Ich höre immer wieder einmal den Hinweis, dass Storchenschnabeltinktur (aus Geranium robertianum) den Lymphfluss aktivieren soll. Solche „Erfahrungen“ sind aber fragwürdig.
Es gibt keinerlei auch nur ansatzweise plausible Argumente für eine solche Wirkung. Keine Studien, keine Wirkstoffe im Storchenschnabel, die eine solche Wirkung nahelegen würden, rein gar nichts.
Allfällige Anekdoten, wonach es Menschen nach Einnahme von Storschenschnabeltinktur besser gegangen wäre, können nicht aussagekräftig sein.
Anekdoten können nicht belegen, dass eine Besserung durch die Storchenschnabeltinktur und durch Aktivierung des Lymphflusses zustande gekommen ist.
Es spricht sehr viel dafür, dass diese Empfehlung der Fantasie eines Herstellers von Storchenschnabeltinktur entsprungen ist, der damit Werbung für seine Produkte macht.
Ich bin immer wieder beeindruckt, wie unkritisch solche faktenfreie Heilungsversprechungen auch von manchen Drogerien und Apotheken weiterverbreitet werden. Hauptsache, man hat etwas anzubieten.
Für Konsumentinnen und Konsumenten ist es meiner Ansicht nach wichtig sich klar zu machen, dass nicht unbedingt diejenigen Anbieter am seriösesten sind, die für jedes gesundheitliche Problem eine Lösung versprechen. Es ist eher ein Zeichen für Seriosität, wenn ein Anbieter auch Grenzen seiner Methoden sichtbar macht.
Wenn zu einem Anwendungsbereich einer Heilpflanze keine Belege und Studien vorliegen, heisst das allerdings nicht sicher, dass keine Wirkung vorhanden ist. Vielleicht hat sich ja einfach niemand um Belege und Studien gekümmert.
Das bedeutet aber nicht, dass im Gegenzug jede willkürliche Behauptung wahr ist. Ein paar handfeste und glaubwürdige Argumente müsste ein Hersteller schon liefern, wenn er sein Produkt für eine bestimmte Indikation verkaufen will. Solche Argumente fehlen komplett, wenn es um die Wirksamkeit von Storchenschnabeltinktur zur Aktivierung des Lymphflusses geht.
Gäbe es solche Argumente, wäre Storchenschnabeltinktur für diesen Anwendungsbereich schon längst in der Phytotherapie-Fachliteratur aufgetaucht und würde dort empfohlen oder zu mindestens diskutiert.
Wer Heilpflanzen anwenden will tut gut daran, sich fundierte Kenntnisse anzueignen, sich einen kritischen Blick anzugewöhnen und nicht jede Versprechung unbesehen zu glauben.
Hier dazu ein paar Beiträge:
Pflanzenheilkunde: Erfahrung allein genügt nicht zur Begründung
Naturheilkunde: Sorgfältig prüfen lernen
Naturheilkunde braucht kritische Auseinandersetzung
Naturheilkunde: Woran erkennen sie fragwürdige Aussagen?
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege
Schmerzen? Chronische Erkrankungen?