Medizin rund um die Biene – diesem Thema widmete sich die Erste Österreichische Apitherapie-Tagung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
So vielfältig wie die Bienenprodukte sind auch deren therapeutische Einsatzmöglichkeiten.
Dass Bienenprodukte pharmakologisch wirksam sind, ist schon sehr lange bekannt.
Dazu sagte Dr. Stefan Stangaciu, Arzt für Allgemeinmedizin und Präsident des Deutschen Apitherapie Bundes:
“Apitherapie gilt als die älteste Medizin. Archäologische und historische Belege zeigen, dass der Mensch seit über 6000 Jahren Bienenprodukte nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch als Heilmittel verwendet. Besonders Honig zur Wundheilung, Propolis als natürliches Antibiotikum, aber auch Bienenstiche als älteste Form der ,Bio-Akupunktur’ oder als ,Injektionskuren’ sind uralte apitherapeutische Anwendungen.”
In der heutigen Zeit betrachtet sich die Apitherapie als wissenschaftlich fundierte Sparte der Medizin. Und tatsächlich liefert eine laufend steigende Zahl von Veröffentlichungen immer bessere Belege für die medizinische Anwendung von Bienenprodukten.
Dr. Stangaciu erklärte der Medical Tribune:
“Unzählige Studien, die in Laboratorien und Kliniken in der ganzen Welt durchgeführt werden, haben die medizinische Wirkung von Bienenprodukten zum Inhalt. In fast allen medizinischen Disziplinen, insbesondere, Kardiologie, Neurologie, Chirurgie, Dermatologie, Rheumatologie, Gynäkologie und anderen kommen Bienenprodukte komplementär zur Vorbeugung oder als Heilmittel zum Einsatz.” Stangaciu hielt zudem fest, dass die Apitherapie “in wirtschaftlich angespannten Zeiten und Regionen der Erde” eine kostengünstige Alternative zu moderner pharmakologischer Behandlung darstellen könne.
Zu den wichtigsten anstehenden Forschungsaufgaben gehöre nun, “das über die ganze Welt verstreute Wissen – Erfahrungswissen, traditionelle Anwendungen, wissenschaftliche Studien etc. – zu sammeln, auszuwerten und darauf aufbauend neue klinische Studien zur weiteren Entwicklung der Apitherapie durchzuführen.”
Honig und seine Wirkungen
Medizinisch als wertvoll erweist sich schon das bekannteste aller Bienenprodukte: der Honig. Er enthält neben Fruktose und Glukose als weitere Inhaltsstoffe die Vitamine B1, B2, B6 und C, die Aminosäuren Cholin, Prolin u. Tryptophan, eine Reihe von Enzymen (Glukoseoxidase und Katalase), die Mineralstoffe Kalium, Natrium, Kalzium und Magnesium, die Spurenelemente Eisen, Zink, Mangan, Kupfer und Chrom sowie Flavonoide. Nicht geklärt ist bislang allerdings, wie sich diese Inhaltsstoffe in den Mengen, in denen sie im Honig vorkommen, auf den Organismus auswirken.
Dr. Johann Puttinger, Arzt für Allgemeinmedizin aus Uttendorf, verwies an der Tagung auf eine von der EU geförderte österreichische Ernährungsstudie, welche “die Wirkung von Honig auf das Immunsystem, das Gewicht, das Essverhalten und auf das Wohlbefinden des Menschen” untersucht. Die Studienteilnehmer erhalten für ihre tägliche Ernährung keine Einschränkungen oder Vorgaben. Die einzige Bedingung ist, dass über einen Zeitraum von acht Wochen täglich mindesten zwei Esslöffel Honig gegessen werden sollten.
Dr. Puttinger sieht die bisherigen Resultate als vollen Erfolg:
“Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Einnahme von mindesten zwei Esslöffeln Honig am Tag zu einer deutlichen Absenkung der Belastung mit freien Radikalen und zu einer Verbesserung des Immunstatus führt. Darüber hinaus verringerte Honig den Appetit auf Süßigkeiten und ermöglichte bei 46 % der Probanden eine Gewichtsabnahme ohne Diät. Positive Wirkungen hatte Honig auch auf verschiedene Befindlichkeiten wie Schlafverhalten, Leistungsfähigkeit, Verdauung, Häufigkeit von Kopfschmerzen und Muskelkrämpfen. Auf Cholesterin-, Triglyzerid-, Harnsäure- und Ferritin-Werte im Blut hatte Honig keinen Einfluss.”
