Die Bild-Zeitung veröffentlich in der Rubrik „Medizin-Geheimnisse aus der Tierwelt“ einen Beitrag unter dem Titel „Warum Haie keinen Krebs bekommen“
„Bild“ schlägt vor: „Machen Sie es doch mal wie die Tiere! Fitness-Papst und Autor Dr. Ulrich Strunz stellt in seinem neuen Buch tierische Verhaltensweisen vor, die auch wir nutzen können, um gesünder, fitter und fröhlicher durchs Leben zu gehen.“
Und wie sieht das konkret aus?
„Haie können, im Gegensatz zu anderen Fischen, nicht an Krebs erkranken. Die Erklärung: Psychoneuroimmunologie. Das ist die Erkenntnis, dass wir mit unserer Psyche das Immunsystem beeinflussen können. Eigentlich ist es schon länger bekannt: Wenn wir gut gelaunt sind, haben wir ein gutes Immunsystem, wenn wir schlecht gelaunt sind, ein schlechtes. Der Hai lebt im Meer, hat keine natürlichen Feinde, keine Angst, ist quasi unverwundbar. Dadurch hat er ein positives Lebensgefühl.“
Und was können wir nach Ansicht des Fitnesspapstes von den Haien lernen?
„Das können wir daraus lernen: Nicht ständig Angst haben! Nicht ständig über das Alter, Krankheiten, mögliche Arbeitslosigkeit oder über den Tod grübeln. Weniger Angst und Sorgen mindern das Krebs-Risiko. 70 Prozent aller Krankheiten werden durch Stress mitverursacht, also durch negative Gedanken und Ängste. Zu diesem Schluss kam das größte medizinische Forschungsinstitut der Welt, das National Institut of Health (USA). Versuchen Sie, positive Botschaften an Ihr Unterbewusstsein zu senden. So haben Sie ein gutes Lebensgefühl und bleiben gesund.“
Quelle:
http://www.bild.de/ratgeber/gesund-fit/krebs/von-tieren-lernen-adler-hai-panther-krebs-19301062.bild.html
Kommentar & Ergänzung: Haie und Krebs
Der Beitrag in der Bild-Zeitung ist eine einzige Irreführung.
1. Haie können sehr wohl an Krebs erkranken.
„Tatsache ist, dass auch Haie Krebs bekommen. Belegt wird dies von John C. Harshberger, Direktor der «Registry of tumors in lower animals» der Smithonian Institution in Washington D.C. In diesem Register sind mehrere Dutzend Reporte über Krebs bei Haien dokumentiert.“
Quelle: http://www.sharkinfo.ch/SI1_96d/knorpel.html
Das Gerücht, wonach Haie immun seien gegen Krebs, wird vor allem verbreitet durch die Hersteller von Haifischknorpel-Pulver, welches als Krebsheilmittel propagiert wird.
Siehe dazu:
Lungenkrebs: Haifischknorpel-Extrakt ohne Wirkung
2. Haie haben sehr wohl natürliche Feinde.
„Außer dem Menschen, der die meisten Haie tötet, haben Haie auch andere Feinde. Insbesondere kleinere Haiarten werden regelmäßig vor allem von größeren Fischen, Rochen und größeren Haien gejagt. In Küstennähe werden kleine Haie zudem von Seevögeln oder Robben gefangen.
Größere Haie werden dagegen ausschließlich von Schwertwalen und Pottwalen sowie großen Haiarten erbeutet.“
(Quelle: Wikipedia)
3. Wenn der Hai „quasi unverwundbar“ ist, wie „Bild“ schreibt, weshalb stehen dann viele Hai-Arten infolge menschlicher Einflüsse kurz vor der Ausrottung?
„Hai-Gefährdung durch Menschen
Jährlich werden nach Angaben der FAO etwa 700.000 bis 800.000 t Knorpelfische gefangen, davon ein großer Teil als Beifang der großindustriellen Fangflotten. Diese Menge entspricht 70 bis 100 Mio. Einzeltieren, etwa 60 % davon sind Haie und 40 % Rochen.[12] Nach Compagno et al. 2005 sind diese Zahlen allerdings deutlich zu niedrig eingestuft, da eine Vielzahl von Staaten zu niedrige Fangzahlen angibt, er geht mindestens von der doppelten Menge aus.
Die wirtschaftliche Nutzung des Haies hat letztendlich dazu geführt, dass über 70 Arten bereits vom Aussterben bedroht sind. Die meisten dieser Arten werden bereits als nicht mehr überlebensfähig bezeichnet.“
(Quelle: Wikipedia)
4. Haie haben also, weil sie so völlig ungefährdet im Meer herumschwimmen, ein „positives Lebensgefühl“.
Wieviele Haie wurden denn zu dieser für sie bestimmt existenziellen Frage interviewt?
Ich hoffe doch, dass die Ergebnisse repräsentativ sind bezüglich Geschlecht und Alter der Tiere und auch für die verschiedenen Hai-Arten.
5. Die Empfehlung, wir sollten es einfach wie die Haie machen, ist reichlich naiv.
Haie grübeln wohl mit grösster Wahrscheinlichkeit tatsächlich nicht ständig nach über „ Alter, Krankheiten, mögliche Arbeitslosigkeit oder über den Tod“.
Das dürfte aber damit zu tun haben, dass ihnen diese Risiken nicht oder jedenfalls weniger bewusst sind.
Es gibt offenbar einfach menschenspezifische Ängste, die damit zusammenhängen, dass wir solche Risiken erkennen und auf uns zukommen sehen.
Haie machen sich wohl auch nicht grosse Sorgen darüber, wie sie sich als Hai richtig verhalten sollen. Haiisches Verhalten dürfte ihnen genetisch bzw. instinkgesteuert implementiert sein. Wir Menschen haben durch unsere geringere Instinktsteuerung offenbar grössere Spielräume im Verhalten und damit mehr Freiheiten, damit aber auch mehr Entscheidungsschwierigkeiten, Versagensängste etc.
6. Dass Stress krank machen kann, würde ich nicht grundsätzlich bestreiten.
Aber dass man umgekehrt nur ein gutes Lebensgefühl kreieren muss, und dann gesund bleibt, ist eine ziemlich simple Vorstellung von Gesundheit und Krankheit. Wer krank ist, hat es also einfach nicht geschafft, ein gutes Lebensgefühl zu produzieren. So einfach…..
Und wie genau schickt man „positive Botschaften“ ans Unterbewusstsein, damit sie dort auch sicher ankommen? Per Mail?
Zudem ist die Überzeugung, dass Stress ein Risikofaktor ist für körperliche Krankheit zwar sehr verbreitet, doch sind die biologischen und psychologischen Tatsachen viel komplexer. Stress ist jedenfalls nicht nur „böse“ und schädlich, wie uns das dieser „Bild“-Artikel einreden will.
Fazit:
Wenn „Bild“ uns gegen Stress und für ein gutes Immunsystem rät, wir sollen es doch einfach machen wie die Tiere, dann heisst das:
Hört auf, euch mit Themen wie Alter, Krankheit, Tod oder Arbeitslosigkeit auseinanderzusetzen. Die Tiere machen sich diese Gedanken ja auch nicht. Hört überhaupt auf nachzudenken und verlasst euch wieder ganz auf eure Instinkte (wie wenn man Instinkte einfach wieder einschalten könnte….).
Dieser Ratschlag ist einfach bodenlos dumm.
P.S.
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Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
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