Mir fällt schon seit längerem auf, wie grenzenlos viele Eltern ihre Kinder mit Globuli, Bachblüten-Tropfen oder Schüssler-Salzen abfüllen.
Schulanfang? – Dafür gibt’s ein Globuli!
Streit mit dem Nachbarskind? – Dafür gibt’s ein Globuli!
Familienhund gestorben? – Dafür gibt’s ein Globuli!
Prüfungsstress? – Dafür gibt’s ein Globuli!
Wozu haben wir denn die Homöopathische Notfallapotheke?
Oder wahlweise natürlich auch Schüssler-Salze oder Bachblüten-Tropfen.
Die Vorstellung, bei jeder noch so kleinen Belastungssituation Globuli, Tabletten oder Tropfen einwerfen zu müssen, scheint mir total fragwürdig und nicht gerade gesund.
Auf den Punkt gebracht hat das vor kurzem der Apotheker Edmund Berndt:
„Mütter wollen für ihre Kinder das Beste und viele greifen deshalb nach Homöopathika, weil es heißt, diese Mittel seien sanft und ohne Nebenwirkungen. So werden alle Wehwehchen und Krankheiten der Kinder mit Globuli behandelt. Das stört interessanterweise Homöopathieanhänger nicht, aber der konventionellen Medizin wird gerade von ihnen gerne der Vorwurf gemacht, sie behandle zu viel.
Es ist unglaublich, was Mütter, die von der Homöopathie überzeugt sind, glauben behandeln zu müssen. Kinder haben offenbar wie Uhrwerke zu funktionieren und dem entsprechend wird der Tagesablauf mit der Einnahme von Globuli strukturiert. Sie sehen zur Freude der Homöopathieindustrie „Krankheiten“ und „Störungen“, die kein konventioneller Mediziner als behandlungswürdige Krankheit ansehen würde. Diese Behandlungssucht ist zwar gut gemeint, kommt aber einer Medikamentierwut gleich. Die Folge ist, dass die Kinder geradezu zum Pillenschlucken trainiert werden. Sie lernen, dass es nichts gibt, was einfach wieder vergeht und keiner besonderen Beachtung oder Behandlung bedarf.“
Quelle:
http://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2013/11/07/homoopathie-pr-im-kindergarten-ein-offener-brief/
Kommentar & Ergänzung:
Eindrücklich grosse Teile der Bevölkerung scheinen der Ansicht zu sein, dass der Alltag ohne Globuli, Schüssler Salz oder Bachblüten-Tropen nicht zu bewältigen ist.
Marketingmässig ist es die grosse Stärke der Alternativmedizin, dass sie für jede Lebenslage eine ganze Palette an Produkten anbieten kann. Und das selbstverständlich vollkommen sanft, ohne Risiken, denn wo keine Wirkstoffe drin sind, können auch keine Nebenwirkungen auftreten. Willkommen in der heilen Welt der reinen Schwingungen und Energien.
Manchmal bin ich fast ein bisschen neidisch auf diese Rund-um-Heilsbringer.
Ich muss nämlich zugeben, dass ich lange nicht für jede Lebensphase, jede Unpässlichkeit und jede Krankheit eine passende Heilpflanzen-Anwendung empfehlen kann oder will. Ich halte diese Begrenzungen jedoch für wichtig.
P. S.: Von Apotheker Edmund Berndt gibt es das Buch „Pillendreher – ein Apotheker packt aus“ – Beschreibung und Bestellmöglichkeit im Buchshop.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Heilpflanzenexkursionen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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