wir diese Meldungen etwas genauer unter die Lupe.
Die Konsumentenzeitschrift Saldo (Nr. 16/2008) titelt: “Honig heilt entzündete Nasenhöhlen”. Kanadische Forscher der Universität Ottawa haben herausgefunden “dass Honig selbst bei einer chronischen Sinusitis helfen kann. Bei dieser Krankheit bilden Bakterien in den Nasennebenhöhlen einen Film. Herkömmliche Antibiotika können die Bakterien in dieser Schleimschicht kaum bekämpfen. Anders beim Honig: Im Labor konnte das Naturprodukt den Krankheitskeimen den Garaus machen.”
Und gesundheits-weblog.de meldet: “Rhinosinusitis, Entzündung der Nase und Nebenhöhlen: Honig hilft beweisbar.”
Bei “Saldo” fehlt eine Quellenangabe. Der Gesundheits-Weblog bezieht sich auf einen Artikel von Angela Speth auf “Ärzte Zeitung online” (2. 10. 2008). Sehr viele Meldungen über Honig bei Nasenhöhlenentzündungen basieren auf diesem Beitrag von Angela Speth mit dem Titel: “Honig – mehr als nur Süsskram, sondern wirksames Bakterizid.”
Frau Speth schreibt:
“Dass sich medizinischer Honig etwa zur Behandlung bei rezidivierender Rhinosinusitis eignen könnte, haben jetzt kanadische Forscher bei einem Kongress in Chicago berichtet. Dieser Infekt klingt oft deshalb so schlecht ab, weil Keime auf der Mukosa Biofilme bilden, in denen sie für Antibiotika schwer angreifbar sind.
Sehr wohl aber für Honig: Selbst in einer solchen schützenden Schleimschicht wurden damit 60 bis 70 Prozent der für Nebenhöhlenentzündungen typischen Bakterien abgetötet: Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus, ob Methicillin-resistent oder nicht. Für ihre Versuche nutzten die Forscher aus Ottawa Kulturplatten, auf die sie zwei Sorten Honig träufelten: Manuka-Honig aus Neuseeland und Sidr-Honig aus Yemen. Honig tötet Keime, die bei Rhinosinusitis relevant sind. Die im Vergleich getesteten Antibiotika hingegen, darunter Vancomycin, Gentamycin und Fusidinsäure, waren unwirksam, allein Rifampicin hatte einen schwachen bakteriziden Effekt. Fazit des Studienleiters Dr. Talal Alandejani: Eine topische Therapie mit Honig wäre bei Rhinosinusitis ideal, denn er sei leicht anwendbar, ungiftig und kostengünstig.”
Entscheidend scheinen mir nun zwei auf den ersten Blick vielleicht nebensächliche Wörtchen: “könnte” und “wäre”.
Die Forscher berichteten, dass sich Honig zur Behandlung von Rhinosinusitis eignen könnte. Und die Therapie mit Honig wäre ideal.
Hier zeigt sich ein verbreitetes Phänomen: Forscherinnen und Forscher berichten von ihren Ergebnissen oft noch einigermassen zurückhaltend, eben mit “könnte” und “wäre”. Im unserem Beispiel behält der erste ausführlichere Bericht in der “Ärzte Zeitung” diese Zurückhaltung noch bei. Die zahlreichen Kurzmeldungen, die daraus gemacht werden, geben diese differenzierte Haltung fast durchgängig auf.
Hier heisst es dann: ”Honig heilt entzündete Nasenhöhlen” oder eben: “Rhinosinusitis, Entzündung der Nase und Nebenhöhlen: Honig hilft beweisbar.”
Dieser kleine Unterschied verwischt die Differenz zwischen Vermutung / Hypothese und einem gesicherten Endergebnis.
Und dieses “Honig hilft beweisbar” und “Honig heilt…” ist eben gar nicht so klar.
Die Untersuchung aus Ottawa
Die Untersuchung aus Ottawa ist nämlich relativ simpel (und billig): Eine Bakterienkultur wurde gezüchtet mit einer für Nasennebenhöhlenentzündungen typischen Keimzusammensetzung. Dann bringt man den Honig und die Bakterienkultur zusammen und beobachtet, wie stark und wie rasch die Keime abgetötet werden. Honig setzt Wasserstoffperoxyd und andere antimikrobielle Stofffe frei, so dass der keimtötende Effekt auf der Hand liegt. Im Labor mit Bakterienkulturen ist es verhältnismässig leicht, solche Wirkungen zu zeigen. Ob aber der Honig bei einem kranken Menschen in einer entzündeten Nebenhöhle diese Effekte auch zeigen würde, steht auf einem ganz anderen Blatt. Und wie der Honig in konzentrierter Form in die Nasennebenhöhlen gelangen soll, ist auch nicht so ganz klar.
Insofern ist zum Beispiel die Meldung des Konsumentenmagazins (!) “Saldo” nicht korrekt, wenn da steht: “Honig heilt entzündete Nasenhöhlen.” Denn soweit sind die Forscher offenbar nicht gegangen, wenn sie tatsächlich die Wörtchen “könnte” und “wäre” verwendet haben. Vielleicht wird an diesem Punkt bei “Saldo” (und anderen) die Genauigkeit der Meldung ihrer Kürze geopfert.
Ich würde diesen Vorgang hier nicht darstellen, wenn er nicht so überaus häufig wäre bei (Kurz-) Berichten aus der Forschung.
Es ist bei Aussagen über Heilwirkungen (auch bei Heilpflanzen) enorm wichtig zu unterscheiden, ob eine Untersuchung im Labor stattgefunden hat, oder am kranken Menschen. Letzteres ist sehr viel aussagekräftiger, während Laborstudien kaum mehr als Ideen darüber liefern, was noch genauer zu untersuchen sich lohnen könnte.
Damit ich nun nicht als “Honig-Killer” am Pranger stehe, zum Abschluss noch ein paar positive Bemerkungen zur Heilkraft des Honigs:
– Gut dokumentiert ist eine wundheilende Wirkung von Honig.
– Die Einnahme von Honig soll Hustenreiz lindern.
– Honig mehrmals täglich auf Fieberbläschen aufgetragen wirkt ähnlich gut oder schlecht wie der Standardwirkstoff Acyclovir.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Pflanzenheilkunde
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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