Die „Zeitschrift für Phytotherapie“ warnt in ihrer jüngsten Ausgabe (Nr. 3 / 2010) vor dem im Internet als natürlicher Viagra-Ersatz vertriebenen pflanzlichen Produkt Viapro:
„Bei Viapro handelt es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel, welches eine Kombination aus 22 verschiedenen Kräutern enthalten soll und für den Einsatz bei erektiler Dyfunktion beworben wird. Ein solcher Indikationsanspruch würde das Präparat nach deutschem Recht automatisch dem Arzneimittelrecht unterwerfen, ein Vertrieb als Nahrungsergänzungsmittel wäre demnach illegal. In einer Untersuchung stellte die FDA im Juli 2008 die Anwesenheit einer Analogsubstanz des Sildenafils, nämlich Thio-Methisosildenafil in einer Charge des Präparates fest und forderte den Hersteller zum Rückruf auf. Patienten bzw. Kunden müssen über die gefährlichen Auswirkungen nicht deklarierter und nicht standardisierter Wirkstoff-Beimengungen aufgeklärt werden. Das Mittel sollte sofort abgesetzt werden.“
Sildenafil ist der keineswegs pflanzliche Wirkstoff im Viagra. Die Anwesenheit von Thio-Methisosildenafil als Analogsubstanz des Sildenafils gefährde den Verbraucher, „weil der Blutdruck aufgrund einer gravierenden Wechselwirkung mit Medikamenten wie z.B. Trinitroglycerin gefährlich absinken kann. Patienten mit Diabetes, hohem Blutdruck, hohen Cholesterinwerten oder Herzerkrankungen gehören oftmals zu den Betroffenen.“
Nach Herstellerangaben soll das Produkt speziell für die Beeinflussung der männlichen Erektion, also zur Behandlung von Impotenz, entwickelt worden sein.
Die „Zeitschrift für Phytotherapie“ druckt aus einem Verkaufsprospekt Angaben zur Zusammensetzung von Viapro ab (Zitat inkl. Fehler im Verkaufsprospekt):
»Smilax extract (Sarsaparille) – ist dafür bekannt ein Hormongleichgewicht zu halten. Der Saft verbessert die Blutzirkulation und die männliche Potenz.
Avena sativa Extrakt (oat straw) – dient als Aphrodisiakum. Fördert die Libido bei Männer und Frauen.
Zyzphys Jujube (Jujube) – verbessert die Libido beim Mann. Durch den süßlichen Geruch werden Frauen davon angezogen.
Weitere Wirkstoffe sind – Kapsikum annum (Cayenne), Eleutherococcus senticocus (Ginseng), Urtica dioca (stinging nettles), Sernoa repens (saw palmetto), Cucurbita pepo (Kürbiskerne).«
Quelle:
Zeitschrift für Phytotherapie 3 / 2010
Kommentar & Ergänzung: Warnung vor pflanzlichem (?) Potenzmittel Viapro
Es ist eine hoch betrügerische Sache, dass immer wieder angeblich rein pflanzliche Naturheilmittel mit undeklarierten synthetischen Zusätzen vermarktet werden. Immer wieder festgestellt wurden solch gefährliche Betrügereien bei asiatischen Heilmitteln, die via Internet bestellt wurden.
Viapro ist nun offenbar ein europäisch-amerikanisches Beispiel.
Aber auch unabhängig von dem 2008 von der FDA gefundenen Sildenafil-Analogon ist die Zusammensetzung von Viapro mehr als fragwürdig.
– Sarsaparilla gehört zu den Stechwindengewächsen. Die China-Stechwinde (Smilax china) kam 1525 durch Vinzenz Gilius von Tristan nach Europa und wurde als Mittel gegen Lustseuche (Syphilis) empfohlen. Eine solche Heilpflanze einem Potenzmittel gleich beizufügen wäre ja zumindestens originell, wenn davon eine Wirkung erwartet werden könnte. Allerdings fehlen Hinweise auf solche Effekte.
– Avena sativa (Hafer) gilt als sehr energiereiches Pferdefutter…kann also in einem Potenzmittel auch nicht schaden. In der traditionellen Pflanzenheilkunde soll Hafertinktur allerdings eher beruhigend wirken – bleibt also zu hoffen, dass „er“ nicht einschläft.
– Die Chinesische Jujube (Ziziphus zizyphus, syn. Ziziphus jujuba), auch Chinesische Dattel oder Rote Dattel genannt, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Kreuzdorngewächse (Rhamnaceae) und stammt aus Nord- und Nordostchina. Die Jujube-Früchte dienen in getrockneter Form als Brusttee bei Erkältungen; aus diesem Grunde ist sie bei Apothekern häufig auch als Brustbeere bekannt. In China stellte sie schon sehr früh eine der wichtigsten Arzneipflanzen dar. Eine Wirkung als Potenzmittel ist nicht plausibel.
Und weiter…
– Capsicum annuum (Spanischer Pfeffer, Paprika) hat zwar eine Ruf als unregendes Gewürz – aber in Kapselform?? Ausserdem wird Paprikaextrakt eingesetzt zur Förderung der Durchblutung und Reizempfindlichkeit im Genitalbereich – allerdings als Creme….
– Eleutherococcus senticosus (Taiga-Wurzel, Sibirischer Ginseng), im Prospekt fälschlich einfach als Ginseng (wodurch normalerweise gemeint ist: Panax ginseng) bezeichnet, verbessert als adaptogene Heilpflanze die Fähigkeit des Organismus zur Stressbewältigung. Das zumindestens kann ja in einem Potenzmittel nicht schaden….
– Urtica dioica, die altbekannte Brennessel. Um sie ranken sich zahlreiche Geschichten. Die Brennesselsamen sollen feurig machen in der Liebe – getestet von Pferdehändlern, die vor einem Verkauf damit ihre Tiere behandelt haben sollen, damit sie fitter aussehen. Und Brennesselpeitschungen sollen anregend wirken…na ja, wems gefällt.
Brennesselwurzel dagegen sind tatsächlich in ihrer Wirkung gut erforscht zur Linderung der Beschwerden bei gutartiger Prostatavergrösserung. Kann also für Männe auch nicht schaden, doch werden die Kapseln kaum die Wurzeln enthalten.
– Serenoa repens (Zwergpalme, Sägepalme, Sabal serrulata) ist das am besten dokumentierte Heilpflanzen-Mittel gegen gutartige Prostatavergrösserung älterer Männer. Aber potenzsteigernd?
– Cucurbita pepo (Kürbiskerne) sind ebenfalls wirksam gegen Beschwerden bei gutartiger Prostatavergrösserung. Aber potenzsteigernd?
Eine ziemlich wilde, unsinnige Kräutermischung also, welches da als natürliches Potenzmittel vermarktet wird.
Allerdings wird von einem solchen Produkt schon ein anständiger Placeboeffekt zu erwarten sein. In Situationen, in denen Potenzmittel angewendet werden, spielt die Erwartungshaltung eine grosse und wohl mitunter entscheidende Rolle.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch