Eine aktuelle Studie zeigt, dass Cannabiskonsum während der Schwangerschaft die Gehirnentwicklung des Fötus beeinträchtigen und nach der Geburt langfristige Schädigungen verursachen kann.
Geleitet wurde die Studie durch Tibor Harkany vom Zentrum für Hirnforschung an der MedUni Wien. Durchgeführt wurde sie gemeinsam mit ein Team von WissenschaftlerInnen des schwedischen Karolinska Institutet und der US-amerikanischen Mount Sinai School of Medicine.
Nach den Erkenntnissen der ForscherInnen beeinflusst Cannabis hauptsächlich die Art, wie sich Nervenzellen miteinander vernetzen. Das führt dazu, dass betroffene Kinder Informationen in weiterer Folge nur in einem eingeschränkten Ausmaß verarbeiten können.
Eine steigende Zahl von Kindern leiden unter den Folgen eines Drogenkonsums ihrer Mütter während der Schwangerschaft. Zu den am häufigsten verwendeten Substanzen gehört dabei Cannabis. Die AutorInnen einer soeben in der Fachzeitschrift „The EMBO Journal“ publizierten Studie versuchten darum, die molekulare Basis zu entschlüsseln, über welche die bedeutende psychoaktive Cannabis-Komponente D9-tetrahydrocannabinol (THC) die Gehirnentwicklung ungeborener Kinder beeinflusst.
In ihrer Studie haben die ForscherInnen mit Modellsystemen gearbeitet – basierend auf Studien mit Mäusen und Zellkulturen. Die Resultate haben sie mit dem Gewebe von Föten verglichen, die von Frauen stammten, die zuvor große Mengen an Cannabis konsumiert hatten.
Fehlerhafte Entwicklung der Gehirnrinde
durch Cannabis
Die Studie kommt zum Schluss, dass Cannabiskonsum während der Schwangerschaft eine deutlich fehlerhafte Entwicklung von Nervenzellen in der Gehirnrinde bewirkt.
Dieser Gehirnteil ist beim Menschen für die Organisation der höheren kognitiven Funktionen zuständig und steuert die Bildung von Erinnerungen.
Verantwortlich für die Effekte ist der psychoaktive Wirkstoff von Cannabis, das Tetrahydrocannabinol (THC). Es wirkt sich v.a. in der Gehirnrinde aus, das beim Menschen die höheren kognitiven Funktionen organisiert und die Bildung von Erinnerungen steuert.
THC beeinflusst im Gehirn unter anderem die Entwicklung und Funktion der Kommunikationsleitungen zwischen den Nervenzellen – die sogenannten Synapsen und Axonen.
Eine wichtige Rolle dürfte dabei das Protein „Stathmin-2“ spielen, erklären die Wissenschaftler. Fehlt dieses Protein, kann es zu einem fehlerhaften Nervenwachstum und lebenslangen Veränderungen der Gehirnfunktion kommen.
Die WissenschaftlerInnen betonen, dass die Cannabisexposition in den experimentellen Modellen genau übereinstimmt mit der fetalen Entwicklungsperiode, während der Nervenzellen untereinander Verbindungen herstellen. Laut den Studienergebnissen können die durch Cannabiskonsum in der Schwangerschaft hervorgerufenen Entwicklungsdefizite bei den Betroffenen lebenslange Veränderungen der Gehirnfunktion hervorrufen.
Nach Aussagen der ForscherInnen leiden zwar nicht alle Kinder, die während einer Schwangerschaft dem Einfluss von Cannabis ausgesetzt waren, unter unmittelbaren und offensichtlichen Defiziten. Die durch die Studie gezeigten Gehirnveränderungen können aber selbst bei vergleichsweise kleinen Schädigungen das Risiko für spätere neuropsychiatrische Erkrankungen deutlich steigern. Selbst wenn THC nur zu kleinen Veränderungen führe, könne seine Wirkung ausreichen, um das Gehirn für Stressoren oder Krankheiten zu sensibilisieren, die bei den Betroffenen später neuropsychiatrische Erkrankungen hervorrufen.
Trotz dieser negativen Wirkungen während der Schwangerschaft betonen die ForscherInnen, dass zwischen der privaten Nutzung und der medizinischen Anwendung von Cannabis klar unterschieden werden muss. Die medizinische Verwendung von Cannabis sei sinnvoll, soweit es sich um die Behandlung von Krankheiten handele. Bei der Verwendung von Cannabis während einer Schwangerschaft sei es jedoch genau umgekehrt. Der Konsum während der Gehirnentwicklung beeinträchtige ein physiologisch intaktes und sehr sensibles System, mit weit reichenden Folgen für die betroffenen Babys und Kinder.
Ob schon ein Gelegenheitsjoint während der Schwangerschaft gefährlich ist, können die ForscherInnen nicht beantworten. Sie wissen nicht, ab wann die gehirnschädigende Wirkung einsetzt. Sicher sind sie sich jedoch darin, dass kontinuierlicher Konsum über einen längeren Zeitraum gefährlich für das ungeborene Kind ist.
Quelle:
http://www.meduniwien.ac.at/homepage/news-und-topstories/?Fsize=0&tx_ttnews%5Btt_news%5D=4381&cHash=cdd25cfc5b
http://science.orf.at/stories/1732429/
http://emboj.embopress.org/content/early/2014/01/27/embj.201386035
Kommentar & Ergänzung:
Hier wurden zwar nicht Babys oder Kinder oder Erwachsene untersucht, deren Mütter in der Schwangerschaft Cannabis konsumiert hatten. Es wurden also nicht direkt Schädigungen an lebenden Menschen festgestellt. Die Forschenden arbeiteten mit Modellsystemen, basierend auf Studien mit Mäusen und Zellkulturen, und sie stellten Vergleiche an mit dem Gewebe von Föten, deren Mütter zuvor große Mengen an Cannabis konsumiert hatten.
Offenbar sind die Forschenden überzeugt davon, dass sich ihre Resultate auf die Situation einer Schwangerschaft übertragen lassen.
Angesichts des potenziellen Risikos von Schädigungen empfiehlt aber wohl schon der gesunde Menschenverstand, Cannabis in der Schwangerschaft zu meiden.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
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