Die “Ärztezeitung” publiziert in heutigen Online-Ausgabe einen Beitrag zur Phytotherapie und stellt ihn unter den lobenden Titel: “Phytotherapie auf hohem Niveau”. Der Text ist etwas einseitig, weil er ausschliesslich auf ein Heilpflanzen-Präparat zur Behandlung von Sinusitis fokussiert und damit starken Werbecharakter trägt. Er drückt aber auch gut aus, worum es einer fundierten Phytotherapie geht und welches ihre Herausforderungen sind:
“Keine Pflanze ist wie die andere….Die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe ist von Pflanze zu Pflanze, von einer Jahreszeit zur anderen, von einem Standort zum nächsten unterschiedlich. Deshalb ist die über Jahre gleichbleibende Qualität eine Herausforderung.”
(www.aerztezeitung.de)
Zum Konzept einer Phytotherapie auf hohem wissenschaftlichen Niveau
“gehören Qualitätskontrolle von Anfang an, die Entwicklung von eigenem Saatgut, der standardisierte Anbau der Heilpflanzen, die standardisierte, wissenschaftlich fundierte Herstellung von Pflanzenextrakten, die Erforschung der pharmakologischen Wirkung der Pflanzenkomponenten sowie klinische Studien zu Wirksamkeit und Sicherheit der Präparate.”
(www.aerztezeitung.de)
In dieser Liga spielen allerdings nur wenige Hersteller von Heilpflanzen-Präparaten.
Beim allergrössten Teil der Naturheilmittel, welche in Apotheken, Drogerien oder im Internet propagandiert und verkauft werden, fehlt jegliche fundierte Dokumentation ihrer Wirksamkeit.
Heisst das nun, dass nur wirksam ist, was von A – Z wissenschaftlich belegt ist?
Das kann man so meiner Ansicht nach nicht sagen. Es gibt schliesslich auch unzählige Heilpflanzen, die noch gar nie Gegenstand wissenschaftlicher Forschung waren. Hier existiert noch ein grosses ungenutztes Potenzial.
Es ist meines Erachtens aber auch völlig naiv – wie das heute leider oft gemacht wird – jede angebliche Wirkung einer Heilpflanze, die seit Jahrhunderten als schöne Anekdote herumgereicht wird, für bare Münze zu nehmen.
Eine fundierte Phytotherapie baut deshalb auf die wissenschaftliche Überprüfung traditioneller Heilpflanzen. Es zeigt sich immer wieder, dass dadurch Wirkungen und allfällige Nebenwirkungen besser verstanden werden können. Das ermöglicht eine fortlaufende Optimierung der Phytotherapie.
Wer sich beruflich mit Heilpflanzen befasst und die Resultate dieser Phytotherapie-Forschung nicht zur Kenntnis nimmt, handelt meines Erachtens ziemlich blind.
Das heisst nicht, dass die wissenschaftliche Forschung der einzige und letztgültige Massstab sein muss.
Offenheit über den wissenschaftlichen Rahmen hinaus scheint mir durchaus angebracht, aber nicht Blindheit und Naivität
Das setzt voraus, dass kritische Fragen gestellt werden müssen. Innerhalb und ausserhalb des wissenschaftlichen Rahmens.
Auch Konsumentinnen und Konsumenten, die in der Drogerie oder Apotheke ein Naturheilmittel kaufen, tun gut daran nachzufragen, was denn für eine Wirksamkeit des empfohlenen Heilpflanzen-Präparates spricht und wie diese Wirksamkeit dokumentiert ist. Leider ist nämlich der Konsumentenschutz in der Schweiz in diesem Bereich praktisch inexistent.
Und lassen Sie sich auch nicht mit Allerweltsfloskeln wie “positive Erfahrungen” abspeisen, wenn Sie nach Belegen für die Wirksamkeit eines Naturheilmittels fragen.
“Erfahrung” als einziges Argument genügt nämlich ganz und gar nicht.
Siehe dazu auch:
Pflanzenheilkunde: Erfahrung allein genügt nicht zur Begründung
Naturheilkunde braucht sorgfältigeren Umgang mit Erfahrung
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch