Noch nie in ihrer Geschichte wurden die Menschen wohl so stark überschwemmt mit Therapieangeboten wie heute: Operationen, Medikamente, Physiotherapie, Psychotherapie, aber auch der ganze komplementärmedizinische Sektor mit Heilpflanzen, homöopathischen Chügeli, Akupunktur-Nadeln, Bach-Blütentropfen, Pflanzentinkturen, Schüssler Salzen, Kinesiologie usw.
Sich in dieser Vielfalt zurecht zu finden und kompetente Therapieentscheidungen zu fällen, ist eine grosse Herausforderung für Behandelnde und Behandelte. Bedenkenswerte Aussagen zu diesem Thema fand ich im Buch “Mit Krankheit leben” von Farideh Akashe-Böhme und Gernot Böhme:
“Es ist eine Illusion zu glauben, dass es in der Abwägung alternativer Therapien nur um Vor- und Nachteile ginge. Wenn es so wäre, könnte man – wozu man als Patient ohnehin neigt – die Entscheidung getrost den Experten überlassen. Doch die Entscheidung für eine Therapie oder die Wahl zwischen verschiedenen Eingriffen ist in der Regel auch eine Entscheidung darüber, wie und als wer man leben will….der Patient muss das, was mit ihm geschieht, in sein Selbstverständnis integrieren, und das könnte er gerade versäumen, wenn er sich die Entscheidung abnehmen lässt.
Lebensdauer und Lebensinhalt bzw. Lebensqualität
Die schwerste Entscheidung ist sicherlich die zwischen Lebensdauer und Lebensinhalt bzw. Lebensqualität. Natürlich geht es bei therapeutischen Massnahmen im Falle von schweren Krankheiten um die Verlängerung des Lebens. Was man häufig euphemistisch als Lebensrettung bezeichnet, kann immer nur eine Lebensverlängerung sein. Deshalb stellt sich die Frage: um welchen Preis? Welchen Verlust an Organen, Gliedern oder Lebensvollzügen ist man bereit hinzunehmen. Es stellt sich die Frage, wie das Leben aussieht, wenn es unter Bedingungen dauernder Therapien oder unter der Bedingung von Medikamenten und Apparaten geführt werden muss………
Unsere Darstellung mag den Eindruck erwecken, dass solche ernsten Fragen sich nur bei gravierenden Eingriffen, etwa bei der Entscheidung für oder gegen eine Transplantation oder der Entscheidung zwischen einem chirurgischen Eingriff und einer Strahlentherapie bei Krebs, stellen. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr sind auch Therapieentscheidungen im Bereich alltäglicher Krankheiten und Beschwerden ernst, und zwar in dem Sinne, dass sie einen Einfluss auf die Lebensführung haben. Soll ich mich gegen diese oder jene Krankheit impfen lassen oder nicht? Soll ich gegen meine Schlaflosigkeit Tabletten nehmen oder es mit meditativen Übungen versuchen? Soll man bei jedem Infekt, um ihn schnell hinter sich zu bringen, Antibiotika anwenden? Das sind nicht Fragen der reinen Zweckmässigkeit, sondern Fragen der Lebenswelt.”
Therapieentscheidungen
Da stellt sich die Frage was es braucht, damit Patientinnen und Patienten kompetente Therapieentscheidungen treffen können.
Die wichtigste Voraussetzung dafür scheint mir die Abwesenheit von Dogmatismus und Schwarz-Weiss-Denken.
Und zwar bei Patientinnen und Patienten, weil sie nur unter diesen Bedingungen alle Optionen unvoreingenommen prüfen können.
Genauso wichtig ist aber die Abwesenheit von Dogmatismus und Schwarz-Weiss-Denken bei den Behandelnden. Es braucht beispielsweise in der Pflanzenheilkunde Leute, welche die Möglichkeiten und Grenzen der Heilpflanzen kennen und auch gegenüber Patientinnen und Patienten zum Thema machen. Schädlich sind im Gegensatz dazu Leute, welche sich so total mit ihren Heilpflanzen identifizieren, dass sie diesen alles zutrauen und sie zum Allheilmittel hochstilisieren. Das behindert die offene Prüfung aller Optionen durch Behandelte und Behandelnde.
Nicht nur in der Medizin, auch in der Naturheilkunde braucht es mehr Aufmerksamkeit für kompetente Therapieentscheidungen.
Das zitierte Buch “Mit Krankheit leben” von Böhme & Böhme können Sie im Buchshop anschauen und bestellen.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Pflanzenheilkunde
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch