Typisch für Populisten: Sobald sich nur schon eine Niederlage abzeichnet, schreien sie „Betrug“. Weil sie ja angeblich das Volk vertreten, kann eine Niederlage niemals mit rechten Dingen zugehen. Damit sie „Betrug“ schreien, braucht es keine konkreten Belege oder nur schon ernstzunehmende Verdachtsmomente für Wahlbetrug. Die Tatsache einer drohenden oder eingetretenen Niederlage allein ist für sie schon ein „Beweis“ für Betrug. Sie raunen auch ohne jeden Beleg von „Betrug“ und delegitimieren damit die Wahl. Das ist gefährlich.
Insofern er nur eigene Siege anerkennt, Niederlagen aber nicht, diffamiert und untergräbt der Populismus die liberale Demokratie.
Illustrative Beispiele für dieses antidemokratische Vorgehen liefert Donald Trump, der schon im Präsidentschaftswahlkampf 2016 ankündigte, das Wahlergebnis nur im Falle seines Sieges zu anerkennen, nicht aber bei einer Niederlage. Dass eine allfällige Niederlage nur durch Fälschung und Betrug zustande gekommen sein kann, „weiss“ dieser Kandidat schon im Voraus und deutet es auch an.
Nach der Wahl akzeptiert Trump nicht, dass er nur die Mehrheit der Wahlmänner (Electoral Vote) erlangt hat, aber nicht die Mehrheit der Stimmen (Popular Vote). Dass Clinton beim Popular Vote fast drei Millionen Stimmen Vorsprung hat, diffamiert Trump wiederholt als „Betrug“, ohne sich um Belege zu kümmern. Er raunt einfach vor sich hin.
Auch bei der Senatswahl 2018 im US-Staat Florida schwadroniert Trump von Betrug, weil der republikanische Kandidat Scott und der demokratische Kandidat Nelson bei der Auszählung nahezu gleichauf liegen, ohne dass er auch nur konkrete Indizien vorlegt.
In Österreich sind die populistische FPÖ und ihre Anhängerschaft jeweils sehr rasch mit dem Vorwurf des Betrugs zur Hand. Dort gab es bei der Präsidentschaftswahl 2016 im ersten Durchgang der Stichwahl zwar formale Fehler, aber keine Hinweise auf Wahlbetrug. Bereits nach der Wien-Wahl im Oktober 2015 vermuteten manche FPÖ-Wähler Wahlbetrug. Das kommt nicht von ungefähr. Populisten und damit auch die FPÖ sind geübt darin, sich als Opfer zu inszenieren.
Die Inszenierung als Opfer und das faktenfreie Raunen über Wahlbetrug bei drohenden Niederlagen ist selbstverständlich nicht das einzige Merkmal des Populismus.
Am besten erklärt und auf den Punkt gebracht hat dieses Phänomen meines Erachtens der Politologe Jan-Werner Müller in seinem Essay „Was ist Populismus“.
Danach glaubt ein Populist vor allem, dass er, und nur er das Volk vertritt. Ein Volk zudem, das als homogen fantasiert wird.
In meinem Buchshop stelle ich das Buch mit einer Besprechung vor:
Was ist Populismus? – Essay von Jan-Werner Müller
Und hier gibt’s eine Zusammenfassung des Buches von mir:
Was ist Populismus? Und was nicht?
Der Begriff „Populismus“ wird ja in der politischen Auseinandersetzung immer wieder als Kampfbegriff missbraucht. Das ist bedauerlich, denn dadurch verliert der Begriff seine Erklärungskraft. Jan-Werner Müller gelingt es, nachvollziehbar verständlich zu machen, worin die Kernelemente des Populismus bestehen und weshalb sie für die Demokratie gefährlich sind.