In Pressemitteilungen von Forschungsinstituten werden Resultate oft übertrieben dargestellt – und von den Medien anschliessend weiter aufgeblasen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die im «British Medical Journal» publiziert wurde und viel Wirbel unter Wissenschaftlern, PR-Abteilungen und Journalisten auslöste. Die Wissenschaftler um die Professoren Petroc Sumner und Christopher D. Chambers von der Universität Cardiff analysierten 462 Pressemitteilungen der zwanzig führenden Forschungsinstitute in Großbritannien aus dem Jahr 2011 auf ihre Aussagen und die Übereinstimmung mit den Resultaten der Originalpublikation zu gesundheitsrelevanten Themen. Dabei stellten die Forscher fest, dass 40 Prozent der Pressemitteilungen Gesundheitsratschläge enthielten, die sich so explizit nicht aus der wissenschaftlichen Publikation ableiten ließen, beispielsweise ob ein ambulantes Monitoring für viele Patienten mit neue blutdrucksteigernden Mitteln wirklich notwendig ist. Ein Drittel der Pressemitteilungen stellte eine Ursache-Wirkung-Beziehung heraus, während das Original-Paper nur eine Korrelation nennt. Bei 36 Prozent der Pressemitteilungen über Studien mit Tieren oder auf Zellbasis wurde die Relevanz für Menschen übertrieben dargestellt.
Hatte schon die Pressemitteilung übertrieben, überschätzten 58 Prozent der Medienberichte die gesundheitlichen Ratschläge; 81 Prozent betonten eine Ursache-Wirkungs-Beziehung und 86 Prozent übertrieben die Relevanz der Ergebnisse für den Menschen. War dagegen die Pressemitteilung ausgewogen, zeigten nur 10 bis 18 Prozent der darauf basierenden Medienberichte eine übertriebene Darstellung.
Allerdings schränken die Studienautoren ein, dass ihre Untersuchung selbst nur eine Beobachtungsstudie ist und keine endgültigen Schlussfolgerungen über Ursache und Wirkung zwischen schlechten PR-Mitteilungen und Medienberichten gezogen werden können.
Quelle:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=55681
DOI: 10.1136/bmj.g7015
Kommentar & Ergänzung:
Die aufgeblasene Darstellung von Forschungsresultaten in Pressemeldungen und Medienberichten ist ein sehr reales Problem. Forschungseinrichtungen sind abhängig von Fördergeldern und Medien sind abhängig von Konsumentinnen und Konsumenten.
In beiden Bereichen kommen positive Meldungen besser an als Zweifel. Die Meldung „Präparat XY. wirkt gegen Krankheit Z.“ „zieht“ einfach besser als die Meldung: „Die Argumente E, F und G sprechen für die Wirksamkeit von XY, die Punkte H, I und K sind aber noch ungenügend geklärt, so dass eine sichere Beurteilung noch aussteht“.
Leserinnen und Lesern von Gesundheitsmeldungen kann man nur empfehlen, auch Berichte über Widersprüche, Lücke und negative Erkenntnisse (XY. wirkt nicht…) zu schätzen, und nicht nur Bestätigendes zur Kenntnis zu nehmen.
Wer sich nur unkritisch Bestätigendes zuführt, bekommt ein verzerrtes Bild.
Der Bericht über die Studie von Sumner und Chambers erwähnt zwei Fallen, die in Medienberichten über Forschung im Gesundheitsbereich immer wieder auftauchen:
1. Es wird allzu schnell von einer Kausalität ausgegangen, wo nur eine Korrelation vorliegt.
Eine Erklärung dazu gibt es hier:
Komplementärmedizin: Der Post-hoc-ergo-propter-hoc-Fehlschluss als häufige Irrtumsquelle
2. Es wird zu schnell von Erfolgen im Labor (Zellversuche, Gewebeversuche) und von Tierversuchen auf entsprechende Wirksamkeit beim Menschen geschlossen. Laborergebnisse und Tierversuche geben aber noch keinen sicheren Aufschluss über die Wirksamkeit beim Menschen.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
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