«Das einzige, was einen bösen Menschen mit einer Waffe aufhält, ist ein guter Mensch mit einer Waffe»
So begründete der Vizepräsident des Waffenlobbyverbandes NRA den Lösungsvorschlag seiner Organisation, zur Prävention von Amokläufen in jeder Schule bewaffnete Polizisten einzusetzen.
Dieser Vorschlag wirft ein paar Fragen auf.
Wie muss ich mir das konkret vorstellen?
Eine Pistole reicht nicht gegen einen Amokläufer mit einem Schnellfeuergewehr und besonders effektiver Spezialmunition, wie sie der Täter beim Amoklauf in der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown offenbar verwendet hat. Also brauchen die Polizisten mindestens ebenfalls Schnellfeuergewehre. Und ein Polizist reicht für ein weitläufiges Schulgelände nicht. Drei bis vier „Cops“ pro Schule müssten es mindestens sein. Um wirksam zu sein, dürften sich die Polizisten aber nicht in einem Büro verschanzen. Von dort kämen sie im Ernstfall zu spät. Am besten also direkt in die Klassenzimmer mit ihren. Und an den Eingang zur Personenkontrolle, was aber unsicher ist ohne Kontrolle der Taschen und Schultornister. Die Geräte dafür kennen wird schon vom Flughafen. Schwierig wird es in den Pausen. Hier braucht es bauliche Massnahmen, vor allem in Form von Schutzmauern.
Nun bleiben als Einfallstor für „das Böse“ nur noch die Polizisten selbst. Schliesslich betont die NRA (und andere Waffenlobbyisten – auch in der Schweiz), dass nur Menschen töten, nie Waffen. Wie stellt man sicher, dass jeder „Cop“ nicht nur auf der Seite des „Guten“ ist, sondern es in jeder Lebenslage auch bleibt. Manchmal reicht in einer psychischen Krise eine Kränkung bereits für einen „Ausraster“, zum Beispiel wenn eine angehimmelte Lehrerin den Cop abweist. Da bräuchte es eigentlich emotionsresistente Roboter, die über solchen „Menschlichkeiten“ stehen. Als Vorbild könnten die Drohnen der CIA in Afghanistan dienen, doch auch sie werden noch von Piloten gesteuert, aus weiter Ferne allerdings.
Würde mich wirklich interessieren, wie sich die NRA die Umsetzung ihres Vorschlages genau vorstellt.
Das Zitat von Wayne LaPierre ist zudem an zwei Punkten sehr fragwürdig:
Erstens setzt es voraus, dass man eindeutig zwischen dem guten Menschen und dem bösen Menschen unterscheiden kann. So wie wenn das eine vererbbare Eigenschaft wäre wie die Augenfarbe. Die menschliche Geschichte zeigt aber, dass das eine Illusion ist, und dass die Grenzen manchmal zerfliessen.
Zweitens ist die Aussage, dass einzig ein guter Mensch mit einer Waffe einen bösen Menschen mit einer Waffe aufhalten kann, stark manipulativ verengt auf eine alternativlose Lösung.
Die naheliegende Möglichkeit, dass man es den Menschen nicht ganz so einfach macht, an jeder Strassenecke ein Schnellfeuergewehr mit Spezialmunition zu kaufen, bleibt so zum vorneherein ausgeklammert.
Die Waffenlobby argumentiert damit, es seien Menschen die töten, nicht Waffen. Aber leicht verfügbare Waffen vervielfachen die Gelegenheiten zum Töten. Und Waffen – vor allem Schnellfeuergewehre, vervielfachen das Potenzial, in kurzer Zeit zahlreiche Menschen umzubringen.
Wer das nicht einsieht hat meines Erachtens ein ziemlich dickes Brett vor dem Kopf.
Im Übrigen ist es natürlich nicht ganz so einfach, aus der Schweiz mit dem Finger auf die verrückten Amerikaner zu zeigen. In der Schweiz hat immer noch jeder Wehrmann seine Waffe im Schrank und damit ein Schnellfeuergewehr zur Hand.
Diese Regelung wurde noch in den 80er-Jahren damit begründet, dass ganz überraschend die sowjetischen Panzer im Land stehen könnten, und sich der Wehrmann dann mit der Waffe in der Hand zum Mobilisationsplatz durchschlagen muss.
Zwar waren die sowjetischen Angriffspläne gegen die Schweiz sehr konkret. Ein derart überraschender Einmarsch ohne jedes Vorzeichen quasi über Nacht scheint aber doch ziemlich unwahrscheinlich.
Und wer soll heute über Nacht mit Panzern im Land stehen? Das österreichische Bundesheer? Peer Steinbrück mit seiner Kavallerie?
Immerhin wird nun als Konzession an die Vernunft seit kürzerer Zeit die Munition nicht mehr mit nach Hause gegeben, damit in Trennungsphasen weniger Ehefrauen von ihren Männern mit dem Sturmgewehr umgebracht werden. Das Drohpotenzial der Waffe im Haus bleibt aber und an Munition kommt ein Wehrmann, wenn er will.
Bleibt die Munition im Zeughaus, wie es heute der Fall ist, macht das Gewehr im Haus allerdings auch keinen militärstrategischen Sinn mehr. Über Nacht einmarschierte Österreicher werden sich kaum von schweizerischen Sturmgewehren beeindrucken lassen, wenn sie genau wissen, dass diese mangels Munition nicht geladen sind.
Fazit: Der Umgang mit Waffen in den USA scheint mir sehr bescheuert. Unser eigenes Verhältnis mit Armeewaffen im Haus ist aber genauso immer noch mit Mythen aufgeladen. Die Armeewaffe im Haus ist zwar glücklicherweise noch nie für einen Amoklauf in einer Schule verwendet worden, für Morde und Drohungen im Familienrahmen aber immer wieder. Und das ist nicht akzeptabel.
Ausserdem:
Übersicht meiner eigenen gesellschaftspolitischen Texte und Buchempfehlungen.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch