Hochstammobstbäume sind ein wichtiger Teil der traditionellen Kulturlandschaft und jeden Frühling mit ihrer Blütenpracht eine Augenweide. Ihr Bestand ist allerdings stark bedroht, weil die Pflege dieser Bäume aufwendig und der Ertrag gering ist. Überleben können Hochstämmer daher nur, wenn ihre Früchte und die daraus gewonnenen Produkte zu einem angemessenen Preis zu vermarkten sind. Wer Birnendicksaft (Birnel) kauft und verwendet, trägt zur Erhaltung von Hochstämmern bei und unterstützt zugleich die sozialen Projekte der “Winterhilfe”.
Um viele Ortschaften herum stand früher ein dichter Gürtel an Obstbäumen, die vielfältige Produkte abwarfen und gleichzeitig einen reichhaltigen Lebensraum für Tiere und Pflanzen boten. In den letzten 50 Jahren allerdings wurden gegen 80% der Hochstammobstbäume gefällt, um Platz zu machen für Industriebauten, Einfamilienhäuser und eine rationellere landwirtschaftliche Nutzung. Mit den Bäumen verschwanden auch viele Tier- und Pflanzenarten. Die staatliche Unterstützung der Hochstammobstbäume mit Baumbeiträgen im Rahmen des ökologischen Ausgleichs alleine reicht nicht, um den Rückgang der Obstbäume zu stoppen. Nur wenn die breite Produktepalette der Hochstammobstbäume – frisches und gedörrtes Obst, Süssmost, vergorene und gebrannte Obstsäfte – wieder eine rege Nachfrage zu fairen Preisen findet, werden auch wieder Hochstammobstbäume gepflanzt, gepflegt und geerntet.
Vielfältiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere
Obstgärten mit einem lockeren Baumbestand und extensiv genutzten Mähwiesen, Viehweiden oder Pflanzgärten als Unterkultur bilden einen ganz speziellen Lebensraum für Tiere – eine savannenähnliche, halboffene Landschaft. In der Schweiz wurden 35 Brutvogelarten in Hochstamm-Obstgärten nachgewiesen, darunter sind auch 10 typische, regelmässige Obstgartenvögel. In Hochstammobstgärten gibt es aber auch Platz für Heilpflanzen und Wildblumen, sofern sie nur mässig gemäht und zurückhaltend gedüngt werden.
Nester in Höhlen und auf Zweigen
Etwa die Hälfte der Brutvögel des Obstgartens brütet in Baumhöhlen: Steinkauz, Wiedehopf, Wendehals, Grünspecht und andere Spechte oder Meisen. Sie alle brauchen dicke, kräftige Stämme oder ausfaulende Astlöcher von Hochstamm-Obstbäumen als Brutplätze. Grauschnäpper, Gartenbaumläufer und Gartenrotschwanz benötigen für ihr Brutgeschäft Nischen und Halbhöhlen. Rotkopfwürger, Distelfink und andere Finkenarten nisten in Astgabeln und zählen zu den Freibrütern.
Mahlzeit für Insektenfresser
Der vielfältige Obstgarten bietet ein breites Angebot an Nahrung: Im Luftraum zwischen und über den Bäumen jagen Schwalben und Grauschnäpper flink nach Insekten.
Spechte, Kleiber und Baumläufer finden an den dicken Stämmen verschiedenste Kleintiere. Meisen und Finken suchen während ihrer Brutzeit Raupen und andere Insekten im dichten Blattwerk. Exponierte Äste sind zentral für Wartenjäger wie den Mäusebussard, während Wiedehopf und Drosseln am Boden nach Nahrung suchen. Kernobstbäume sind sowohl zur Futtersuche als auch zum Brüten geeigneter.
Neben Vögeln bieten Obstgärten auch anderen Tieren Nahrung und Lebensraum: Fledermäusen (z.B. Abendsegler), Garten- und Siebenschläfern sowie unzähligen Insektenarten wie Grillen und Heuschrecken.
Biotopzerstörung bedroht Obstgartenvögel
Hochstamm-Obstgärten haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Oft werden sie heute intensiver genutzt (4-6-malige Mahd, intensive Beweidung und starke Düngung). Dadurch finden zahlreiche Obstgartenvögel zu wenig geeignete Nahrung.
Weil sie nicht mehr profitabel sind, werden alte Bäume oft nicht ersetzt und manchmal werden ganze Obstgärten gerodet. Dadurch verlieren weitere Vogelarten ihren benötigten Lebensraum unwiederbringlich. Im Jahr 1951 gab es in der Schweiz noch 14 Millionen Hochstamm-Obstbäume. Heute bereichern nur noch etwa 2 Millionen dieser eindrücklichen Bäume unsere Landschaft.
Sie zu erhalten wäre nur schon aus ästhetischen und naturschützerischen Gründen wichtig.
Birnendicksaft – den Hochstammobstbäumen zuliebe
Ungespritzte und unbehandelte Schweizer Mostbirnen – als Tafelobst ungeeignet – sind der Rohstoff für den Birnendicksaft “Birnel”. Die Früchte werden gepresst, der Saft wird geklärt, filtriert, entsäuert und anschliessend konzentriert. Aus 10 Kilogramm der Früchte wird ein Kilogramm Birnel gewonnen. Eine ebenso sinnvolle wie naturfreundliche Verwendung der Mostbirnen. Weil die Hochstammbäume wichtiger und oft einziger Lebensraum von bedrohten Vogelarten sind, unterstützt und fördert auch der Schweizer Vogelschutz SVS den Vertrieb des Birnendicksafts “Birnel”.
Birnel von der Winterhilfe
Das Hilfswerk “Winterhilfe” vertreibt seit 1952 Birnel zu einem günstigen Preis. Die “Winterhilfe” setzt sich seit 72 Jahren gegen Armut in der Schweiz ein. Birnel ist wichtige Einnahmequelle zur Finanzierung dieser Hilfstätigkeit. Viele Gemeinden, Privatpersonen und Spezialgeschäfte unterstützen darum diesen Verkauf.
Birnel macht also sozial und ökologisch Sinn. Es ist ein Süssmittel aus der Natur, enthält Zucker aus den Birnen und ist daher mit Mass zu verwenden – aber wohl alleweil sinnvoller als Nutella und Co.
Info, Bezugsquellen, Rezepte für‘s Kochen und Backen mit Birnel: www.winterhilfe.ch
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Seminar für Integrative Phytotherapie / Phytotherapie-Ausbildungen / Heilkräuter-Exkursionen
Leiter von Heilpflanzen- und Naturkursen / Feldornithologe ZVS
www.heilpflanzen-seminare.ch
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Klinik, Palliative Care
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch