Die österreichische Zeitung „Kurier“ empfiehlt Gewürze als Entzündungshemmer:
„Zimt, Knoblauch, Ingwer und Kurkuma genießen unter den Gewürzen einen Sonderstatus. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass sie Entzündungen im Körper gezielt bekämpfen.“
Schauen wir uns das Beispiel Zimt genauer an:
„Zimt ist ein Allroundtalent. Das Pulver aus der getrockneten Zimtbaumrinde kann sowohl für süße als auch für pikante Speisen verwendet werden. Im Haferbrei oder Backwaren sorgt Zimt für eine angenehm herbe Note, mariniert man Fleisch oder würzt Saucen damit, erhält man ein duftendes, weihnachtliches Aroma.
Zimt wurde von der Wissenschaft eine desinfizierende und krampflösende Wirkung attestiert. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird das beliebte Gewürz gerne bei Kältegefühl verwendet, da es die „innere Kälte“ durch gesteigerte Durchblutung vertreiben kann. Auch die blutzuckersenkende und stimmungsaufhellende Wirkung des Gewürzes wird betont. Wissenschaftler des Rush University Medical Centers haben in einer Studie mit Zimt und Mäusen zudem eine deutliche Steigerung der Gehirnleistung festgestellt.“
Quelle der Zitate:
https://kurier.at/wellness/zimt-kurkuma-ingwer-knoblauch-wie-sie-ihr-gewuerzregal-gesund-haelt/247.739.154
Kommentar & Ergänzung:
Zimt ist ein feines Gewürz, das Verdauungsbeschwerden lindern kann. Die ESCOP bestätigt als Anwendungsbereiche für die Zimtrinde:
Dyspeptische Beschwerden wie Bauchkrämpfe, Blähungen und Flatulenz; Appetitlosigkeit, Durchfall.
Die blutzuckersenkenden Wirkung wurde in Laborexperimenten im Reagenzglas und an Mäusen festgestellt. Diese Einschränkung fehlt im Artikel des „Kuriers“.
Das Phytotherapie-Fachbuch „Teedrogen und Phytopharmaka“ schreibt:
„Zur blutzuckersenkenden Wirkung von Zimtrinde liegen In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen an Mäusen vor, in denen eine antidiabetische Wirkung eines wässrigen Extrakts gezeigt werden konnte, doch ist die Übertragbarkeit auf eine therapeutische Anwendbarkeit beim Menschen schwierig.“
Die klinischen Studien zur Wirksamkeit von Zimt bei Diabetespatienten sind bisher nicht überzeugend. Siehe dazu:
Zimt zur Senkung des Blutzuckers bei Diabetes?
Einschränkung sind auch angebracht bezüglich der Studie zur Steigerung der Gedächtnisleistung bei Mäusen. Auch hier ist alles andere als klar, ob das Gehirn von Menschen von Zimtgaben profitieren kann und welche Dosierungen dazu nötig wären.
Ich habe zu diesem Experiment hier schon einen Beitrag geschrieben:
Zimt verbessert Lernvermögen bei Labormäusen
Auch die erwähnte entzündungswidrige Wirkung der Zimtrinde wurde in Laborexperimenten festgestellt. Ob das Gewürz auch gegen Entzündungen im menschlichen Organismus wirksam ist und welche Zimtmengen dazu nötig wären, bleibt offen.
Der Beitrag im „Kurier“ ist deshalb ein gutes Beispiel dafür, dass es nicht sehr sinnvoll ist, Laboreffekte aneinanderzureihen, ohne auf die begrenzte Aussagekraft solcher Experimente für den Menschen hinzuweisen.
Chinesischer Zimt (Cinnamomum cassia, Cassia-Zimt) enthält übrigens erhebliche Konzentrationen an Cumarin, das auf längere Sicht die Leber belasten könnte. Im Ceylon-Zimt (Cinnamomum verum) sind die Cumarin-Werte viel tiefer. Ich würde also Ceylon-Zimt vorziehen. Allerdings sollte man diese Gefahr nicht dramatisieren. Wikipedia schreibt dazu:
„Einen eindeutigen Beleg für die angebliche Gefährlichkeit von Cumarin beim normalen Gebrauch von cumarinhaltigen Gewürzen gibt es allerdings bis zum heutigen Tage nicht. In allen Studien trat eine gesundheitschädigende Wirkung erst nach extremen Überdosierungen bei Versuchen an Ratten auf.“
Siehe auch:
Zimt & Cumarin: Ceylon-Zimt unproblematischer als Cassia-Zimt
Stollen, Glühwein, Zimtsterne: Schadet Zimt der Gesundheit?
Zimt ist ein tolles Gewürz mit verdauungsfördernden Eigenschaften. Im Artikel des „Kuriers“ wird die Pflanze aber „überverkauft“, das heisst mit unrealistischen Versprechungen angepriesen.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
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