Die Brennnessel (Urtica dioica) war früher eine wichtige Faserpflanzen, die aber in dieser Hinsicht inzwischen weitgehend in Vergessenheit geraten ist.
Nun rückt die Faser-Brennnessel (Urtica dioica L. convar. fibra) als Lieferant für einheimische Fasern wieder stärker in das Interesse der Textil- und Werkstoffindustrie. Dem Institut für Pflanzenkultur (IFP) im Wendland und dem Faserinstitut Bremen e. V. ist es gelungen, vielversprechende Klone aus Ursprungsmaterial zu züchten. Deren Faseranteil liegt bis zu gut einem Viertel über dem der besten bislang bekannten Fasernessel-Sorten. Außerdem entwickelten die Wissenschaftler eine in vitro-Kulturmethode zur Vermehrung für diese Pflanzenart weiter.
Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) gefördert.
Als Fasernessel genutzt wurde ursprünglich die Wildform der Großen Brennnessel (Urtica dioica), später selektierte man Sorten mit hohen Fasergehalten. Neben Hanf und Faserlein zählte die Brennnessel bis zum 2. Weltkrieg zu den wichtigsten einheimischen Faserpflanzen, später geriet sie in Vergessenheit. Die Nesselfaser hat bemerkenswerete Qualität.
Dank neuer Verarbeitungsmethoden kann aus ihren Fasern inzwischen jedoch Stoffe in der Feinheit von Baumwolle mit sehr guten textilen Eigenschaften oder Vliese für technische Zwecke weben.
Die bisher übliche Vermehrung über Stecklinge eignet sich allerdings wenig für den großflächigen Anbau und auch beim Fasergehalt der vorhandenen Sorten gibt es noch Optimierungspotenzial.
Den beiden Projektpartnern ist es nun gelungen, 4 Klone zu züchten, die sich durch hohe Faserfestigkeiten (über 30 cN/tex), gute Feinheiten (30 bis 35 µm) und hohe Fasergehalte (bis zu 26,9 Prozent über den Stammklonen) auszeichnen.
Fasern für eine Verarbeitung zu Textilien oder Verbundwerkstoffen sollten generell Festigkeiten von über 20 cN/tex und Feinheiten zwischen 30 und 35 µm aufweisen.
Es zeigte sich während der Arbeit an diesem Projekt allerdings auch, dass die Fasergehalte je nach Erntejahr sehr unterschiedlich ausfielen und zum Teil um mehr als 5 Prozentpunkte schwankten. Für eine abschließende Bewertung der Genotypen wäre darum ein großflächiger, praxisnaher Feldanbau wertvoll.
Quelle:
http://idw-online.de/pages/de/news566582
Kommentar & Ergänzung:
Wer sich für Heilpflanzen interessiert, befasst sich nicht einfach mit „Natur“. Er oder sie kann auch viel lernen darüber, was Kultur mit Natur macht. Die Brennnessel ist ein gutes Beispiel dafür, wie vielfältig Pflanzen kulturell genutzt und gedeutet werden.
Die Bedeutung der Brennnessel als wichtige Faserpflanze ist heute tatsächlich aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden. Irgendwann war die Nesselfaser gegenüber Hanf, Leinen, Baumwolle und zuletzt gegenüber den Kunstfasern nicht mehr konkurrenzfähig. Nun scheint sie dank züchterischer Optimierung als Faserpflanze wieder zurück zu kehren.
Zur Bedeutung der Nesselfasern in der Vergangenheit:
Kleidung aus Brennnesselfasern in der Bronzezeit für Fürsten verwendet
Die Brennnessel wird aber auch als Heilpflanze erforscht.
Brennnesselwurzeln zeigten dabei günstige Wirkungen bei der gutartigen Prostatavergrösserung (benigne Prostatahyperplasie). Brennnesselblätter unterdrücken entzündungsfördernde und knorpelabbauende Zytokine und helfen dadurch möglicherweise bei Gelenkentzündungen.
Siehe:
Ausserdem gilt die Brennnessel traditionell als harntreibendes Mittel zur Durchspülungstherapie bei Harnwegsinfekten, und sie wird eher fragwürdig zur Entgiftung, Entschlackung und Blutreinigung empfohlen:
Brennnesseltee zur Entgiftung und Entschlackung
Alle Jahre wieder kommen auch fragwürdige Empfehlungen der Brennnessel als Frühjahrskur und Schlankheitsmittel:
„Brennesseltee entschlackt“ und lässt „die Kilos purzeln“
In der Wildkräuterküche darf Brennnessel nicht fehlen:
Und nicht zu vergessen: Die Brennnessel ist auch eine bedeutende Raupenfutterpflanze für mehrere Schmetterlingsarten (z. B. Kleiner Fuchs, Tagpfauenauge, Admiral, Distelfalter, Landkärtchen, C-Falter).
Wahrlich ein vielfältiges Pflänzchen.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie/ Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Heilpflanzenexkursionen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
Schmerzen? Chronische Erkrankungen? www.patientenseminare.ch