Zahlreiche Menschen halten die Homöopathie für eine besonders sanfte Heilmethode, die angeblich die Heilkräfte der Natur nutzt. Aufgrund der meist sehr starken Verdünnung der Ausgangsstoffe – der sogenannten Potenzierung – sind unerwünschte Nebenwirkungen unwahrscheinlich.
Ist die Verdünnung jedoch zu gering, kann die Behandlung für Patienten riskant werden.
Die Mehrzahl der teilweise starken unerwünschten Nebenwirkungen sind dabei allergische Reaktionen und Vergiftungen.
Globuli enthalten eigentlich ausschliesslich Zucker. Die Ursubstanz der homöopathischen Arznei wird soweit verdünnt, bis kaum noch etwas davon in den Präparaten enthalten ist. Das ist bei vielen der stark giftigen Ausgangsstoffe auch gut so.
Direkter und indirekter Schaden durch Homöopathika
Homöopathika können Patienten entweder direkt oder indirekt schaden. Zum einen können gewisse homöopathische Mittel direkte Nebenwirkungen, etwa allergische Reaktionen oder Vergiftungen auslösen. Zum anderen können die Präparate indirekt schaden, wenn sie anstelle von wirksamen, konventionellen Medikamenten eingenommen werden, für die es wissenschaftliche Wirksamkeitsbelege gibt.
Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler um Dr. Paul Posadzki von der Peninsula Medical School in Exeter, Großbritannien.
Sie publizierten ihre Resultate im »International Journal of Clinical Practice« (doi: 10.1111/ijcp.12026).
Für ihre Studie hatten sie Datenbanken nach Patientenfällen mit negativen Auswirkungen homöopathischer Behandlungen durchsucht. Für den Zeitraum zwischen 1978 und 2010 fanden sie insgesamt 1159 solcher Fälle aus 17 Ländern. 1142 Patienten berichteten darin von direkten Nebenwirkungen, nur 17 erwähnten indirekte Nebenwirkungen der Homöopathie-Behandlung.
Bei den 1142 direkten Zwischenfällen traten hauptsächlich Vergiftungen und allergische Reaktionen auf. So können beispielsweise Schwermetalle wie Arsen, Cadmium, Quecksilber und Eisen, die gängige Mittel in der Homöopathie sind, toxisch wirken, wenn sie nicht genügend verdünnt worden sind. Andere Stoffe wie Aconitum (Eisenhut), Petroleum und Thallium, die ebenfalls in der Homöopathie eingesetzt werden, können den Autoren zufolge auch bei genügend hohen Verdünnungen zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen.
Ein Fallbeispiel lieferten Ärzte um den spanischen Neurologen Jaime Samuel Rodríguez-Vico vor drei Jahren:
Der Patient verbrachte eine Woche im Spital. Er hatte hohes Fieber, seine Atemfrequenz war gesteigert, die Koordination gestört und der Blutdruck abgesackt. Höchstwahrscheinlich waren diese Symptome ausgelöst worden durch eine Vergiftung mit Kerosin, welche sich der Patient wohl durch ein Homöopathikum zugezogen hatte.
Die Vergiftungserscheinungen traten auf, weil die Ausgangssubstanz des Mittels nicht ausreichend verdünnt wurden. In diesem Fall diente Kerosin als Grundlage und war dann im fertigen Präparat noch in nennenswerter Menge enthalten.
Die Autoren der Studie halten die indirekten Schäden durch Hömoopathika allerdings für wichtiger.
Diese würden jedoch viel seltener gemeldet. Kritisch sei hauptsächlich bei schweren Erkrankungen die Bevorzugung der Homöopathie gegenüber konventionellen Medikamenten. Homöopathische Therapien bei akuter lymphatischer Leukämie, atopischer Dermatitis oder bakterieller Lungenentzündung, von denen Literaturberichte existieren, seien »eindeutig gefährlich«, schreiben die Wissenschaftler. Auch Angsterkrankungen und Depressionen sollten nicht mit Globuli behandelt werden.
