Eine normale Ernährung reiche zur Vorbeugung, schreibt Werner Bartens in der „Süddeutschen“.
Millionen von Senioren schlucken Mineralien und Ergänzungspräparate – darunter auch Kalziumpräparate. Denn Kalzium soll die Knochen hart machen und vor Knochenbrüchen und Osteoporose schützen. So die Versprechungen der Hersteller.
Zwei große Studien im British Medical Journal zeigen nun jedoch, dass vermehrte Kalzium-Zufuhr das Skelettsystem kaum oder gar nicht schützt.
Neuseeländische Mediziner um Mark Bolland haben die Untersuchungen durchgeführt. Mit einer Meta-Analyse klärten sie die Frage, wie sich mehr Kalzium in der Nahrung und durch Zusatzpräparate auf die Knochendichte auswirkt (Bd. 351, S. h4183, 2015). Die Analyse von 59 Studien mit total beinahe 14 000 Teilnehmern kam zu ernüchternden Resultaten.
Die Knochendichte erhöhte sich durch Zugabe von Kalzium gerade mal zwischen 0,7 und 1,8 Prozent. Es spielte keine Rolle, ob geringe oder hohe Mengen Kalzium zugeführt wurden und wie intensiv sich die Versuchspersonen an eine Diät hielten, die reich an Milchprodukten war. Es sei unwahrscheinlich, dass dieser minimale Anstieg zu einer klinisch signifikanten Verminderung der Knochenbrüche führt, konstatiert Bolland.
In der zweiten Untersuchung analysierten die Mediziner, ob sich durch erhöhte Kalziumzufuhr in der Nahrung Knochenbrüche verhindern ließen (Bd. 351, S. h4580, 2015). Eine Meta-Analyse der fundiertesten Studien mit über 44 000 Probanden zeigte keine Erfolge. Zwar wurde in einigen Studien behauptet, dass sich mit Hilfe von Kalzium-Präparaten die Bruchgefahr geringfügig reduzieren ließe.
Diese Untersuchungen waren aber mit methodischen Mängeln behaftet. Bolland und seine Mitarbeiter vermuten daher, dass sogar dieser minimale Schutzeffekt nicht vorhanden ist, sondern auf einer eigenwilligen Interpretation der Daten basiert. Nur eine Untersuchung mit hochbetagten und schlecht ernährten Heimbewohnern ergab, dass sich ihr Zustand mit Kalzium-Zusätzen verbesserte. An der Schlussfolgerung für Senioren allgemein ändert diese Ausnahme aber nichts: „Milchprodukte verhindern keine Brüche und die Beweise dafür, dass Kalzium-Präparate die Knochen schützen, sind schwach und uneinheitlich.“
Nebenwirkungen möglich
Die meisten älteren Personen in westlichen Ländern nehmen pro Tag 700 – 900 Milligramm Kalzium ein. Manche Fachgesellschaften raten jedoch zu 1000 – 1200 Milligramm, sodass kalziumhaltige Zusatzpräparate zum Einsatz kommen. In einigen Ländern wie den USA schlucken zwischen 30 und 50 Prozent aller älteren Frauen Ergänzungsmittel. Deren Anwendung ist nicht ohne Risiko. Bei einer Dosis von über 1000 Milligramm, die durch Supplemente zugeführt wird, drohen Herzprobleme durch verkalkte Herzkranzgefäße, Nierensteine und Magen-Darm-Beschwerden.
Der Dachverband der deutschsprachigen Knochenexperten (DVO), empfiehlt ab dem 60. Lebensjahr auf genügend Bewegung zu achten und Immobilisierung zu vermeiden, um das Risiko von Osteoporose und Knochenbrüchen zu vermindern.
Wichtig ist zudem eine ausgewogene Ernährung, in der Milchprodukte ihren Platz haben, und eine ausreichende Kalorienzufuhr.
Felix Beuschlein, Stoffwechselexperte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wird in der „Süddeutschen“ zitiert mit der Aussage:
„Viele Menschen glauben, dass sie sich mit Kalzium-Zusatzpräparaten im Alter etwas Gutes tun.Aber der aktuelle Forschungsstand zeigt, dass dies nicht nötig und nicht günstig ist. Die reine Kalzium-Substitution bringt zudem gar nichts, wenn nicht genügend Vitamin D vorhanden ist.“
Deshalb sollte auch auf genügend Aufenthalt an der Sonne geachtet werden und auf die Berücksichtigung von Vitamin-D-haltigen Lebensmitteln wie Innereien, Fisch, Eier und Milchprodukten.
Karl Michaelsson von der Universität Uppsala in Schweden warnt im Fachblatt British Medical Journal davor, ältere Menschen flächendeckend krankzureden, indem Grenzwerte verändert werden (Bd. 35, S. h4825, 2015). Statt bis zu 1200 Milligramm Kalzium täglich als Ziel zu proklamieren, wie dies beispielsweise die Osteoporose-Vereinigung der USA tut, gebe es gute Gründe, dass 700 bis 800 Milligramm genügen – und diese Menge wird fast immer schon mit der normalen Nahrung zugeführt. Michaelsson sagt:
„Legt man die hohen Werte zugrunde, ist nahezu jeder über 50 erhöhten Risiken ausgesetzt. Die Mehrzahl der Leute wird keinen Nutzen davon haben, wenn sie mehr Kalzium zu sich nimmt. Diese Massen-Medikation ist fragwürdig. Es wird Zeit, die kontroversen Empfehlungen zu überdenken.“
Quelle:
http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/nahrungsergaenzungsmittel-die-mineralien-sage-1.2669935
Kommentar & Ergänzung:
Nahrungsergänzungsmittel jeder Art boomen seit längerem im Markt. Sie lindern wohl meistens einfach das schlechte Gewissen, das uns die Hersteller vorgängig eingeredet haben.
Dass diese Präparate in den allermeisten Fällen unnötig und unwirksam sind, haben schon etliche Studien gezeigt. Aber wir können uns diese Mittel halt offenbar leisten……
Eine ganz andere Dimension bekommt die Sache dann, wenn dieses Übermass an Nahrungsergänzung sogar negative Folgen für unsere Gesundheit hat.
Wir bezahlen dann vermeintlich für mehr Gesundheit und machen uns damit nur kränker. Das ist doch ziemlich absurd.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege
Schmerzen? Chronische Erkrankungen?