Im Tages-Anzeiger interviewt René Staubli die Chefärztin der Frauenklinik am Triemli Spital in Zürich, Brida von Castelberg, die nun in Pension geht. Die Gynäkologin ist immer wieder mit differenzierten und reflektierten Aussagen aufgefallen.
Hier drei Zitate aus diesem Interview:
Zur Frage nach dem bedeutendsten Fortschritt in der Gynäkologie:
„ Was sich wahnsinnig entwickelt hat, ist die Onkologie mit den sehr differenzierten Chemo-, Hormon- und Antikörpertherapien bei Brustkrebs. Der bedeutendste Fortschritt in der Frauenheilkunde besteht meiner Meinung nach aber darin, dass man die Patientinnen ernst nimmt, was früher in extremer Weise nicht der Fall war. Reihenuntersuchungen von Studenten an schlafenden Frauen im Operationssaal waren beispielsweise normal, da ist viel Unwürdiges passiert.“
Das Unwürdige, welches Frau von Castelberg hier anspricht, wäre es eigentlich wert, sorgfältig medizinhistorisch aufgearbeitet zu werden.
Nicht im Sinne eines undifferenzierten „Medizin-Bashing“, sondern als Basis für Reflexion in Medizin und Gesellschaft. Ein Ziel dabei müsste sein, das Bedingungsgefüge zu verstehen, das solche Unwürdigkeiten möglich macht.
Das ist ähnlich wie bei den Themen „Missbrauch und Gewalt in Kinderheimen“ und „Verdingkinder“, bei denen nach und nach Übergriffe ans Licht kommen, welche für die grosse Mehrheit der Bevölkerung unvorstellbar waren.
Das Bedingungsgefüge zu verstehen ist ein erster Schritt zur Verhinderung von ähnlichen Übergriffen.
Zur Frage, vor welchen Herausforderungen die Frauenheilkunde steht:
„In der Geburtshilfe geht es um das Spannungsfeld zwischen natürlichem Gebären und Kaiserschnitt-Geburt. Die Pränataldiagnostik wird immer wichtiger. Man wird künftig sehr früh feststellen können, ob ein Kind gesund ist oder unter einer Erbkrankheit leiden wird. Es gibt einen neuen Bluttest, bei dem man unter anderem auch das Geschlecht erkennen kann. Man könnte also, wie in Indien, damit beginnen, Mädchen abzutreiben oder Buben, je nach gesellschaftlicher Akzeptanz. Viele Abklärungen werden auf den Beginn der Schwangerschaft konzentriert. Wenn alles gut ist, lässt man es laufen, andernfalls zieht man die Konsequenzen. Die ethischen Herausforderungen sind enorm.“
Es stellt sich da die Frage, ob die Medizin und die Gesellschaft als Ganzes vorbereitet sind auf die grossen ethischen Herausforderungen, die hier (und in anderen Bereichen) auf sie zukommen.
Wünschenswert wäre eine breite Auseinandersetzung mit medizinethischen Problemfeldern, wozu aber das Basiswissen in der Bevölkerung weit gehend fehlt.
Falls Sie sich für Medizinethik interessieren:
Auf http://audiothek.philo.at/ kann man Philosophie-Vorlesungen der Universität Wien nachhören. Wer „Medizinethik“ in dieser Audiothek ins Suchfeld eingibt, kommt zu einer Vorlesungsreihe von Martin Huth, die sich als Einführung in dieses Thema eignet.
Und zur Frage, vor welchen Entwicklungen sie sich fürchte:
„ Ich halte den Ärztemangel für ein gravierendes Problem. Er betrifft vor allem die Chronischkranken und die Alten, also die uninteressantesten Patienten. Meine Angst ist, dass diese Leute unterversorgt sind, weil es zusehends an Hausärzten mangelt. Besorgniserregend finde ich auch den Trend in den Spitälern, die Patienten in Teilkrankheiten zu zerlegen, um für die Behandlung mehr Taxpunkte und damit mehr Geld zu bekommen. Dasselbe in der Spitex: Dort splittet man die Pflegearbeit in kleinste Einzelleistungen auf. Spitex-Abrechnungen sind manchmal zum Schreien. Da steht: Strümpfe anziehen, aufs WC begleiten, Essen einlöffeln. Hätte man einfache Rubriken – Pflegefall leicht, mittel oder schwer –, müsste man weniger Berichte schreiben und könnte sich intensiver um die Patienten kümmern.“
Ich nehme an, dass Brida von Castelberg selbst die Chronischkranken und die Alten nicht für die Uninteressantesten hält, sondern zum Beispiel meint, dass in der Medizin die Arbeit mit diese Patientengruppen keinen hohen Status verspricht und weniger Herausforderung zu bieten scheint als die Spitzenmedizin.
Eine Aufwertung von Geriatrie und Langzeitpflege wäre sehr nötig.
Dass im Gefolge von Kostendruck und Qualitätssicherung der administrative Aufwand aufgebläht wird, ist ein Fluch. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Medizin.
Auch im Bildungsbereich gibt es Qualitätslabels, die vor allem administrative Abläufe bewerten. Ob die vermittelten Bildungsinhalte seriös sind, spielt keinerlei Rolle. Qualitätssicherung wird so zur Farce, beschäftigt nur ein Heer von teueren Auditoren und täuscht letztlich die Konsumentinnen und Konsumenten. Wobei es beim Thema Bildung keine Konsumentinnen und Konsumenten im eigentlichen Sinn gibt, weil sich Bildung nicht bloss konsumieren lässt, sondern eine aktivere Auseinandersetzung verlangt.
Quelle der Zitate:
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch