Cannabis als Medikament ist umstritten und der Eigenbau war bislang untersagt. Nun erging ein richtungsweisendes Urteil zu diesem Thema:
Ein schwerkranker Patient darf zu Hause Cannabis zu Behandlungszwecken kultivieren.
Diesen Entscheid fällte nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (BVerwG 3 C 10.14).
Die Klage eines an Multipler Sklerose (MS) erkrankten Mannes war damit in dritter und letzter Instanz erfolgreich.
Der 52-Jährige Mann aus Mannheim ist seit 1985 an MS erkrankt und reduziert die Symptome seiner Krankheit seit vielen Jahren mit Cannabis. Die Cannabis-Pflanzen baut er selber zu Hause an. Weil das nicht legal ist, kämpfte er auf dem Rechtsweg für eine Ausnahmegenehmigung.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte eine Ausnahmegenehmigung abgelehnt. Zwar leben in Deutschland mehr als 600 Patienten, die Cannabis als Medikament einsetzen dürfen. Sie müssen es jedoch in der Apotheke kaufen und dürfen es nicht selbst kultivieren. Die Kosten für den Medizinalhanf tragen die gesetzlichen Krankenkassen nicht.
Das Bundesverwaltungsgericht verpflichtete mit seinem Urteil nun das BfArM, „dem Kläger zu erlauben, Cannabis anzubauen, zu ernten und zum medizinischen Zweck seiner Behandlung zu verwenden“. Cannabis helfe dem 52-Jährigen, der wegen seiner Krankheit unter anderem an spastischen Lähmungen, Sprachstörungen und depressiven Störungen leidet.
Damit bestätigt das Bundesgericht Feststellungen, die bereits das Oberverwaltungsgericht Münster in der Vorinstanz getroffen hatte. Ein anderes, gleich wirksames Medikament stehe dem Kläger nicht zur Verfügung und Medizinalhanf aus der Apotheke könne er sich aus Kostengründen nicht leisten.
Kläger-Anwalt Oliver Tolmein bezeichnete das Urteil als großen Erfolg.
Diese Einzelfallentscheidung werde sich auf gleichgelagerte Fälle auswirken. Chronisch kranke Patienten, die keine andere Chance als eine Cannabis-Behandlung hätten, würden nun nicht mehr in die Kriminalität abgedrängt. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz liess verlauten, das Urteil könne eine Hilfe für den Einzelfall sein. Grundsätzlich sei die private Hanf-Plantage aber keine Lösung für Schmerzpatienten. Vielmehr müsse endlich eine gesetzliche Regelung kommen.
Das Bundesgesundheitsministerium hat im Januar einen Gesetzentwurf vorgelegt, der bestimmten Patienten den Zugang zu Cannabis erleichtern soll und auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen regelt.
Quelle:
Kommentar & Ergänzung:
Cannabis als Medikament ist nicht ohne Risiko – wie grundsätzlich alle anderen wirksamen Arzneimittel auch. Dass aber schwerkranken MS- oder Krebspatienten, die ihre Beschwerden mit Cannabis markant lindern können, derart Steine in den Weg gelegt werden bis hin zur Kriminalisierung, ist einfach nicht akzeptabel.
Seit Jahren gibt es Bestrebungen, diesen unwürdigen Zustand zu verbessern. Das Bundesgericht hat mit diesem Entscheid einen wichtigen Schritt zur Verbesserung getan.
Es gibt bereits legale Möglichkeiten zur Anwendung von Cannabis-Wirkstoffen als Arzneimittel – zum Beispiel Dronabinol (= isoliertes THC, nicht aus Cannabis). Damit sind allerdings nicht alle Patientinnen und Patienten optimal bedient, weil manchmal die Anwendung von Cannabis-Wirkstoffen „als Team“ wirksamer ist als die Verabreichung von THC isoliert.
Auch braucht es für Dronabinol in der Schweiz immer noch eine Bewilligung des Bundesamts für Gesundheit (BAG), was eine administrative Hürde ist. Und bei Langzeitanwendungen wird Dronabinol für die Kranken teuer, weil das Präparat nicht von der Krankenkasse bezahlt wird.
Legalisierter Eigenanbau wäre daher durchaus eine interessante Option. Mir scheint allerdings, dass dazu auch eine fachlich versierte Beratung angeboten werden sollte (Anbau, Ernte, Zubereitung, Dosierung), damit Wirksamkeit und Sicherheit gewährleistet sind.
Siehe auch:
Neues Cannabis-Medikament in der Schweiz
Cannabis für Patienten in der Schweiz legal erhältlich?
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
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