Amygdalin, auch Laetrile oder fälschlicherweise Vitamin B17 genannt, war insbesondere in den 70er Jahren populär und wird gegenwärtig in der „Alternativmedizin“ wieder als Naturheilmittel zur Behandlung von Krebserkrankungen propagiert.
Das cyanogene Glykosid Amygdalin ist als toxischer sekundärer Pflanzeninhaltsstoff bekannt und ist zum Beispiel enthalten in Aprikosenkernen oder bitteren Mandeln, wie sie beispielsweise in Reformhäusern oder im Internet angeboten werden.
Durch den enzymatischen Abbau von Amygdalin wird im menschlichen Organismus Cyanid/ Blausäure freigesetzt. Cyanidionen binden mit hoher Affinität an dreiwertiges Eisen, wodurch die Zellatmung im gesamten Körper geschädigt werden kann. Kleinere Mengen Cyanid können zwar mit Hilfe des Rhodanidsynthetasesystems, das vor allem in der Leber vorhanden ist, in das verhältnismässig untoxische Thiocyanat (Rhodanid) umgewandelt werden. Trotzdem sind schon 50mg Cyanid-freisetzende Blausäure (HCN) tödlich. Fachleute empfehlen deshalb, maximal 1-2 Aprikosenkerne am Tag zu verzehren oder vorsorglich ganz auf solche Produkte zu verzichten.
Behauptet wird, dass Amygdalin durch die in Krebszellen gehäuft vorkommende β–Glukosidase zu Benzaldehyd und Blausäure hydrolysiert würde und so selektiv wirken sollte. Sowohl physiologische als auch bösartige entartete Zellen enthalten aber allenfalls Spuren der β–Glukosidase.
Spekuliert wird auch, dass wegen des in Krebszellen fehlenden Enzyms Rhodanase eine Entgiftung in diesem Gewebe nicht möglich sein soll.
Amygdalin wird auch fälschlicherweise als Vitamin B17 bezeichnet, weil ein Mangel an Amygdalin den Ausbruch einer Krebserkrankung fördern soll.
Für all diese Hypothesen gibt es keinerlei wissenschaftlichen Belege. Das Blausäureglykosid Amygdalin ist weder als Arzneimittel zugelassen, noch spielt es in der menschlichen Ernährung als Vitamin eine Rolle.
Literatur:
– arznei-telegramm, 10/2014/p99
– Pharmazeutische Zeitung, 41/2014/p20
Quelle:
http://www.pharmavista.net/content/default.aspx?http://www.pharmavista.net/content/NewsMaker.aspx?ID=1372&NMID=1372&LANGID=2
Kommentar & Ergänzung:
Wichtig ist darüber hinaus, dass Amygdalin auch in Studien mit Krebspatienten nicht überzeugt:
„Eine klinische Studie aus dem Jahre 1982 zeigte bei an Krebs erkrankten Menschen keinen Vorteil durch die Einnahme von Amygdalin, es zeigten sich stattdessen bei einigen Patienten Symptome einer Cyanidvergiftung. Ein Review aus dem Jahre 2006 kam nach der Untersuchung von 36 Studien zum Ergebnis, dass in keiner einzigen der 2006 zur Verfügung stehenden Arbeiten ein Hinweis für eine mögliche Wirkung gegen Krebs beim Menschen nachweisbar war.“
Quelle:
http://www.chemie.de/lexikon/Amygdalin.html#_note-2/
Weitere Informationen zu diesem Thema:
Unsinnige Krebstherapie: Bittere Aprikosenkerne
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
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