Die Behandlung von Glioblastom-Zellen mit Methadon verstärkt in einer Laboruntersuchung nicht die Wirkung konventioneller Krebstherapien. Auch eine direkte Wirkung auf die Krebszellen konnte bei normalen Dosierungen des Opioids nicht festgestellt werden, berichtet ein Leipziger Wissenschaftlerteam.
Mit der jetzt im Fachjournal »Cancer Chemotherapy and Pharmacology« publizierten Studie reagierte die Arbeitsgruppe von Professor Dr. Frank Gaunitz gemäss einer Mitteilung der Universität Leipzig auf die öffentliche Debatte um den möglichen Effekt von Methadon in der Krebsbehandlung.
Diese Debatte war in Gang gekommen, nachdem die Ulmer Wissenschaftlerin Dr. Claudia Friesen 2014 postuliert hatte, dass Methadon in Glioblastom-Zellen die Wirkung des Zytostatikums Doxorubicin verstärkt. Schon damals warnten Fachgesellschaften allerdings vor Euphorie, da klinische Daten noch fehlen. Diese Warnung wurde seitdem auf der Grundlage negativer Studienresultate immer wieder erneuert.
Auch die Autoren der aktuellen Veröffentlichung um Dr. Henry Oppermann und Dr. Martina Matusova sprechen sich gegen den Einsatz von Methadon bei Patienten mit Glioblastom aus, weil sich aus ihren In-vitro-Daten kein Hinweis auf eine Wirksamkeit ableiten lasse. Das Team setzte für die Laboruntersuchungen Zellkulturen von sechs Glioblastom-Patienten ein. Neben den Tumorzellkulturen wurden dabei erstmals auch Kulturen gesunder Zellen der Patienten angelegt, um die Wirkung von Methadon auf beide Zelltypen zu vergleichen.
Die Tumorzellen wurden der Standardtherapie bei Glioblastom ausgesetzt: Bestrahlung plus Chemotherapie mit dem Alkylans Temozolomid. Zusätzlich konfrontierten die Wissenschaftler die Krebszellen mit Methadon in unterschiedlichen Konzentrationen, was die Wirksamkeit der Standardtherapie aber nicht verbesserte. Die gesunden Zellen der Patienten reagierten auf die Behandlung ausschließlich mit Methadon deutlich empfindlicher als die Krebszellen. Methadon wirkte erst in Konzentrationen giftig auf die Krebszellen, die auch für die gesunden Zellen tödlich waren. Die Forscher der Universität Leipzig konnten zudem die Arbeiten von anderen Wissenschaftlergruppen bestätigen, dass manche Tumorzellen bei niedrigen Methadon-Konzentrationen sogar rascher wachsen.
Trotz dieser neuen negativen Resultate wird das Interesse der Patienten an Methadon in der Tumortherapie wahrscheinlich nicht so rasch abnehmen.
Im vergangenen Sommer hatte eine Online-Petition das erforderliche Quorum erreicht, um den Deutschen Bundestag dazu aufzufordern, gezielt Forschungsgelder aus öffentlicher Hand für klinische Studien zum Einsatz von Methadon in der Onkologie bereitzustellen. Ärzte und Apotheker empfehlen, Patienten, die Methadon anwenden wollen, sorgfältig zu begleiten.
Quelle:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/methadon-erneut-unwirksam-in-zellkultur/
DOI: 10.1007/s00280-019-03816-3
Kommentar & Ergänzung:
Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass es nicht empfehlenswert ist, sich auf erste Laborergebnisse zu stützen, wenn es um die Behandlung von Krankheiten geht. Laborergebnisse müssen überprüft werden, möglichst von einem unabhängigen Forschungsteam. Das dauert aber seine Zeit, und in dieser Zeit rast die Sensationsmeldung schon um den Erdball. Dann kommt noch eine Prise Verschwörungstheorie dazu, beispielsweise mit einer hochkochenden Aufregung darüber, dass die Pharmaindustrie und die „Aerztemafia“ dieses Wundermittel „Methadon“ aus Profitgier angeblich unterdrücken – und voilà, schon haben wir einen ausgewachsenen Hype. Auch wenn noch keinerlei klinische Ergebnisse aus Studien an Krebspatientinnen und Krebspatienten vorliegen. Nur aufgrund einer laborbasierten Hypothese. Vergleichbare Beispiele gibt es auch aus der Heilpflanzen-Forschung. Auch hier werden allzu oft auf der Basis von Wirkungen eines Pflanzeninhaltsstoffes im Labor sogleich Wirkungen beim kranken Menschen versprochen. Damit wird nicht selten auch mit den Hoffnungen von schwer kranken Menschen gespielt.
Darum ist es in der Phytotherapie, aber auch in der Medizin generell, immer wieder eine wichtige Aufgabe, kritisch zu prüfen, wie weit solche Versprechungen auf soliden Grundlagen stehen. Entscheidend sind dabei nie Laborergebnisse allein, sondern letzlich nur verlässliche Resultate aus systematischen Überprüfungen am kranken Menschen.