Eine Studie des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie der Donau-Universität Krems hat gezeigt, dass Bachblüten zwar eine Verbesserung von psychischen Problemen bewirken können, allerdings nicht stärker als dies auch Placebos tun würden.
Die Bachblütentherapie ist eine alternative Behandlungsmethode, bei welcher einzelne oder mehrere Blütenessenzen eingenommen werden, um psychische Probleme zu lindern. Die Wirkung dieser Behandlung ist umstritten, weil klinische Studien bisher nicht zeigen konnten, dass die Wirksamkeit von Bachblüten grösser ist als diejenige von Placebo. Die WissenschftlerInnen des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie wollten es präziser wissen. Sie untersuchten, ob eine Behandlung mit Bachblüten einen günstigen Effekt auf psychische Probleme, konkret Prüfungsangst oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), zeigt. Diese Fragestellung wurde anhand eines systematischen Reviews überprüft. Für das Review wurden drei Studien beigezogen, welche sich mit der Wirksamkeit von Bachblüten gegen Prüfungsangst befassten, und eine Studie, welche die Wirkung gegen ADHS untersuchte.
Wirkung entspricht derjenigen von Placebo
Alle vier Studien kamen zum Schluss, dass Bachblüten nicht besser gegen Prüfungsangst oder ADHS wirken als Placebo. Bei allen therapierten SchülerInnen und StudentInnen zeigte sich zwar eine Verbesserung der Symptome, aber diese Verbesserung stellte sich sowohl bei der Einnahme von Bachblüten als auch von Placebo ein. Ein weiteres Resultat des Reviews ist, dass im Zuge aller Bachblütentherapien nur vereinzelt Nebeneffekte auftraten. “Viele Menschen stehen Medikamenten skeptisch gegenüber und bevorzugen ,natürliche‘ Therapien wie Bachblüten. Unsere Arbeit zeigt aber klar, dass wissenschaftliche Studien keinen Nachweis für die Wirksamkeit von Bachblüten bei Prüfungsangst gefunden haben. Bachblüten als effektives therapeutisches Mittel zu verkaufen ist daher meiner Ansicht nach eine Täuschung der Patienten”, fasst Studienautorin Dr. Kylie Thaler zusammen.
“Bachblüten wirken bei Prüfungsangst zwar nicht besser als Placebo, das bedeutet aber nicht, dass sie völlig nutzlos sind. In psychisch belastenden Situationen sprechen viele Menschen sehr gut auf Placebo an. Da Bachblüten weitgehend nebenwirkungsfrei sind, können sie daher für manche Personen weiterhin ein gutes Mittel sein, der Prüfungsangst beizukommen. Insofern helfen sie, den missbräuchlichen Einsatz von pharmakologischen Beruhigungsmitteln zu reduzieren“, ergänzt allerdings Departmentleiter Prof. Dr. Gerald Gartlehner.
Quelle: http://donau-uni.ac.at/de/aktuell/presse/archiv/13364/index.php
Originalarbeit:
http://www.biomedcentral.com/1472-6882/9/16
Kommentar & Ergänzung:
Die Ergebnisse aller bisher durchgeführten Studien zur Wirksamkeit von Bachblüten stehen in starkem Widerspruch zu den zum Teil sehr weitreichenden Heilungsversprechungen, die in der “Bachblüten-Szene” mit der Einnahme dieser Tropfen verbunden werden.
Allerdings braucht es für einen optimalen Placebo-Effekt auch überzeugte Anpreiserinnen.
Bachblüten profitieren aber nicht nur vom Placebo-Effekt, sondern genauso von der Tatsache, dass die allermeisten psychischen Beschwerden nach ein paar Minuten, Stunden oder Tagen durch die Eigenregulationen des Organismus auch ohne jede Therapie wieder besser werden. Wer bei jeder kleinen psychischen Unebenheit im Leben sogleich zu den Notfalltropfen aus dem Bachblüten-Sortiment greift – das ist in letzter Zeit oft zu beobachten – und dann jede Besserung sogleich den Bachblüten zuschreibt, missachtet meiner Ansicht nach die Eigenregulationsfähigkeiten der menschlichen Psyche.
Ich teile weit gehend die Schlussfolgerung von Studienautorin Dr. Kylie Thaler: Bachblüten als effektives Heilmittel zu verkaufen kommt einer Täuschung der Konsumentinnen und Konsumenten nahe. An diesem wie an vielen ähnlichen Punkten hat die Komplementärmedizin meiner Ansicht nach ein manifestes ethisches Problem, dem sie aber kaum in die Augen sieht.
Ich kann jedoch auch die Anmerkung von Prof. Gartlehner nachvollziehen:
Wenn Menschen ihre Prüfungsangst mit harmlosen Bachblüten-Tropfen in den Griff bekommen, ist das alleweil besser, als wenn sie dazu Psychopharmaka mit Abhängigkeitsrisiko schlucken. Allerdings könnte man dann irgendein Mittel einsetzen, das mit genügend Überzeugung propagiert wird, und das ist vielleicht auch nicht gerade ein befriedigender Zustand.
Bei Prüfungsangst gibt es nämlich durchaus Heilpflanzen-Präparate, von denen die Phytotherapie-Forschung zeigen konnte, dass sie besser wirken als Placebo.
Ich habe aber auch Leute gekannt, die aus Angst vor Psychopharmaka über Jahre hinweg immer wieder ihre manisch-depressiven Episoden mit Bachblüten behandeln liessen, mit schweren, gefährlichen Abstürzen und fortschreitendem Herausfallen aus gesellschaftlichen Strukturen. Erst eine Psychopharmaka-Behandlung führte dann in einem dieser Fälle zu einer Stabilisierung, welche einen Berufsabschluss möglich machte.
Das zeigt die Grenzen von Behandlungsmethoden, die ganz oder überwiegend auf Placebo-Effekten basieren.
Und dann wären da noch Fragen zu stellen an das Weltbild von Eduard Bach, auf dem seine Bach-Blütentherapie aufbaut:
Zum Beispiel die sehr einseitige Absolutsetzung von psychisch-geistigen Krankheitsursachen, die ausgesprochen anthropozentrische Vorstellung, die von ihm entdecken 38 Bachblüten hätten das Bedürfnis, uns Menschen zu heilen, die negative Bewertung von Gefühlen bei der Beschreibung von 38 Seelenzuständen etc.
Meiner Ansicht nach wäre es wichtig, dass wir uns in Naturheilkunde & Komplementärmedizin vertieft mit den Welt- und Menschenbildern auseinandersetzen, auf denen die einzelnen Heilmethoden stehen.
Einen gut verständlichen und fundierten Einstieg dazu bietet der Kurs “Die Heilkräfte der Pflanzen im Wandel der Zeit”. Inhalt des Kurses: Magische Medizin, antike Viersäftelehre, Mittelalterliche Klostermedizin (Hildegard von Binden), Signaturenlehre der Renaissance (Paracelsus), Bachblüten-Therapie, Phytotherapie.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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