Immer wieder einmal spricht mich jemand auf das Thema Übersäuerung an.
Und manchmal ist es ziemlich bemerkenswert, mit welcher Fraglosigkeit die Theorie von der Übersäuerung vertreten und befolgt wird. Die Säure-Basen-Theorien basieren nämlich auf einer ganzen Reihe von spekulativen Annahmen, die alles andere als belegt sind. Sogenannte „Basenpulver“, die gegen die angebliche Übersäuerung propagiert werden, helfen wohl vor allem den Verkäufern und Herstellern.
So wie sie Säureüberschüsse normalerweise kompetent eliminieren, werden unsere körpereigenen Puffersysteme auch die unnötigerweise zugeführten Basenpulver neutralisieren.
Unser Organismus hat eine ganze Reihe von Puffersystemen zur Konstanthaltung des pH-Wertes. Wenn sie ausnahmsweise dazu nicht mehr in der Lage sind, ist das ein gravierender Fall und der betreffende Patient im Spital.
Eine Übersäuerung ist mit dem Leben nicht vereinbar.
Etwas krass ausgedrückt: Wer sauer ist, ist ziemlich tot.
Im österreichischen „Standard“ hat der Ernährungsmediziner Kurt Moosburger zur Übersäuerungstheorie Stellung genommen:
„Eine Übersäuerung kann es im Normalfall gar nicht geben, weil der Körper selbst für einen ausgeglichenen Säuren-Basen-Haushalt sorgt. Ausnahmen gibt es nur bei schweren Nierenkrankheiten oder einem entgleisten Typ-1-Diabetes. Den pH-Wert des Organismus kann man über die Nahrung nicht beeinflussen. Nicht einmal, wenn man sich extrem eiweißlastig ernährt, würde es einem Menschen gelingen, eine metabolische Azidose (Übersäuerung des Blutes, Anm.) auszulösen. Denn die Säureausscheidungskapazität der Nieren ist um ein Vielfaches höher.“
Quelle:
http://derstandard.at/1324501618894/Nahrungsverzicht-Fasten-Raubbau-am-eigenen-Koerper
Und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung schreibt in einer Stellungnahme:
„Eine basenüberschüssige Kost bringt keine nachweisbaren gesundheitlichen Vorteile. Eine Übersäuerung des Körpers ist beim Gesunden nicht zu befürchten, da Puffersysteme den Säure-Basen-Spiegel im Blut und Gewebe konstant halten. Zu einer Azidose (Übersäuerung) kann es z.B. bei einer Stoffwechselentgleisung beim Diabetes mellitus kommen.“
(Quelle: Wikipedia)
Bedenklich an solchen Theorien finde ich, dass sie ständig Zweifel an der Kompetenz unseres Organismus säen. Allein können wir es angeblich niemals schaffen, deshalb brauchen wir Nahrungsergänzungsmittel, Basendiäten, Entschlackungsmittel …..
Uns wird ein Defizit eingeredet, damit wir folgsam die Therapien konsumieren, die das angebliche Defizit beheben sollen.
Das ganze Leben wird so zur Therapie. Keine Lebenssituation, für die es nicht eine ganze Palette von Ernährungsregeln, Schüssler Salzen, Bachblütentropfen, Pflanzentinkturen, Globuli und Vitaminpräparaten gibt.
Die Alternativmedizin ist voll dabei im Trend zur Pathologisierung, Therapeutisierung und Medikalisierung aller Lebenslagen.
Nicht nur in der Medizin, auch in Alternativmedizin bzw. Komplementärmedizin müsste viel kritischer hinterfragt werden, welche Angebote wirklich nötig und sinnvoll sind.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch