Ich bin an Kursen schon mehrmals angesprochen worden auf die Frage, ob das Baikal-Helmkraut (Scutellaria baicalensis) gegen Krebs wirksam sei.
Das Baikal-Helmkraut ist in Sibirien beheimatet – zum Beispiel eben am Baikalsee) – und seine weitere Verbreitung reicht bis nach China.
Im Internet wird dem Baikal-Helmkraut oft eine Wirkung gegen Krebs zugeschrieben.
Geht man der Sache auf den Grund, stellen sich aber eine ganze Reihe von Fragen, die noch offen sind.
Wir haben hier ein Problem, das oft anzutreffen ist:
Es gibt eine Reihe von Laboruntersuchungen mit Inhaltsstoffen aus dem Baikal-Helmkraut, insbesondere zur Substanz Wogonin, einem Flavonoid, das in der Wurzel der Pflanze vorkommt.
So meldet zum Beispiel das Deutsche Krebsforschungszentrum:
„Die Substanz Wogonin löst in Tumorzellen das Todesprogramm Apoptose aus, hat auf gesunde Zellen jedoch so gut wie keinen Effekt.“
Quelle:
https://idw-online.de/de/news240617
Das tönt sehr interessant und beinahe ideal. Die grosse Frage ist aber: Funktioniert das auch so gut im lebendigen Organismus bei Krebskranken?
Ergebnisse aus Versuchen an Zellen und in Tiermodellen lassen sich nicht einfach auf den Menschen übertragen.
Da stellen sich in solchen Fällen immer noch sehr viele Fragen. Beispielsweise:
Wird die Substanz aus dem Verdauungstrakt in wirksamer Menge aufgenommen? Was ist überhaupt die wirksame Menge im Organismus? Ist diese Menge erreichbar über den Verdauungstrakt? Oder muss die Substanz injiziert werden?
Und wenn eine Anwendung als Kräutertee ins Auge gefasst wird:
Ist die Substanz überhaupt genug wasserlöslich, wenn sie als Tee zugeführt werden soll? Ist ein Teeaufguss geeignet, oder muss die Reinsubstanz verwendet werden?
Nur klinische Studien am Menschen könnten fundierte Aussagen liefern über einen konkreten Nutzen von Wogonin bzw. von Baikal-Helmkraut in der Krebstherapie. Gäbe es überzeugende klinische Studien, dann wären sie mit grosser Wahrscheinlichkeit in der Phytotherapie-Fachliteratur zu finden. Dort findet man aber nur sehr magere Angaben zu dieser Pflanze.
Das deutet darauf hin, dass wir noch recht weit entfernt sind von einer Anwendung bei Krebskranken mit gesichertem Nutzen – falls es überhaupt soweit kommt.
So spannend die Forschung zum Baikal-Helmkraut auch ist: Im Internet wimmelt es von Empfehlungen, die vorschnell von positiven Laborergebnissen auf entsprechende Wirkungen beim kranken Menschen schliessen.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
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