Manche Menschen beschäftigen sich so intensiv mit ihrer Ernährung, dass andere nur noch den Kopf schütteln. In diesem Zusammenhang taucht seit einigen Jahren vermehrt ein provokativer Begriff auf: Orthorexia nervosa.
Welches ist die richtige Ernährungsweise? Steinzeitdiät, ein Low-Carb-Regime, Trennkost, vegetarisches oder veganes Essen, Blutgruppendiät?
Der neue Krankheitsbegriff: Orthorexia nervosa
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) bezeichnet der Begriff „Orthorexia nervosa“ den krankhaften Umgang mit dem Essen. Er sei von einem amerikanischen Arzt im Jahr 1997 geprägt worden.
Gutes gegen böses Essen
Dabei gebe es auch eine „By-Proxy-Pathologie“ (by-proxy = in Stellvertretung), stellte eine US-Psychologin fest: Kinder, deren Eltern das gesunde Essen zu einer Art Ersatzreligion hochstilisieren – mit „guten und bösen Lebensmitteln“ – neigen vermehrt zu Essstörungen.
Menschen mit Orthorexie blicken auf Pommes- und Pizza-Esser mitleidig herab: Mit Reformhaus-Kost und Bio-Lebensmitteln meinen sie, wesentlich besser vor Krankheiten geschützt zu sein, wie Professor Dr. Helmut Schatz im Namen der DGE erklärte.
Jede 100. Person soll von dieser Essstörung betroffen sein
Rund 1 % der Bevölkerung rechnet die DGE zum Personenkreis, der von Orthorexie betroffen ist.
In Medizinlehrbüchern taucht der Begriff Orthorexie allerdings noch nicht auf.
Und auch von Fachleuten für Essstörungen wird die intensive Beschäftigung mit der Ernährung bislang nicht als Krankheit gewertet – es sei denn, es liegt zwanghafte Angst vor schädlichen Lebensmitteln vor.
Quelle:
http://www.medical-tribune.de/home/news/artikeldetail/orthorexie-von-gesundem-essen-besessen.html
Kommentar & Ergänzung:
Ich bin grundsätzlich eher skeptisch, wenn nach und nach für jede Abweichung von einer wie auch immer festgelegten Normalität ein Krankheitsbegriff auftaucht. So wird das ganze Leben mehr und mehr pathologisiert und medikalisiert.
Zudem ist es grundsätzlich ja nicht schlecht, wenn man sich Gedanken macht über gesunde Ernährung.
Aber wo ist die Beschäftigung mit gesunder Ernährung noch gesund und aber wann wird sie krankhaft? Diese Unterscheidung dürfte im konkreten Fall oft schwierig zu treffen sein.
Andererseits ist nicht zu verkennen, dass für manche Menschen die Ernährung Züge einer Ersatzreligion angenommen hat. Sie wird mit Moral aufgeladen und mit einem scharfen Schwarz-Weiss-Schema ausgestattet. Offenbar gibt es in einer immer unübersichtlicher werdenden Welt ein gewisses Mass an Orientierung und Halt, wenn man genau zu wissen glaubt, was gut und was böse ist. Es gibt Ansätze zu Missionierung und Fixierung rund um gesunde Ernährung oder gar eine Art der Besessenheit von diesem Thema.
Als pathologisch würde ich das nur betrachten, wenn es mit starkem Leidensdruck verbunden ist und den Lebensvollzug im Alltag ernsthaft beeinträchtigt.
Abgesehen von solchen Extremfällen erscheint mir diese starke Fixierung auf „richtiges“ Essen eher als eine Form des Fundamentalismus.
„Ernährung“ ist ein Grundpfeiler der klassischen Naturheilkunde.
Dazu braucht es aber keine fundamentalistische, sondern eine pragmatische Grundhaltung. Und Essen sollte keine Ersatzreligion werden
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
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Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
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