Gefährlich ist in solchen Fällen nicht das Mittel selbst, sondern der Verzicht auf ernsthafte Behandlung in schweren Krankheitsfällen.
Die meisten Wissenschaftler halten diese indirekte Gefährdung durch Homöopathika für relevanter als das Risiko von Vergiftungen und Allergien. Schließlich bestehen die meisten Globuli durch die extreme Verdünnung der Ausgangssubstanzen nur aus Zucker.
Homöopathie habe das Potenzial, Patienten und Konsumenten direkt und indirekt zu schaden, fassen Forscher um Posadzki zusammen. Sie betonen aber auch, dass konventionelle Medikamente selbstverständlich viel häufiger Nebenwirkungen zeigen. Man müsse jedoch das Risiko-Nutzen-Verhältnis anschauen – und das sehe bei einer unwirksamen Methode wie der Homöopathie schlecht aus.
Quellen:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=44406&type=0
http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/homoeopathie-kerosin-im-kuegelchen-1.1536531
The International Journal of Clinical Practise, Bd. 66, S. 1178, 2012
Kommentar & Ergänzung:
Ein Vergiftungsrisiko besteht allenfalls bei tiefen Verdünnungsstufen – gemäss Wikipedia in der Regel bis D4:
„Pharmakologisch und toxikologisch können niedrigpotente Homöopathika problematisch sein. Unzureichend verdünnte Homöopathika, in der Regel Potenzen bis D4, können zu allergischen Reaktionen und bei toxischen Urtinkturen zu akuten und chronischen Vergiftungserscheinungen führen.“
Arsen beispielsweise wird vor allem in der Laienhomöopathie als D6 oder D12 verwendet: Arsen(III)-oxid (Arsenicum album).
Der Grenzwert für Arsen im Trinkwasser liegt im Bereich von 1: 100 000 000, das entspricht einer homöopathischen Verdünnungsstufe von D8. Ab dieser Konzentration seien auch bei langfristigem Konsum keine Gesundheitsrisiken zu erwarten, schreibt dazu Wikipedia. Wobei aber schon auch berücksichtigt werden muss, dass Trinkwasser in ganz anderen Mengen aufgenommen wird als homöopathische Globuli.
Allergisierungsprozesse sind insofern heikler, als dafür schon Spuren der Stoffe ausreichen können.
Grundsätzlich scheint es mir allerdings empfehlenswert, dass Globuli-konsumierende Personen sich stärker dafür interessieren sollten, auf welchen Ausgangsstoffen die von ihnen eingenommenen Homöopathika basieren. Viele Konsumentinnen und Konsumenten von Globuli stellen sich als Ausgangssubstanzen nämlich heilsame Pflanzen vor.
Es gibt aber fast nichts auf dieser Erde, was nicht zu einem Homöopathikum verarbeitet werden kann. So kommt es zu Präparaten wie beispielsweise:
Röntgenstrahlen (X-Ray), GE (Germanium metallicum, Germanium), Tausendfüssler (Scolopender morsitans, aus dem lebenden Tier), Abbiss-Scheckenfalter (Euphydryas aurinia), Luna (Mondstrahlen), Hundehaare (Pel canis), Plutonium nitricum C30. C60 C100 C200 (aufgrund der Potenzhöhe wird Strahlenfreiheit garantiert), Hundekot (Excrementum caninum), Tripper-Nosode (Medorrhinum), Gebärmutterkrebs-Nosode (Epihysterinum), Walfischdreck (Ambra grisea, aus dem Darm des Pottwals).
Wenn man nun nach einer homöopathischen Vorstellung davon ausgeht, dass das Lösungsmittel bei der Herstellung des Homöopathikums Informationen der Ausgangssubstanz speichert – was ich nicht tue – so stellt sich die Frage, welche Informationen genau vom Hundekot oder Walfischdreck weitergegeben werden. Woher weiss denn das Lösungsmittel, welche Informationen des Hundekots therapeutisch relevant sind und daher weitergegeben werden sollen? Oder anders herum gefragt: Wie lässt sich ausschliessen, dass das Lösungsmittel alle möglichen Informationen vom Hundekot auf den Körper überträgt?
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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