Zwei bis drei Tropfen Lavendelöl auf die Oberlippe träufeln und den Duft 15 Minuten lang einatmen – das soll einer deutsch-iranischen Studie zufolge ein wirksames Mittel sein gegen Migräne.
An der Studie des Teams um Payam Sasannejad von der Mashhad-Universität in Iran nahmen 74 Patienten mit der Diagnose „Migränekopfschmerz“ gemäß der International Headache Society teil. 28 davon bekamen das Lavendelöl, bei den anderen enthielt das Fläschchen nur flüssiges Paraffin. Erfasst wurde die Wirkung während sechs Kopfschmerzattacken, und zwar pro Attacke in halbstündigen Abständen über zwei Stunden.
Besserungsrate über 70%
Das Lavendelöl konnte die Schmerzstärke in allen sechs Attacken signifikant vermindern, die Ansprechrate lag bei 71%. Mit Placebo gelang eine signifikante Schmerzverminderung immerhin bei vier Attacken (Ansprechrate: knapp 50%). Die Lavendelöl-Gruppe erreichte eine Verminderung von im Mittel 3,6 Punkten auf der Visual-Analog-Skala, deren Bandbreite von 0 (Schmerzfreiheit) bis 10 (schwerer Kopfschmerz) reicht. Die Schmerzverminderung mit Placebo betrug durchschnittlich 1,6 Punkte, womit die Differenz zwischen den beiden Gruppen statistisch war.
Bei den meisten Testpersonen dauerte es über eine Stunde, bis die volle Wirkung eintrat. Knapp ein Drittel der Lavendelöl-Gruppe war nach einer bis eineinhalb Stunden mindestens zum Teil vom Schmerz befreit, 43% erreichten dies nach eineinhalb bis zwei Stunden. Bei jedem fünften Patienten reduzierte sich der Schmerz schon innerhalb der ersten Stunde. In der Placebo-Gruppe war das Intervall bis zur Linderung der Kopfschmerzen im Schnitt signifikant länger (p < 0,0001), und auch der Anteil der Responder lag deutlich unter dem in der Lavendelöl-Gruppe (p = 0,001).
Verminderung von Übelkeit und Lichtscheu
Das Lavendelöl war dem Placebo auch bei der Verminderung assoziierter Symptome überlegen: 74% der Testpersonen aus der Lavendelöl-Gruppe verspürten eine Besserung von Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu, Lärm- und Geruchsempfindlichkeit. Der entsprechende Wert in der Placebo-Gruppe lag bei 58%. Darüber hinaus ließ sich eine Ausbreitung der Kopfschmerzen mit Lavendelöl deutlich besser verhindern, nämlich in 66 gegenüber 28% der Attacken.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Migränekopfschmerzen nach vorübergehender Besserung innerhalb von 24 Stunden wiederkehrten, war in der Lavendelöl-Gruppe allerdings größer. Das kam in der Lavendelgruppe fünfmal vor, unter Placebo dagegen kein einziges Mal.
Ein Schwachpunkt im Studiendesign hatte sich kaum vermeiden lassen: Spätestens beim Einatmen der wohlriechenden Essenz war wohl allen Teilnehmern der Verumgruppe klar, womit sie es zu tun hatten.
Quelle:
http://www.springermedizin.de/lavendeloel-lindert-migraenekopfschmerz-besser-als-placebo/2892472.html
Sasannejad P et al. Lavender Essential Oil in the Treatment of Migraine Headache: A Placebo-Controlled Clinical Trial. Eur Neurol 2012; 67: 288–291
Kommentar & Ergänzung:
Das ist einerseits eine interessante Studie, weil Lavendelöl gegen Migräne bisher kaum untersucht wurde.
Die Autorin des Artikels weist aber zu Recht auf einen Schwachpunkt der Studie hin: Die fehlende Verblindung.
Der Vergleich mit einer Placebo-Gruppe ist wichtig. Dadurch lässt sich nicht nur feststellen, ob das Präparat über den Placebo-Effekt hinaus noch eine spezifische Wirkung hat. Die Placebo-Gruppe dient auch dazu, Besserungen aufgrund des natürlichen Verlaufs der Beschwerden von allfälligen Wirkungen des Heilmittels zu unterscheiden. Migräneattacken klingen auch natürlicherweise irgendwann ab.
Ein zentraler Punkt bei Placebo-Studien ist aber die Verblindung. Patienten dürfen nicht merken, ob sie zur Placebo- oder zur sogenannten Verum-Gruppe gehören, die das echte Medikament bekommt.
Lavendelöl und Paraffinöl unterscheiden sich aber geruchlich so frappant, dass von Verblindung keine Rede mehr sein kann. Das macht die Placebo-Kontrolle fast wertlos.
Das heisst nun nicht, dass man Lavendelöl bei Migräne nicht ausprobieren dürfte. Das Mittel ist jedenfalls günstig und gut verträglich.
Besser dokumentiert ist aber die Wirkung von Lavendelöl bei Schlafproblemen und leichten Angststörungen.
Siehe dazu:
Lavendelöl reduziert Angst und bessert den Schlaf
Phytotherapie: Lavendelöl als Angstlöser
Phytotherapie: Lavendelöl gegen Unruhe
Lavendelöl zur Behandlung von Angststörungen
Lavendelöl zeigt zudem gute Wirkung gegen Pilzerkrankungen (Fusspilz, Scheidenpilz):
Lavendelöl wirksam gegen Hautpilze
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
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