Im Phyto-Forum der Ärztezeitung wurden vor kurzem folgende Fragen gestellt:
„Gibt es Interaktionen von Johanniskraut mit Kontrazeptiva und anderen Arzneien?
Macht Johanniskraut sonnenlichtempfindlich?
Gibt es Studien zu Rezeptoreninteraktionen oder Hinweise auf Einflüsse aus Transportproteinen?
Die Antworten darauf verfasste Professor Karen Nieber.
Zur Frage der Interaktionen (Wechselwirkungen) mit Kontrazeptiva („Pille“):
„Die Frage zu Interaktionen von Johanniskraut mit Kontrazeptiva ist nicht mit ja und nein zu beantworten. Nach meinen Recherchen ist die klinische Relevanz der Interaktion mit Kontrazeptiva vom Gehalt des Hypericins abhängig. Unumstritten ist eine Interaktion von Johanniskraut mit dem CYP-System und mit P-Glycoprotein. Diese Interaktionen sind vielfach in vitro nachgewiesen. Die klinischen Studien sind sehr differenziert.
Will Shahab und Mitarbeiter haben keine Interaktion nachgewiesen. Sie verwendeten Ze 117 (0,2 Hypericin) 500 mg/d und Lovella (0,02 mg Ethinylestradiol plus 0,15 mg Desogestrel).
Ausgewertet wurde nach drei Monaten Ethinylestradiol und 3-Ketodesogestrel. Murphy et al. untersuchten Loestin 1/10 (0,02 mg Norethindron / 0,15 mg Ethinylestradiol) und 300 mg Johanniskraut dreimal täglich. Sie fanden eine erhöhte Metabolisierung von Norethindron und Ethinylestradiol.
Auch Pfrunder et al. verwendeten ein Niedrigdosis-Kontrazeptivum wie Will-Shahab. Allerdings höher dosiertes Hypericin (Jarsin 0,3 %). Sie fanden keinen Einfluss auf die Ovulation, aber eine verminderte Serumkonzentration von 3-Ketodesogestrel. Bei den Studien wurden allerdings immer nur 16 bis 18 Personen eingeschlossen, sodass es sich um kleine Studien handelt. Dadurch ist natürlich die Aussagekraft eingeschränkt.“
Kommentar: Wechselwirkungen zwischen Johanniskraut-Präparaten und der „Pille“
Dass es Wechselwirkungen zwischen Johanniskraut-Präparaten und der „Pille“ gibt, steht ausser Frage. Wie stark diese Interaktionen bei den verschiedenen Johanniskraut-Präparaten ausfallen und wie relevant sie in der konkreten Situation sind, das wird immer noch sehr kontrovers diskutiert. Karin Nieber irrt sich allerdings, wenn sie für die Interaktion zwischen Johanniskraut und Kontrazeptiva den Hypericin-Gehalt als massgebend aufführt.
Die Phytotherapie-Fachliteratur sieht hier Hyperforin als entscheidenden Inhaltsstoff.
„Hyperforin, ein Inhaltsstoff von Johanniskraut, induziert dosisabhängig die Aktivität der Enzyme CYP3A4, CYP2C9, CYP2C19 und von P-Glykoprotein. Das bedeutet, dass alle Arzneistoffe, bei deren Metabolismus die genannten Proteine eine Rolle spielen, bei gleichzeitiger Gabe von Johanniskraut-Präparaten beschleunigt abgebaut werden, verminderte Blutspiegel sind das Resultat.“
(Quelle: Praktische Aspekte zur Anwendung von Johanniskrautpräparaten, Univ.-Doz. Dr. Reinhard Länger, PHYTOTherapie Austria 4 / 2010)
Reinhard Länger ist ein Top-Experte für die Wirkungen, Interaktionen und Nebenwirkungen von Johanniskraut, während Karin Nieber schon anderweitig fragwürdig aufgefallen ist.
Siehe: Laborstudie mit negativem Ergebnis für Homöopathie
Ein Professorentitel ist also noch kein Garant für Glaubwürdigkeit.
Zum Thema „Johanniskraut & Pille“ siehe auch:
Johanniskraut und Anti-Baby-Pille – Warnungen gerechtfertigt?
Generell zu Wechselwirkungen von Johanniskraut:
Phytotherapie: Wechselwirkungen von Johanniskraut
Phytotherapie: Johanniskraut-Wechselwirkungen
Zur Frage, ob Johanniskraut die Sonnenempfindlichkeit steigert, schreibt Karin Nieber:
„Die zweite Frage ist klar zu beantworten. Johanniskraut hat eine phototoxische Wirkung, Der Angriffspunkt sind wahrscheinlich die Mitochondrien der Zelle.“
Kommentar: Für diese Wirkung ist Hypericin verantwortlich.
Siehe dazu:
Risiko der Photosensibilisierung durch Johanniskraut wird überschätzt
Meiner Ansicht nach sollte man das Thema der Photosensibilisierung durch Johanniskraut weder dramatisieren noch unter den Tisch wischen.
Quelle des Betrages im Phyto-Forum:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/hormonstoerungen/article/661761/phyto-forum-interagiert-johanniskraut-kontrazeptiva.html?sh=73&h=-1436656583
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
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