Der Begriff “Störung” hat ein ganz und gar negatives Image. Fragt sich nur, ob dieser schlechte Ruf immer auch gerechtfertigt ist.
Der Pädagoge und Erwachsenenbildner Max Feigenwinter sieht auch die Chancen der Störung:
Je mehr alles
geordnet,
geregelt,
festgelegt,
voraussagbar ist,
desto
einfacher,
klarer,
sicherer
scheint das Leben zu sein.
Doch,
ist es nicht gerade das
Unerwartete,
Überraschende,
Ungewohnte,
Störende,
das uns fordert
und Leben fördert?
Max Feigenwinter
Meiner Ansicht nach spricht Feigenwinter hier ein zentrales Thema unserer Kultur an:
Störungen sind bei uns grundsätzlich unerwünscht. Das ist aber nicht überall auf der Welt so. Ich befasse mich seit einigen Jahren mit den Unterschieden zwischen westlichem und chinesischem Denken.
Wir im Westen stellen uns für alles einen idealen Ablauf vor. Dabei handelt es sich meist um den kürzesten Weg zu einem gesetzten Ziel.
Alles, was nun auf diesem Weg als Hindernis auftritt, gilt als unerwünschte Störung.
Altchinesisches Denken kennt dieses Ausgerichtetsein auf Ideale und Ziele nicht.
Alles was im Gange ist, gehört zu einem Prozess. So gibt es diese strikte Trennung nicht zwischen dem idealen Weg und der Störung, die dazwischen kommt. Meine eigenen Beobachtungen in China haben mir oftmals gezeigt, dass auch heutige chinesische Menschen ziemlich tolerant mit dem umgehen, was uns Westler als Störung nervt.
Es geht mir nun aber keineswegs darum, dass wir alle “Chinesen” werden und auf altchinesisches Denken umschalten. Das geht nicht und wenn es gehen würde, gäbe es eine ziemlich eigenartige Kopie. Im Kontrast zum chinesischen Denken zeigen sich aber die Eigenarten unserer westlichen Denkstrukturen schärfer.
Die abendländische Diffamierung der Störung schlägt sich auch in der Geschichte der Heilkunde nieder und wirkt bis in die Gegenwart. Krankheit ist die Störung in Reinkultur. Gesundheit dagegen ist ein Idealzustand und hat mit Harmonie zu tun. Chinesisches Denken würde wohl schon die Trennung zwischen Gesundheit und Krankheit nicht so scharf ziehen.
Die Vorstellung von Gesundheit als Idealzustand absoluter Harmonie, und von Störung als Ursache von Krankheit findet sich auch in vielen Heilsystemen aus den Bereichen Komplementärmedizin, Naturheilkunde und Esoterik – so zum Beispiel in den Schriften von Edward Bach, dem Begründer der Bach-Blüten-Therapie.
Ganz im Sinne des Zitates von Max Feigenwinter scheint mir ein freundlicherer Blick auf das Phänomen “Störung” angebracht – auch bezüglich Gesundheit und Krankheit.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch