Die Berliner Morgenpost hat einen Artikel veröffentlicht zu Hausmitteln bei Erkältungen. Dabei wird auch das Ölziehen empfohlen:
«Genau wie die Nase ist der Mund für Krankheitserreger eine große Eintrittspforte in den Körper. Für eine gründliche Reinigung des Mundraums empfiehlt Annette Kerckhoff das so genannte „Öl ziehen“. Dafür nimmt man einen Teelöffel Öl in den Mund, behält ihn fünf bis zehn Minuten im Mund und zieht ihn immer wieder durch die Zähne. „Das Öl nimmt zunächst alle fettlöslichen Erreger auf, später emulgiert es und nimmt auch noch die wasserlöslichen mit“, erklärt die Expertin. Mund ausspülen (Toilette), Zähne putzen – fertig ist die Mundreinigung. „Man kann das zum Beispiel unter der Dusche machen, dann verschenkt man keine Zeit“, rät Annette Kerckhoff. Das Ölziehen ist auch gut für die Mundgesundheit – ein guter Nebeneffekt.»
Quelle:
https://www.morgenpost.de/vermischtes/article216255315/Erkaeltung-Diese-Hausmittel-helfen-bei-Husten-Schnupfen-und-Heiserkeit.html
Kommentar & Ergänzung:
Woher stammt das Ölziehen?
Das Ölziehen wird schon in Texten der traditionellen indischen Heilkunde (Ayurveda) beschrieben. Durch Ölziehen mit Sesamöl, Olivenöl, Kokosöl oder Sonnenblumenöl sollen sowohl schädliche Bakterien wie auch Schadstoffe gelöst, angezogen und ausgeschieden werden. Wobei die traditionelle indische Heilkunde allerdings noch keine Vorstellung von Bakterien hatte. Reinigungsvorstellungen verschiedenster Art sind aber in vielen traditionellen Kulturen vorhanden und reichen bis zum heutigen «Detox-Mythos». Wir haben inzwischen aber auch eine klarere Vorstellung davon, dass der menschliche Organismus mit Leber und Nieren ein sehr hochentwickeltes Reinigungssystem integriert hat, was Entgiftungskuren und Entschlackungskuren insgesamt überflüssig macht.
Die Heilungsversprechungen, die mit dem Ölziehen gemacht werden, gehen weit über eine Vorbeugung von Erkältungen hinaus. Es soll unter anderem Zähne und Zahnfleisch gesundhalten, sowie Abhilfe bewirken bei Kopfschmerzen, Hautproblemen, Rheuma, Arthrose, Blasenproblemen und Nierenleiden.
Was sagen Studien zur Wirkung des Ölziehens?
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Portals «Medizin-transparent» haben recherchiert, welche Belege es für solche Wirkungen gibt.
Die meisten dieser Behauptungen sind nie wissenschaftlich untersucht worden. Nur zur Wirkung auf Zähne und Zahnfleisch liegen einige Studien vor. Sie wurden aber von «Medizin-transparent» als mangelhaft beurteilt und die Ergebnisse als nicht vertrauenswürdig:
«Einige dieser Studien scheinen auf den ersten Blick nahezulegen, dass Ölziehen Zahnfleischentzündungen ähnlich gut vorbeugen kann wie eine antibakterielle Mundspülung. Die Untersuchungen sind jedoch von zu kurzer Dauer, sie haben zu viele Mängel und die Ergebnisse sind zu ungenau, um das belegen zu können.»
Manche Forschungsarbeiten untersuchten, ob Ölziehen die Bildung von Zahnbelag (Plaque) verringert oder die Anzahl an Kariesbakterien im Mund reduziert. Das sage jedoch nichts darüber aus, ob sich dadurch auch langfristig Zahnfleischentzündungen oder Karies verhindern lassen, schreibt «Medizin-transparent». Und auch diese Untersuchungen seien mangelhaft und daher nicht aussagekräftig.
Ob Ölziehen vor Karies schützt, sei bisher gar nicht untersucht worden. Die Wirkung von Ölziehen auf die Zahngesundheit bleibe somit unklar – zumindest solange es keine aussagekräftigen Studien gebe, die nach strengen, wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt worden sind.
Dass das Ölziehen Schadstoffe aus der Mundschleimhaut oder dem Zahnfleisch entfernen könne, widerspreche zudem wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Aussagen dazu, ob Ölziehen bei Problemen wie Kopfschmerzen, Hautproblemen, Rheuma, Arthrose oder Blasen- und Nierenleiden helfen kann, seien daher reine Mutmassungen.
Quelle:
https://www.medizin-transparent.at/oelziehen-fettige-zahnhygiene-ohne-wirknachweis
Und was ist nun mit der Vorbeugung von Erkältungen?
Dazu gibt es wie erwähnt keine Untersuchungen. In den oben aufgeführten Studien war immer wieder von der Ausscheidung von Bakterien die Rede. Gewöhnliche Erkältungen werden aber durch Viren verursacht werden. Und das ist wieder eine andere «Schublade».
Vorstellbar wäre natürlich, dass ein Ölfilm auf den Schleimhäuten die Anheftung von Viren im Mundraum hemmt. Allzulange wird dieser Ölfilm aber wohl nicht auf der Mundschleimhaut intakt bleiben.
Immerhin ist das Ölziehen in der Regel unschädlich und kostet auch nicht viel. «Medizin-transparent» hat allerdings Fallberichte gefunden, wonach das unabsichtliche Einatmen von Öltröpfchen eine Lungenentzündung verursacht hat.
In Europa populär gemacht haben soll die Methode angeblich ein ukrainischer Arzt namens Fedor Karach in den 1990er Jahren. Wissenschaftliche Veröffentlichungen dieses Arztes lassen sich jedoch nirgends finden.
Viel erwarten würde ich vom Ölziehen nicht. Das Gefühl vom «Saubermachen» kann aber möglicherweise als positiv erlebt werden.
Die Frage nach einer allfälligen Wirksamkeit dieser Methode wird wohl nie sicher geklärt. Für ein billiges, nicht patentierbares Hausmittel wie das Ölziehen werden keine Forschungsgelder in einer Höhe investiert, die für einen Wirkungsnachweis nötig wären.