Die Schwächen dieser Untersuchung liegen im offenen Design sowie in der geringen Zahl an Teilnehmern.
Bienengift gegen Fibromyalgie?
Ein weiteres Bienenprodukt, das in der Medizin zum Einsatz kommt, ist das Bienengift. Dr. Peter Daryai, Arzt für Allgemeinmedizin aus Wien, hat die Behandlung mit Apitoxin in Brasilien kennen gelernt. Dort kommt Bienengift unter anderem bei akuten Schmerzen der Knochen und des Gelenksystems zum Anwendung.
Dr. Daryai sagte dazu: “Diese beinhalten Schmerzen die auf Grund von entzündlichen Veränderungen sowie Verletzungen des Kapsel-Ligament-Systems hervorgerufen werden, und Schmerzen muskulärer Natur unabhängig von der Genese.”
Auch das Fibromyalgie-Syndrom soll in Südamerika oft und erfolgreich mit Bienengift behandelt werden. Darüber hinaus wird dem Bienengift eine immunstimulierende Wirkung nachgesagt.
Die Anwendung des Bienengiftes kann direkt durch einen Bienenstich oder als subkutane Injektion durchgeführt werden. Als strenge Kontraindikationen gelten Allergie gegen Bienengift und Schwangerschaft. Die Allergie muss vor Behandlungsbeginn durch entsprechende Testung ausgeschlossen werden.
Propolis zeigt im Labor Antitumorwirkung?
Neue Resultate aus Laborexperimenten weisen auf eine mögliche Wirksamkeit von Propolis bei onkologischen Erkrankungen hin. Aus In-vitro-Studien ergaben sich Antitumorwirkungen durch Induktion von Apoptose und Hemmung der Angiogenese.
Im Tierexperiment konnte durch Zugabe von Propolis eine Verbesserung der Wirksamkeit diverser Chemotherapie-Regime nachgewiesen werden. Wie weit sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, ist allerdings noch offen.
Quelle: Medical Tribune 14 / 2009
Kommentar & Ergänzung:
Apitherapie ist ein interessantes Fachgebiet, allerdings mit vielen offenen Fragen. Bienenprodukte werden zum Teil als wahre Wundermittel propagiert, was oft völlig überzogen ist.
Daneben gibt es aber auch handfeste Wirkungen:
Honig wurde in den letzten Jahren intensiv als Wundheilmittel untersucht und hat sich als wirksam erwiesen.
Propolis (Bienenkittharz) wirkt antimikrobiell, hat aber ein gewisses Allergiepotenzial.
Zu den Laborexperimenten mit Propolis ein paar Ergänzungen:
Die erwähnte Apoptose ist eine Form des programmierten Zelltods. Es ist quasi ein “Selbstmordprogramm” einzelner biologischer Zellen. Dieses kann von außen angeregt werden (etwa durch Immunzellen) oder durch zellinterne Prozesse ausgelöst werden (etwa nach starker Schädigung der Erbinformation). Im Unterschied zum anderen bedeutenden Mechanismus des Zelltodes, der Nekrose, wird die Apoptose von der betreffenden Zelle selbst aktiv durchgeführt, ist Teil des Stoffwechsels der Zelle. Wenn Propolis Apoptose auslöst, wird dies als Antitumor-Effekt gedeutet.
Als Angiogenese bezeichnet man das Wachstum von kleinen Blutgefäßen (Kapillaren), vor allem durch Sprossung aus einem vorgebildeten Kapillarsystem.
Auch die Hemmung der Angiogenese gilt als antitumorale Wirkung.
Allerdings ist es immer ausgesprochen heikel, wenn von Laborergebnissen und Tierexperimenten auf eine antitumorale Wirkung bei Krebspatienten geschlossen wird. Der Text in der Medical Tribune weißt zwar auf diese Gefahr hin. Doch geschieht dies immer sehr schnell, weil wir uns natürlich alle wünschen, ein sanftes, wirksames Naturheilmittel gegen Krebs zu haben. Es braucht also einerseits Vorsicht bei der Interpretation solcher Ergebnisse, doch andererseits sind Propolis und diese Studien es durchaus wert, genauer beachtet zu werden.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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