„Medizin braucht Vielfalt“, forderte kürzlich Professor Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer. Und dazu gehört seiner Ansicht nach auch die Komplementärmedizin. Vertreter der Schulmedizin und Naturheilkunde täten sich nach wie vor damit schwer, “zum Wohle des Patienten zusammenzuarbeiten”, sagte Hoppe.

Medizin braucht Vielfalt. Das tönt fraglos gut und ist es bis zu einem gewissen Grad wohl auch. Vertreter der Schulmedizin und der Naturheilkunde sollten zum Wohle des Patienten zusammenarbeiten. Das kommt einem verbreiteten Bedürfnis vieler Menschen entgegen, wie die Abstimmung vom Mai 2009 gezeigt hat.

Aber wie fast immer, wenn es um die Komplementärmedizin geht, sind die Aussagen zwar wohlklingend, bleiben aber pauschal, vage und nebulös.

Nur schon zu diesen wenigen Satzfragmenten von Prof. Hoppe stellen sich einige Fragen:

1. Was meint der Mann genau mit „Schulmedizin“? Warum verwendet der Präsident der Bundesärztekammer einen diffamierenden Kampfbegriff aus Homöopathie und Nationalsozialsozialismus?

Siehe:

Schulmedizin – ein fragwürdiger Ausdruck

2. Was meint Hoppe genau, wenn er von Komplementärmedizin spricht? Dieser Begriff ist genau deshalb so positiv besetzt, weil er kaum etwas aussagt. „Komplementär“ heisst „ergänzend“. Das ist ja immer gut, es dient dem Ganz werden und wer will das schon nicht…

Mir fällt einfach auf, dass auch Politikerinnen und Politiker gern mehr Komplementärmedizin fordern. So inhaltsleer aber wohlklingend wie er ist, kommt das immer gut an und bietet keine Angriffsflächen.

Meiner Ansicht nach sollte man anstelle  von Komplementärmedizin von einzelnen konkreten Methoden reden, dann wäre eine ergiebige Diskussion möglich anstelle von populistischen Schlagworten.

Hier eine Auswahl von Methoden der Komplementärmedizin:

Ab- und ausleitende Verfahren, Ableitungsdiät, Ableitungsverfahren,

Aderlass, Akupressur, Akupunktur, Alexander-Technik,

Anthroposophische Medizin, Api-Therapie, Aromatherapie, Asiatische Heilkunde,

Astromedizin, Atemtherapie, Atlaslogie, Augendiagnose, Augentraining, Aura Soma,

Aurikulotherapie, Autogenes Training, Autosuggestion, Ayurveda,

Bachblüten-Therapie, Baunscheidtieren, Bewegungstherapie,

Bio-Chemie (Schüsslersalze), Biodynamische Psychologie, Biofeedback,

Bioresonanz-Therapie, Blutegel, Cantharidenpflaster, Chakra-Therapie,

 

Chinesische Pulsdiagnose, Clustermedizin, Colon-Hydro-Therapie,

Cranio-Sacral-Therapie, Edelstein-Therapie, Eigenblut-Therapie,

Elektro-Akupunktur-Diagnose, Elektrotherapie, Energetische Medizin,

Eugemed-Therapie, Farbtherapie, Fasten, Feldenkrais, Feng Shui,

Frischzellentherapie, Frühjahrskur, Fumarsäure-Therapie, Fünf Tibeter,

Fussreflexzonen-Massage, Ganzheits-Therapie, Geistiges Heilen,

Haarmineralanalyse, Heilfasten, Homöopathie, Horchschulung, Hypnosetherapie,

Infrarot-Therapie, Inhalationstherapie, Isopathie, Jin Shin Do, Kinesiologie,

Kirlian-Fotografie, Kurzwellentherapie, Laser-Akupunktur, Lasertherapie,

Lymphdrainage, Magnet-Therapie, Meditation, Metamorphose, Mikrowellentherapie

Moxibustion, Nasenreflexzonen-Therapie, Neural-Therapie,

 

NLP Neuro-Linguistisches Programmieren, Ohr-Akupunktur, Ohrkerzen,

Orgontherapie, Orthomolekulare Medizin, Osteopathie, Ozontherapie, Polarity,

Pranaheilen (Pranic Healing), Qi-Gong, Radiästhesie, Radionik, Rebirthing,

Regenerationstherapie, Reiki, Reinkarnationstherapie, Reizstromtherapie,

Rohkosttherapie, Rolfing, Sauerstoff-Therapie, Schlenzbad-Kur, Schröpfen, Shiatsu,

Tai Chi, Therapeutic Touch (Handauflegen), Touch for Health,

Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Ultraschall-Therapie, Unterwassermassage, Urin-Therapie, Visualisieren, Vitalogie, Watsu, Wirbelsäulen-Basis-Ausgleich, Wirbelsäulen-Therapie nach Dorn, Yoga, Zelltherapie, Zero Balancing, Zilgrei, Zungendiagnostik.

Diese Auszählung könnte natürlich noch wesentlich erweitert, oder aber auch gekürzt werden. Denn es ist nirgends festgelegt, was zur Komplementärmedizin gehört.

Doch nur schon in dieser unvollständigen Liste treffen wir auf Methoden von sehr unterschiedlicher Glaubwürdigkeit. Diskutieren wir doch über Inhalte, nicht über populistische Schlagworte! Wenn Politikerinnen und Politiker oder Verbandsfunktionäre von Förderung der Komplementärmedizin reden, dann wäre es meiner Ansicht nach nötig nachzufragen, welche Methoden sie genau meinen.

Zur Problematik des Begriffs Komplementärmedizin siehe:

Komplementärmedizin – ein fragwürdiger Begriff

3. Wenn Politikerinnen und Politiker pauschal-populistisch von Förderung der Komplementärmedizin reden, dann müsste man meines Erachtens genau nachfragen, nach welchen Kriterien sie entscheiden wollen, welche von den mehreren hundert Methoden der Komplementärmedizin gefördert werden sollen.

Um die Angabe solcher Kriterien drücken sich diese Politikerinnen und Politiker in der Regel. Dabei könnte meines Erachtens erst auf dem Boden solcher Kriterien eine offene und ehrliche Diskussion anfangen. Vielfalt ja, Beliebigkeit nein.

4. Hoppe redet mal von Komplementärmedizin, mal von Naturheilkunde und es scheint so, als gebrauche er diese beiden Begriffe synonym. Sind sie aber nicht. Naturheilkunde ist ebenfalls kein scharf definierter Begriff, doch versteht man darunter oft die fünf Säulen nach Sebastian Kneipp:

Hydrotherapie,

Pflanzenheilkunde,

Ernährung,

Bewegung, Licht, Luft,

Lebensordnung.

Verfahren der Naturheilkunde sind potenziell kompatibler mit der Medizin verglichen mit Methoden der Komplementärmedizin.

Zum Begriff „Naturheilkunde“ siehe:

Naturheilkunde  –  was ist das?

Zusammengefasst: Wenn es um Komplementärmedizin geht sind inhaltliche Diskussionen über konkrete Methoden nötig. Andernfalls bleibt es bei populistischen Schlagworten. Vielfalt in der Medizin ja, aber nicht Beliebigkeit.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse

www.phytotherapie-seminare.ch

Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital

Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch

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