Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktiker und Apotheker sollen angemessene Kenntnisse der Komplementärmedizin verfügen. Der Ständerat überwies eine entsprechende Motion. Der Bundesrat beabsichtigt, die Frage im revidierten Medizinalberufegesetz zu regeln.
Die Universitäten sollen Kurse anbieten, welche Grundkenntnisse in der Komplementärmedizin vermitteln, erläuterte Kommissionssprecher Felix Gutzwiller (FDP / ZH). Und er ergänzt, dass dabei schon einiges geschehen sei. Nur die Hochschule in Genf verfüge noch nicht über ein entsprechendes Angebot.
Die Angebote müssten indessen flächendeckend sein, sagte Ständerat Felix Gutzwiller zur Motion der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK). Diese Motion sei Folge einer gleichlautenden parlamentarischen Initiative und soll zur Beschleunigung des Anliegens beitragen.
Ständerat Rolf Büttiker (FDP / SO) erinnerte an das deutliche Ja zur Initiative für die Berücksichtigung der Komplementärmedizin am 17. Mai 2009. Die Motion verlange nur die Vermittlung von Basiswissen über Methoden, welche die Mehrheit der Bevölkerung wünsche. Denkbar sei eine obligatorische Basisausbildung von 30 bis 60 Stunden in einem Studium, präzisierte Rolf Büttiker.
Eugen David (CVP / SG) bemängelte, dass unter den Begriff Komplementärmedizin die verschiedensten Methoden fallen. An Universitäten sollten jedoch nur wissenschaftlich fundierte Methoden gelehrt werden.
Gesundheitsminister Didier Burkhalter erklärte sich zur Annahme der Motion bereit. Der Einwand Davids mache jedoch klar, dass das Thema komplex sei und seriöse Gesetzgebung brauche. Die Frage der Kenntnisse in Komplementärmedizin fliesse in die Revision des Medizinalberufegesetzes ein. Bis Ende 2010 sollte die Vernehmlassung zu dieser Revision beginnen, sagte Bundesrat Didier Burkhalter. Die Motion wurde vom Ständerat gut geheissen und geht nun an den Nationalrat.
Quelle:
http://www.bielertagblatt.ch/News/Schweiz/169235
Kommentar & Ergänzung: Komplementärmedizin soll ins Medizinstudium
Ein “Blumenstrauss” an Ständerat Eugen David (CVP, SG). Es scheint also tatsächlich Politiker zu geben, denen klar geworden ist, dass man nicht einfach pauschal und undifferenziert die verschiedenen Methoden der “Komplementärmedizin” in einen Topf schmeissen kann. Das ist erfreulich, herrscht doch bisher überwiegend die totale Pauschalisierung vor, wonach Komplementärmedizin einfach generell etwas Wunderbares ist. Wobei sehr bedauerlicherweise ausgerechnet die Sozialdemokratische Partei (SPS) und die Grüne Partei (GPS) sich meiner Erfahrung nach im Bereich Komplementärmedizin durch einen besonders hohen Naivitäts-Pegel auszeichnen.
Zur Komplexität des Begriffs Komplementärmedizin siehe:
Komplementärmedizin – ein fragwürdiger Begriff
http://heilpflanzen-info.ch/cms/2010/01/30/komplementaermedizin-ein-fragwuerdiger-begriff.html
Der Teufel steckt auch hier im Detail.
Ständerat Eugen David fordert, dass an Universitäten nur wissenschaftlich fundierte Methoden gelehrt werden sollten.
Das schliesst aber tendenziell Methoden der Komplementärmedizin schon aus. Die fünf zur Diskussion stehenden Methoden Homöopathie, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Anthroposophische Medizin, Neuraltherapie und Phytotherapie sind jedenfalls bei weitem nicht durchgängig als wissenschaftlich fundiert zu bezeichnen. Dies in deutlichem Gegensatz zu den fragwürdigen und auf Binnenkonsens beruhenden Schlussfolgerungen der sogenannten PEK-Studie, welche die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser fünf Methoden belegt haben will.
Zur Kritik an der PEK-Studie siehe:
Komplementärmedizin: Fragwürdige PEK-Studie zur Wirksamkeit
http://heilpflanzen-info.ch/cms/2009/06/24/komplementaermedizin-fragwuerdige-pek-studie-zur-wirksamkeit.html
Die Stimmberechtigten wurden meines Erachtens diesbezüglich im Vorfeld der Abstimmung vom 17. Mai durch sehr einseitige, realitätsferne bzw. zum Teil auch schlicht unwahre Aussagen bezüglich der wissenschaftlichen Fundiertheit der Komplementärmedizin getäuscht.
Siehe beispielsweise Statements von Ständerätin Simonetta Sommaruga (SP, BE) und Ständerat Rolf Büttiker (FDP, SO):
Komplementärmedizin-Abstimmung: Fragen an Ständerat Büttiker
http://heilpflanzen-info.ch/cms/2009/04/14/komplementaermedizin-abstimmung-fragen-an-staenderat-buettiker.html
Falschaussage von Simonetta Sommaruga zur Komplementärmedizin-Abstimmung
http://heilpflanzen-info.ch/cms/2009/04/15/falschaussage-von-simonetta-sommaruga-zur-komplementaermedizin-abstimmung.html
Der Kernpunkt scheint mir hier zu sein, dass eine Methode, die wissenschaftlich fundiert ist, gar nicht mehr zur Komplementärmedizin gezählt wird, sondern zur “Schulmedizin” gehört.
Zur Problematik des Begriffs “Schulmedizin” siehe:
Schulmedizin – ein fragwürdiger Ausdruck
http://heilpflanzen-info.ch/cms/2010/01/03/schulmedizin-ein-fragwuerdiger-ausdruck.html
Fordert man wie offenbar Eugen David, dass von den fünf zur Diskussion stehenden Methoden der Komplementärmedizin (Homöopathie, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Anthroposophische Medizin, Neuraltherapie und Phytotherapie) nur diejenigen an der Universität gelehrt werden, welche wissenschaftlich fundiert sind, dann steht die Phytotherapie zweifellos in der Pool-Position. Denn dass die Phytotherapie von den fünf mit Abstand am besten wissenschaftlich fundiert ist, wird wohl kaum von irgend jemandem ernstlich bestritten.
Aber auch hier wird die Situation komplex, sobald man genauer hinschaut:
Meiner Ansicht nach gibt es kein auch nur einigermassen überzeugendes Argument, weshalb Phytotherapie zur Komplementärmedizin zu zählen wäre. Dass Phytotherapie in diesem Fünfer-Päckli als Komplementärmethode verkauft wird, hat mehr mit politischer Strategie und politischem Lobbying zu tun, kaum aber mit realen fachlichen Gründen.
Siehe dazu:
Gehört Phytotherapie zur Komplementärmedizin?
http://heilpflanzen-info.ch/cms/2010/01/30/gehoert-phytotherapie-zur-komplementaermedizin.html
Es sprechen viel mehr Argumente dafür, Phytotherapie als Brücke zwischen Medizin und Naturheilkunde zu sehen – eine Position, welche beispielsweise die “Interessengemeinschaft Phytotherapie & Pflege” (IGPP) einnimmt (www.ig-pp.ch).
Die IGPP setzt sich für die Integration von fundierten Heilpflanzen-Anwendungen in Spitex-Organisationen, Pflegeheime und Kliniken ein. Sie arbeitet damit schon vor und erst recht nach der Abstimmung vom 17. Mai unspektakulär an der oft geforderten und selten realisierten Verbindung von Medizin und Naturheilkunde. Voraussetzung für ein Gelingen dieser Zusammenarbeit ist neben phytotherapeutischer Professionalität vor allem auch eine kooperative Grundhaltung zum medizinischen System.
Eine Dokumentation zum Thema “Phytotherapie in der Pflege” finden Sie hier:
moodle.heilpflanzen-info.ch/mod/resource/view.php
P.S.:
Bei der Frage, ob und welche Art von Komplementärmedizin an der Universität gelehrt werden soll, müsste meines Erachtens die wissenschaftliche Fundiertheit nicht das einzige Kriterium sein. Zu fordern wäre darüber hinaus eine offene Diskussion über weltanschauliche und ethische Aspekte. Anthroposophische Medizin beispielsweise basiert auf der Vorstellung, dass Krankheit und Behinderung durch moralisches Versagen in einem früheren Leben ausgelöst werden. Meines Erachtens gehört es zu den “Würden der Moderne”, dass Krankheit und Behinderung nicht mehr mit Schuld verbunden sind. Der Anthroposophischen Medizin aber geht es um eine Remoralisierung von Krankheit und Behinderung.
Details siehe:
Kritische Fragen zur Förderung der Anthroposophischen Medizin:
http://heilpflanzen-info.ch/cms/2009/05/01/abstimmung-komplementaermedizin-kritische-fragen-an-simonetta-sommaruga-zur-foerderung-der-anthroposophischen-medizin.html
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch