Im Internet und in Gesundheitsratgebern wird seit einiger Zeit Weizengras-Saft als natürliches Heilmittel propagiert. Oft wird es darin als wahres Gesundheitselixir angepriesen. Unter Weizengras versteht man das grüne Weizen-Pflänzchen, das noch vor dem Sprießen, also bevor die charakteristischen Ähren entstehen, geerntet wird. Weizengras kann frisch als Saft oder in Form eines Nahrungsergänzungsmittels konsumiert werden.
Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zu gesundheitlich relevanten Wirkungen von Weizengras gibt es bisher allerdings kaum. Was tatsächlich hinter dieser neuen „Gras-Wellness“ steckt, haben Forscher des Max Rubner-Instituts in einem aktuellen Projekt zusammen mit Lebensmittelverfahrenstechnikern der Universität Karlsruhe und der Pfälzer Walter-Mühle untersucht. Zu diesem Zweck verzehrten im Rahmen einer Ernährungsstudie 55 übergewichtige Männer mittleren Alters mit einem erhöhten Cholesterinspiegel über vier Wochen Weizengras-Produkte, die mit verschiedenen Verfahren hergestellt waren. In Blutproben der Teilnehmer wurde schließlich ermittelt, inwiefern Weizengras-Inhaltsstoffe vom Organismus aufgenommen werden können und ob Risikofaktoren, die mit der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammenhängen, beeinflusst werden.
Weizengras ist eine gute Luteinquelle
Zwar konnte ein solcher Einfluss nicht bestätigt werden, es stellte sich aber heraus, dass Weizengras eine ausgezeichnete Aufnahmequelle für Lutein ist, ein Pflanzeninhaltsstoff im Weizengras, eng verwandt mit beta-Carotin, dem bekannten Farbstoff in der Karotte. Lutein schützt vor freien Radikalen und hat, so vermutet man heute, eine wichtige Schutzfunktion für das Auge und den Sehvorgang, weil Lutein in großen Mengen in die Netzhaut des Auges eingelagert wird und dort den sogenannten „gelben Fleck“ erst gelb macht. Die Studienresultate sollen nun in die Tat umgesetzt werden: Die Forschungspartner suchen nach Möglichkeiten, schmackhafte Lebensmittel zu entwickeln, welche Weizengras enthalten und dem Verbraucher als Luteinquelle zur Verfügung stehen sollen.
Quelle:
Max Rubner-Institut – Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
http://www.journalmed.de/ 22. 5. 2009
Kommentar und Ergänzung: Weizengras – grosse Versprechungen, wenig Fakten
– Der “Gelbe Fleck” (Macula lutea) ist der Punkt der höchsten Sehschärfe im Auge. Kommt es an dieser Stelle zu einer Degeneration der lichtempfindlichen Elemente, so hat das einschneidende Konsequenzen auf das Sehvermögen. Die altersbedingte Maculadegeneration (AMD) ist eine Netzhauterkrankung des Auges, die überwiegend ältere Personen betrifft. Daten einer kürzlich durchgeführten Studie deuten darauf hin, dass eine Nahrungsergänzung mit Lutein und / oder Zeaxanthin in der Lage zu sein scheint, das Sehvermögen von Patienten mit AMD signifikant zu verbessern. Wenn es aber wirklich um eine Maculadegeneration geht, dürfte der Luteingehalt in den Nahrungsergänzungsmitteln auf der Basis von Weizengras viel zu gering sein.
– Lutein ist ein in der Natur weit verbreitetes Xanthophyll und wird immer von Zeaxanthin begleitet.
Hohe Gehalte an Luteolin kommen vor in dunklen Blattgemüsen (z. B. Grünkohl bis 0,25 mg/g Frischgewicht, Spinat bis 0,12 mg/g Frischgewicht). Tagetes-Blütenblätter weisen Gehalte bis zu 8,5 mg/g Frischgewicht auf und werden zur industriellen Herstellung von Lutein genutzt. In tierischen Organismen tritt Lutein zum Beispiel als gelber Farbstoff im Eidotter auf. Lutein findet aber auch als Lebensmittelfarbstoff (E161b) sowie als Futtermittelzusatz insbesondere für Geflügel zur Gelbfärbung von Eidotter Verwendung. Weitere Quellen sind Brennessel, verschiedene Rotalgen, Luzerne (Alfalfa) und Palmöl. Weizengras ist jedenfalls nicht die einzige Quelle für Lutein.
– Weizengras hat einen hohen Anteil an Eiweiss und Enzymen und es ist reich an Ballaststoffen und Mineralsalzen.
Aber Internet-Empfehlungen wie die folgenden sind nur noch absurd:
„Weizengras eignet sich auch hervorragend zum Abnehmen, Entschlacken und Entgiften, da er energiesteigernd, regenerierend und zellaktivierend wirkt. Purer Weizengrassaft wirkt als massive Entgiftung für den Körper. Sobald man den Saft trinkt, werden die Giftstoffe aus dem Körper ausgeschwemmt und gelangen in hohen Mengen zu Gallenblase, Leber und zu den Nieren.“
Von all diesen hochtrabenden Versprechungen ist gar nichts auch nur im Ansatz belegt. Hanssen, Koch und Richter , die Autoren des Buches “Biogene Nahrungsergänzungsmittel” (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2008) beurteilen das Weizengras ziemlich nüchtern:
“Der Nährwert von Grünpflanzen als Salat und somit als Nahrungsbestandteil ist unbestritten, welchen Wert nun aber getrocknete Gräser in Kapseln haben sollten, bleibt unklar.”
……..und warum man für getrocknete Gräser viel Geld ausgeben soll, ist auch ziemlich rätselhaft.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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