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Pharmaindustrie verlagert Zulassungsstudien vermehrt in Billigländer

Gesellschaftliches

Avatar-FotoMartin Koradi24.04.2013

Zulassungsstudien für neue Medikamente werden immer häufiger nicht in Europa oder den USA durchgeführt. Das geht aus einem Bericht hervor, den die europäische Arzneimittelagentur EMA präsentiert hat. Demnach lassen Pharmahersteller ihre neuen Produkte zunehmend in Ländern testen, in denen klinische Forschung günstiger durchgeführt werden kann.

Dem Bericht zufolge verringerte sich der Anteil, den Patienten aus dem europäischen Wirtschaftsraum an EU-zulassungsrelevanten Studien hatten, zwischen 2005 und 2011 von 37 auf 32 Prozent. Noch prägnanter fiel der Rückgang in den USA aus: Wurden 2005 noch fast 43 Prozent der untersuchten Patienten in den USA rekrutiert, waren es 2011 nur noch knapp 32 Prozent. Zudem verschob sich die Forschungsaktivität innerhalb Europas Richtung Osten. Im genannten Zeitraum stieg der Anteil der Patienten aus denjenigen Ländern, die erst 2004 im Zuge der EU-Erweiterung Mitglied der Europäischen Union geworden waren, von knapp 5 auf beinahe 12 Prozent.

In den präsentierten Zahlen sind auch die Zulassungsstudien von Generikaproduzenten enthalten. Die von ihnen verlangten Bioäquivalenz-Studien sind zwar wesentlich weniger umfassend als das im Fall einer Neuzulassung vorgeschriebene Prüfungsverfahren.

Aufschlussreich ist hier auch die Wahl der Länder, in denen diese klinischen Prüfungen durchgeführt wurden. Die Reihenfolge der Top 3: Indien, Italien und Kanada.

Unabhängig davon, in welchem Land die Daten gewonnen werden, müssen alle zulassungsrelevanten Studien den Anforderungen der EMA und dem internationalen Standard der «Good clinical practice» genügen, unterstreicht die EMA. Sie weist aber auch darauf hin, dass sowohl behördlicherseits als auch in der Öffentlichkeit die Besorgnis darüber wachse, wie gut klinische Studien in Drittländern durchgeführt werden. Dabei gehe es sowohl um ethische als auch um wissenschaftlich-organisatorische Fragestellungen.

Damit bei den klinischen Studien alles mit rechten Dingen zugeht, werden die Forschungszentren immer strenger überwacht. Die EMA schreibt in ihrem Bericht, dass sich die Zahl der geplanten und unangemeldeten Kontrollen zwischen 2006 und 2011 mehr als vervierfacht habe.

Falls sich der Trend zur Prüfung in Billigländern fortsetzt, sind allerdings Zweifel angebracht, ob sich die verlangte hohe Qualität der klinischen Forschung auf Dauer gewährleisten lässt.

Quelle:

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=nachrichten&Nachricht_ID=46023&Nachricht_Title=Nachrichten_Immer+mehr+Zulassungsstudien+in+Billigl%E4ndern&type=0

Kommentar & Ergänzung:

Aus rein ökonomischen Erwägungen lässt sich die Verlagerung der klinischen Forschung in kostengünstigere Standorte womöglich rechtfertigen.

Heikler ist aber der Verdacht, dass es auch darum gehen könnte, strengere Regeln und Kontrollen zu umgehen. Das stellt die Glaubwürdigkeit der Pharmaforschung in Frage.

Fragwürdig sind zum Beispiel manche Studien, die in Indien durchgeführt werden, bei denen wichtige Qualitätsstandards offenbar verletzt wurden.

Siehe:

Indien: Menschliche Versuchskaninchen für die Pharmaindustrie

Dabei zieht allerdings das beliebte Feindbild der „bösen Chemie“ nicht.  Auch im Bereich der komplementärmedizinischen Pharmaindustrie  kommt es zu Verlagerung der Forschung in Billigländer.

Allerdings stellt sich für viele Hersteller von komplementärmedizinischen Produkten das Forschungsproblem gar nicht. Homöopathika und Anthroposophika beispielsweise sind durch politische Entscheidungen vom Wirksamkeitsnachweis befreit. Sie brauchen keine klinischen Zulassungsstudien zu liefern. Sie werden im sogenannten „Binnenkonsens“ zugelassen, das heisst: VertreterInnen der Homöopathie und der Anthroposophischen Medizin entscheiden jeweils selber und nicht auf der Basis klinischer Studien, ob ihre Präparate wirksam sind.

Hier der Wikipedia-Artikel zum Thema Binnenkonsens

Einzig bei Phytopharmaka gibt es meines Wissens eine klinische Forschung, die zulassungsrelevant und vergleichbar mit der klinischen Forschung bei den synthetischen Medikamenten ist (jedenfalls in der Schweiz).

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
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www.phytotherapie-seminare.ch

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