Die „Welt“ hat einen Text veröffentlicht über Hausmittel für Kinder. Darin kommt auch der Zwiebelsirup zur Sprache, empfohlen durch den Kinder- und Jugendarzt Andreas Volbracht:
«Zwiebelsirup sei sein Lieblingshausmittel, sagt Volbracht. Dazu ein bis zwei geschälte und gewürfelte Zwiebeln mit ein paar Löffeln Zucker oder Honig in ein leeres Marmeladenglas gegeben. Nach mindestens zwei Stunden die Stücke heraussieben, übrig bleibt der Zwiebelsirup. Ihn kann man mit Wasser verdünnen. Kinder mit Husten können mehrmals täglich ein bis zwei Esslöffel einnehmen. „Es bewirkt eine Muskelentspannung an der Bronchialmuskulatur. Das löst die muskuläre Verkrampfung der Atemwege auf“, so Volbracht.»
Quelle:
https://www.welt.de/gesundheit/article175379422/Diese-Hausmittel-koennen-kranken-Kindern-wirklich-helfen.html
Kommentar & Ergänzung:
Die Zwiebel (Allium cepa) und insbesondere der Zwiebelsirup ist ein bewährtes Hausmittel gegen Husten und er schmeckt nicht einmal so übel, wie das im ersten Moment erscheinen mag. Auch Kinder nehmen ihn oft überraschend gerne.
Interessant ist in der obenstehenden Aussage die Erklärung zum Wirkungsmechanismus:
„Es bewirkt eine Muskelentspannung an der Bronchialmuskulatur. Das löst die muskuläre Verkrampfung der Atemwege auf.“
Die Erklärung habe ich bezüglich Husten noch nie gehört und gelesen. Vermutlich gründet sie in experimentellen Hinweisen auf antiasthmatische Wirkungen der Zwiebel.
Ob sich diese Erkenntnisse auf die Anwendung bei Husten übertragen lassen, ist allerdings unklar.
Die Laborergebnisse werden im „Lehrbuch der Phytotherapie“ so beschrieben:
„Untersuchungen von Dorsch et. al. …zeigen tatsächlich in frisch zubereiteten lyophilisierten Extrakten von Allium cepa ein antisathmatisches Wirkprinzip. Thiosulfinate hemmen die anti-Immunglobulin-E-(IgE)-induzierte Freisetzung von Histamin aus peripheren Granulozyten, die Leukotrienbiosynthese in vorstimmulierten Granulozyten durch Hemmung der 5-Lipoxygenase und die Thromboxan-B2-Biosynthese in menschlichem plättchenreichen Plasma und in Lungenfibroplasten…Es handelt sich um potente Hemmstoffe der Prostaglandinkaskade.“
Tönt kompliziert, läuft aber vor allem auf eine entzündungswidrige Wirkung hinaus.
Wir habe es bei diesen Ergebnissen hier mit Experimenten an Zellen im Reagenzglas zu tun und mit einem Tierversuch. Mittels Ovalbumin sensibilisierte Meerschweinchen wurden durch perorale Gabe von Zwiebelsaft vor einem Asthmaanfall geschützt.
Allerdings war der Asthmaanfall experimentell ausgelöst. Das ist alles weit weg von der Praxis eines Asthmakranken.
Aussagekräftig bezüglich einer Anwendung von Zwiebelsaft gegen Asthma beim Menschen sind aber nur Untersuchungen am Menschen, also sogenannte klinische Studien.
Dazu schreibt das „Lehrbuch der Phytotherapie“:
„In einem Versuch am Menschen wurde durch orale Gabe von 2 x 100 ml ethanolischem Zwiebelextrakt (= 400 g Zwiebeln) die asthmatische Sofort- und verzögerte Reaktion einer Patientin auf die Inhalation von Hausstaubmilbenextrakt unterdrückt.“
Auch das ist zwar interessant, aber offenbar besteht die Studie nur aus einem einzigen Experiment mit einer einzigen Patientin. Das ist eine äusserst schmale Basis. Und ob ein Äquivalent von 400 g Zwiebeln praxistauglich ist, darf bezweifelt werden.
Die Idee, Zwiebelextrakt gegen Astma zu verwenden ist zwar interessant, aber noch nicht im Ansatz belegt.
Und diese Ergebnisse lassen sich auch nicht einfach auf die Anwendung bei Husten übertragen.
Andere Wirkungsmechanismen für eine mögliche Wirkung von Zwiebelsirup gegen Husten schienen mit da plausibler:
– Eine schleimlösende und auswurffördernde Wirkung, zum Beispiel via gastro-pulmonalem Reflex.
– Eine Linderung des Hustenreizes durch den Honig. Siehe dazu:
Es ist schade, wenn Hausmittel wie der Zwiebelsirup an Bedeutung verlieren, denn darin steckt auch eine Kompetenz, mit einfacheren Beschwerden selber fertig zu werden. Natürlich sind nicht alle Hausmittel auch sinnvoll. Gerade die Phytotherapie kann aber dazu beitragen, wirksame Hausmittel wieder bekannter zu machen und überholte Hausmittel auszusortieren.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege
Schmerzen? Chronische Erkrankungen?