Mehr als 100 klinische Studien prüfen die These, dass Grüntee günstig bei verschiedenen Krankheiten wirkt. Darauf haben Forscher heute auf einer Tagung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch hingewiesen.
Heilende Wirkungen soll der Grüntee unter anderem haben bei Alzheimer und Parkinson, Chorea Huntington, multipler Sklerose, Duchenne Muskeldystrophie, Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Entzündungen wie Atherosklerose sowie Krebs.
„Wir erwarten nicht, dass Grüner Tee eine solche Erkrankung tatsächlich heilen kann. Aber es ist unter Umständen möglich, ihr Fortschreiten aufzuhalten oder der Krankheit vorzubeugen“, sagt der Neurologe Paul. Er rechnet für Ende 2012 mit ersten verlässlichen Resultaten aus einer MS-Studie, von denen derzeit drei an der Charité laufen.
Übergewichtigen könnte Grüner Tee möglicherweise ebenfalls helfen. „Menschen mit mäßigem Übergewicht und einer Störung im Energiestoffwechsel oder im Fettumsatz nahmen in einer Studie deutlich ab“, erklärt der Pharmakologe Michael Boschmann, der am Experimental and Clinical Research Center (ECRC) von MDC und Charité forscht.
Normalgewichtige oder Adipöse hingegen profitierten in dieser Hinsicht nicht von den Grüntee-Extrakten. „Hier ist die Datenlage bislang widersprüchlich. In den nächsten zwei bis drei Jahren wird es aber konkrete Ergebnisse geben“, kündigt Boschmann an. Auch lassen sich die Resultate aus großen Untersuchungen etwa aus Japan nicht eins zu eins auf Europa übertragen. „Dort wird ja nicht nur Grüner Tee getrunken, sondern die Menschen haben auch eine andere genetische Disposition und ernähren sich anders – fast ohne Milch, dafür mit viel mehr Fisch“, ergänzt der Neurologe Paul.
Bis mehr Klarheit gewonnen ist, raten die Experten davon ab, ohne Absprache mit dem Arzt präventiv große Mengen Grüntee-Extrakt zu schlucken. „Da macht jemand einfach Kasse dran, und es kann immense Nebenwirkungen geben“, warnt Paul. Ein bis drei Liter Grüntee pro Tag hingegen könnten nicht Schaden.
Epigallocatechin-3-gallat (EGCG) – ein Hauptwirkstoff im Grüntee
Bei den klinischen Studien mit Grüntee geht es hauptsächlich um eine Substanz namens Epigallocatechin-3-gallat, kurz EGCG. Die Studien sind jedoch offenbar schwer miteinander vergleichenbar.
„Die dabei eingesetzten Präparate sind nicht standardisiert. Es gibt Teeaufgüsse und Kapseln, die unterschiedliche Konzentrationen von EGCG enthalten und zum Teil mit Zusatzstoffen, wie etwa Koffein, angereichert sind“, erklärte der Neurologe Friedemann Paul vom Exzellenzcluster NeuroCure an der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Das erschwere eine Bewertung der Resultate. So gebe es keine klaren Aussagen über die Bioverfügbarkeit der Substanz EGCG und auch keine klaren Aussagen darüber, wie viel von der Substanz gegeben werden müsse, um eine günstige Wirkung zu erzielen, sagte er.
Die Forschungen mit EGCG aus Grüntee ins Rollen gebracht hatte der Neurowissenschaftler Erich Wanker vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch. Zusammen mit seinen Mitarbeitern hatte er 2006 in Laborversuchen die günstige Wirkung der Grüntee-Substanz EGCG bei Chorea Huntington entdeckt. Im Jahr 2008 konnten sie außerdem belegen, dass durch die Substanz die Protein-Fehlfaltungsprozesse bei Parkinson und Alzheimer beeinflusst werden.
Quelle:
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/47843/Studienlage_zu_Nutzen_von_gruenem_Tee_verwirrend.htm
http://www.n-tv.de/wissen/Gruener-Tee-schadet-nicht-article4633256.html
Kommentar & Ergänzung:
Zu Grüntee gibt es tatsächlich sehr viele interessante Studien, aus denen aber oft vorschnell Schlüsse gezogen werden.
Betont werden muss meines Erachtens auch, dass bei den meisten Grüntee-Studien Effekte mit relativ grossen Grüntee-Mengen erzielt wurden, die für europäische Verhältnisse nicht so selbstverständlich sind (z. B. 8 – 10 japanische Teetassen pro Tag).
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Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
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