Die Österreichische Apotheker-Zeitung (ÖAZ Nr. 12 / 2012) veröffentlichte einen fundierten Beitrag von Univ.-Prof. DDr. Johannes Huber zum Thema „Phytotherapie-Optionen in der Gynakologie“. Einleitend schreibt der Autor:
„Die Phytotherapie entspricht in hohem Maße der Geisteshaltung unserer Zeit, die man mit »zurück zur Natur« beschreiben könnte und die durch die Suche nach sanften, ursprünglichen Methoden gekennzeichnet ist. Gerade in der gynäkologischen Praxis hat die Nachfrage der Patientinnen nach natürlichen, geprüften Präparaten bei leichten bis mittelgradigen Beschwerden in den letzten Jahren stark zugenommen. Und tatsächlich gibt es eine Reihe von Pflanzen, die sich in typischen weiblichen Problemfeldern zu Recht einen guten Namen erworben haben.“
Dem kann man meines Erachtens nur beipflichten. Es gibt einige Heilpflanzen-Extrakte in der Gynäkologie, deren Wirksamkeit inzwischen gut erforscht und belegt ist. Andererseits gibt es auch eine ganze Reihe von traditionellen Frauenpflanzen, die noch sehr ungeklärt im Raum stehen, so zum Beispiel der Frauenmantel. Seine grosse Bedeutung in der traditionellen Pflanzenheilkunde lässt sich wohl nur kulturhistorisch erfassen (Freya-Pflanze, Muttergottes-Pflanze, silbrige Wassertropfen als Anregung für Gedankengänge in der Alchemie).
Gut dokumentiert sind dagegen Traubensilberkerzen-Extrakte bei Wechseljahrsbeschwerden wie zum Beispiel Hitzewallungen.
Siehe dazu:
Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) bei Wechseljahrsbeschwerden
Als weitere Option bei Wechseljahrsbeschwerden werden die Isoflavone erforscht. Dabei handelt es sich um Phytoöstrogene, die zum Beispiel in der Sojabohne (Glycine max) und im Rotklee (Trifolium pratense) vorkommen.
Dazu ein Zitat aus dem Beitrag von Prof. Johannes Huber:
„Isoflavone aus Trifolium pratense und Glycine max
Die auch als »Phytoöstrogene« oder »Phyto-SERMs« bezeichnete Gruppe der Isoflavone kommt hauptsächlich als Biochanin A und Formononetin in Rotklee (Trifolium pratense) sowie als Genistein, Daidzein und Glycitein in der Sojabohne (Glycine max) vor. Mit mehr als 5.000 wissenschaftlichen Publikationen gehören Isoflavone zu den am besten untersuchten sekundären Pflanzenstoffen. In der westlichen Ernährung beträgt die Zufuhr an Isoflavonen etwa 5 mg pro Tag, während in Asien lebende Frauen, die weitgehend frei von Wechselbeschwerden sind, durchschnittlich 50 mg (bis zu 200 mg) täglich durch ihre sojareiche Ernährung zu sich nehmen. Die Wirkungen der Isoflavone sind vielfältig: Neben einem sanften Ausgleich des Östrogenabfalls im Rahmen der Menopause und den aus dieser Substitution resultierenden positiven Effekten verdichten sich auch die Hinweise auf ein onkoprotektives Potenzial der Isoflavone, gut belegt in mehreren großen Studien. Betrachtet man die Wirkweise des Genistein und Daidzein, den beiden wichtigsten Isoflavonen, so kann ihre strukturelle Ähnlichkeit mit 17-Beta-Östradiol, ihre Affinität zum ER-β-Rezeptor und ihr schützender Einfluss auf den Hormonmetabolismus die antiproliferativen Effekte plausibel machen. Damit kommt den Isoflavonen sowohl in der Prävention wie auch in der Therapie ein besonderer Stellenwert für die Frauengesundheit zu.“
Kommentar & Ergänzung:
Isoflavone werden intensiv erforscht, doch sind die Resultate in vielen Punkten widersprüchlich.
Beim Hinweis auf ein „onkoprotektives Potenzial der Isoflavone, gut belegt in mehreren großen Studien“, stellt sich die Frage, welche Art von Studien gemeint ist.
Vergleicht man Gruppen von Europäerinnen und Asiantinnen in epidemiologischen Studien und stellt dann fest, dass Asiatinnen mit ihrem höheren Sojakonsum tiefere Brustkrebsraten haben, reicht das nicht als Beleg für eine ursächliche Schutzwirkung der Soja-Isoflavone gegen Krebs. Asiatinnen und Europäerinnen unterscheiden sich noch in anderen Punkten – beispielsweise werden unterschiedliche Krebsraten in der Grüntee-Literatur mit dem höheren Grüntee-Konsum in Asien erklärt. In klinischen Studien konnte jedenfalls eine Krebsvorbeugung durch Isoflavone bisher nicht eindeutig belegt werden.
Es gibt aber Hinweise auf eine Schutzwirkung gegen Brustkrebs beim Menschen, wenn die Isoflavone schon vor der Pubertät gegeben wurden (was in Japan üblicher ist als in Europa).
Die Schutzwirkung von Soja-Isoflavonen hinsichtlich Prostatakrebs konnte lediglich in Tiermodellen gezeigt werden. Die Gabe eines Sojaproteinisolats führte zu einem verzögerten Wachstum der Tumorzellen. Dies könnte erklären, warum bei asiatischen Männern aggressive Prostatatumore bei weitem seltener auftreten als bei Männern in westlichen Industrieländern.
Mitunter wird auch der Verdacht geäussert dass die Krebsentwicklung durch Isoflavone gefördert wird, wenn der (östrogenabhängige) Tumor schon vorhanden ist.
Eine Schutzwirkung von Soja-Isoflavonen gegen Prostatakrebs konnte nur in Tiermodellen gezeigt werden. Die Gabe eines Sojaproteinisolats führte zu einem verlangsamten Wachstum der Tumorzellen. Dies ist eine mögliche Erklärung dafür, warum bei asiatischen Männern aggressive Prostatatumore bei weitem seltener auftreten als bei Männern in westlichen Industrieländern.
Offenbar können Isoflavone das Wachstum von hormonabhängigen (androgenabhängigen) Prostatakrebszellen in frühen Stadien verlangsamen, während eine Schutzwirkung bei fortgeschrittenen und hormonunabhängigen (androgenunabhängigen) Tumoren auf der Basis der bisher vorliegenden Daten fraglich ist.
Die Wirkung von Soja gegen Hitzewallungen in den Wechseljahren ist nicht sehr überzeugend dokumentiert.
In der Mehrzahl der Studien (12 von 17) konnte mit der Einnahme von Soja-Isoflavonen keine oder zumindest keine signifikante Reduktion der charakteristischen Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche im Vergleich zu einer Placebo-Behandlung beobachtet werden. In wenigen Studien wurden die Beschwerden geringfügig vermindert.
Siehe auch:
Soja reduziert Hitzewallungen in den Wechseljahren
Weniger Arteriosklerose durch Sojaproteine
DFG unterstützt Forschung zu Soja-Isoflavonen
Wechseljahre – keine Linderung von Hitzewallungen durch Soja
Atemnot mit sojareicher Ernährung reduzieren
Phytoöstrogene aus Soja – Helfer bei Lungenkrebs?
Phytoöstrogene und hormonrezeptorpositiver Brustkrebs
Soja – keine Wirkung gegen Hitzewallungen in den Wechseljahren
Studie empfiehlt Soja bei Brustkrebs
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch