Alle paar Monate veröffentlicht das Magazin „focus“ online den gleichen Artikel zum Thema Leberentgiftung:
„Die wirksamsten Hausmittel: So entgiften Sie Ihre Leber ganz natürlich“
Mal abgesehen davon, dass die empfohlene Leberentgiftung ein schlichtweg unsinniges Vorhaben ist – siehe dazu:
– sind auch die Angaben zu den zusätzlich empfohlenen Heilpflanzen fragwürdig.
So heisst es zum Beispiel zur Mariendistel:
„Die Früchte der Mariendistel (Cardui mariae fructus) wirken sich ebenfalls positiv auf die Lebergesundheit aus. Die in der Heilpflanze enthaltene Substanz Silymarin schützt die Leber vor dem Eindringen von toxischen Stoffen. Darüber hinaus kurbelt der Wirkstoff die Neubildung von Leberzellen an und fördert somit die Regenerationsfähigkeit des Organs. Die Mariendistel können Sie als Kur in Form eines Aufgusses anwenden.“
Quelle:
https://www.focus.de/gesundheit/praxistipps/leber-entgiften-diese-hausmittel-helfen_id_7024823.html
Kommentar & Ergänzung:
Das Flavonoid-Gemisch Silymarin ist schlecht wasserlöslich. Die Zubereitung als Mariendisteltee ist daher denkbar ungünstig, weil Silymarin sich im Wasser nur in sehr beschränktem Mass löst.
Aus klinischen Studien kann abgeleitet werden, dass es für eine Leberschutzwirkung und für eine Unterstützung der Leberfunktion im Sinne einer Beschleunigung der Leberzellregenerationsprozesse eine Tagesdosis von 200 – 400 mg Silymarin nötig ist.
Mariendistel als Tee kaum wirksam
Diese Menge dürfte weder mit Mariendisteltee noch mit Mariendisteltinktur erreichbar sein.
Dazu braucht es Präparate mit reinem Silmarin oder allenfalls Trockenextrakte, deren Silymarin-Gehalt allerdings viel tiefer liegt
Als reines Silymarin-Präparat ist in der Schweiz Legalon im Handel:
1 Kapsel Legalon 70 enthält 86,5–93,35 mg standardisierter Trockenextrakt aus Mariendistelfrüchten entsprechend 70 mg Silymarin berechnet als Silibinin.
1 Kapsel Legalon 140 enthält 173,0–186,7 mg standardisierter Trockenextrakt aus Mariendistelfrüchten entsprechend 140 mg Silymarin berechnet als Silibinin.
Damit lassen sich die 200 – 400 mg pro Tag gut erreichen. Legalon ist allerdings rezeptpflichtig, weil mit der Indikation Lebererkrankungen versehen ist. Das Präparat selber ist problemlos verträglich. Weil die Arzneimittelbehörde aber der nachvollziehbaren Ansicht ist, dass Lebererkrankungen ärztlicher Diagnostik und Therapie bedürfen, unterstehen Arzneimittel mit dieser Indikation der Rezeptpflicht.
Frei in Apotheken und Drogerien erhältlich sind Mariendistel-Kapseln auf der Basis von Trockenextrakt. Allerdings enthalten sie nur 28 mg Silymarin pro Kapsel. Die zwei in der Schweiz im Handel erhältlichen Produkte scheinen den selben Extrakt zu enthalten. Hier die Angaben aus dem Arzneimittel-Compendium (compendium.ch):
„Was ist in Bilifuge Mariendistel Kapseln enthalten?
1 Kapsel enthält: 43 mg quantifizierter Trockenextrakt aus Mariendistel-Früchten (DEV Nativ: 20-50: 1) entsprechend 28 mg Silymarin. Auszugsmittel Aceton 95%(V/V). Dieses Präparat enthält zusätzlich Hilfsstoffe.“
„Was ist in MARIENDISTEL «Künzle» Kapseln enthalten?
1 Kapsel enthält: 43 mg quantifizierter Trockenextrakt aus Mariendistelfrüchten (DEV Nativ: 20-50: 1) entsprechend 28 mg Silymarin. Auszugsmittel Aceton 95%(V/V). Dieses Präparat enthält zusätzlich Hilfsstoffe.“
Die hier aufgezeigte Problematik verdeutlicht, wie wichtig in der Phytotherapie die Wahl der passenden Arzneiform ist.
Man kann eben nicht nur sagen: „Mariendistel reinigt die Leber.“ Man muss sich auch damit auseinandersetzen, in welcher Arzneiform Mariendistel sinnvoll eingesetzt wird.
Dass zudem ist „reinigt die Leber“ eine unklare und fragwürdige Aussage ist, wurde oben schon gezeigt.
Und die Aussage, dass Mariendistel eine „Neubildung von Leberzellen“ bewirke, steht auf sehr schwachen Füssen.
Insgesamt ein mehr als fragwürdiger Artikel auf „Focus online“.
Dass immer noch häufig Mariendistel als Tee empfohlen wird, ist fachlich gesehen total fragwürdig.
Zum Schluss soll noch gesagt werden, dass eine normal funktionierende Leber keine Leberreinigung braucht. Wer seiner Leber etwas Gutes tun will, soll einen leberfreundlichen Lebensstil pflegen. Auf die Idee; Mariendistelextrakt einzunehmen, komme ich erst, wenn ich ein Problem mit der Leber habe. Dann kann Mariendistel in bestimmten Fällen eine unterstützende Massnahme neben einer ärztlichen Therapie sein.
Wer nicht nur Mariendistel, sondern auch die anderen wichtigen Heilpflanzen-Anwendungen fundiert kennenlernen möchte, kann das gut in meinen Lehrgängen, dem Heilpflanzen-Seminar und der Phytotherapie-Ausbildung.