Worum gehts?
1938 – ein Wendepunkt auf dem Weg in den Dritten Weltkrieg
Dieses Buch beschreibt sehr eindrücklich, wie sich der Nationalsozialismus 1938 gefestigt und in der Bevölkerung verankert hat – vor dem Schritt in den Dritten Weltkrieg. Daraus lässt sich viel lernen, um ähnliche Entwicklungen weltweit frühzeitig zu erkennen.
Verlagsbeschreibung zu „1938“
Klaus von Dohnanyi schreibt im Vorwort:
„So brauchen wir nicht nur die Erinnerung an 1938, an die Jahre davor und danach, sondern auch einen mutigen Blick nach vorn. Denn Freiheit und Demokratie müssen auch heute mit Mut und Zivilcourage verteidigt werden.“
Warum müssen wir heute wieder genau hinschauen? Vieles von dem, was 1938 damals ereignet hat, ist wieder aktuell geworden: Flüchtlingskrise, Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, internationales Kräftemessen, ein Erstarken der rechten Parteien, Fake News.
1938 markiert einen Wendepunkt, nicht nur im Leben vieler Menschen hier, sondern weltweit. 1938 werden politische Entscheidungen getroffen, die in den großen, ein Jahr später ausbrechenden Flächenbrand münden. 1938 machen sich Hunderttausende auf die Flucht, sie suchen Schutz vor Verfolgung, aber keiner ist bereit, sie aufzunehmen. 1938 manipulieren politische Agitatoren durch Hetzkampagnen und Falschmeldungen die Bevölkerung und eine beispiellose Gewalt gegen Ausgegrenzte wird schweigend geduldet oder sogar begrüßt. Die Nachwirkungen der sich 1938 anbahnenden Katastrophe sind bis heute spürbar, und die Geister, die damals gerufen wurden, sind heute wieder aktiv.
Zeitzeugen, Überlebende und auch deren Enkel erzählen in persönlichen Berichten ihre Geschichte, darunter Gabriel Bach, Walter Frankenstein, Ruth Rotem, August Zirner, Mirna Funk, Linda Rachel Sabiers, Monica Dugot oder Arye Sharuz Shalicar. Noch nie veröffentlichte Dokumente, zahlreiche Fotografien und eine lebendige Gestaltung machen das Jahr 1938 greifbar und zeigen zudem Parallelen auf, die in Zeiten eines neu aufkommenden Nationalismus gefährlich werden können. Insofern ist dieses Buch auch ein warnender Weckruf.
Mit einem Vorwort von Klaus von Dohnanyi.
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Zu den Herausgeberinnen Barbara Schieb und Jutta Hercher
Barbara Schieb studierte Geschichtswissenschaft und Germanistik in Freiburg im Breisgau und Berlin und arbeitet derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gedenkstätte Deutscher Widerstand an der Gedenkstätte Stille Helden.
Jutta Hercher ist als Dokumentarfilmerin tätig und lebt als freie Autorin in Berlin.
Kommentar von Martin Koradi zum Buch „1938“
Die Geschichte wiederholt sich nie genau gleich. Trotzdem lässt sich an manchen Punkten viel aus ihre lernen. Und 1938 ist dafür tatsächlich ein ergiebiges Jahr. Hier zeigt sich, wie ein totalitäres Regime sich immer fester installiert, aber auch, wie rasch Menschen sich solchen Verhältnissen anpassen, aber auch, welche Möglichkeiten für des Sich-Entziehens und des Widerstands es gibt.
Das Jahr 1938 war eine entscheidende Phase auf dem Weg in den Abgrund. Mit dem „Anschluss“ Österreichs im März und der Zerschlagung der Tschechoslowakei ab Herbst beginnt das Nazi-Regime, die infolge des Ersten Weltkrieges festgelegte Grenzordnung zu zerstören, während der britische Premierminister Chamberlain glaubt, mit seiner Appeasement-Politik den Frieden sichern zu können. Aber auch im Innern des „Dritten Reiches“ wurden laufend Grenzen aller Art überschritten. Die Herausgeberinnen schreiben in der Einleitung dazu:
„1938 war das Jahr, in dem jeder sehen konnte, wie diese Diktatur funktionierte und auch, dass sie direkt in den Krieg führte. Im Januar 1938 kommentierte Joseph Goebbels die enorme Verschuldung des Staatshaushalts: «Aber an Schulden ist noch nie ein Volk zugrunde gegangen. Wohl aber an einem Mangel an Waffen.» Die NS-Politik funktionierte nur mit dem Vorgriff auf zukünftige Raubzüge; Goebbels im März 1938: «Wir haben einen bedeutenden Fehlbetrag. aber dafür Österreich.» Der sogenannte Anschluss wurde für beispiellose Plünderungen genutzt und ging einher mit bis dahin unvorstellbar offener Gewalt. Die vollständige Enteignung der jüdischen Bevölkerung war von vornherein kalkuliert und begann 1938 in grossem Stil.
Es war das Jahr, in dem das NS-Regime in die Offensive ging. Niemand mehr stellte sich der Politik ernsthaft in den Weg – weder Kriegsgegner noch konservative Bürger, weder Beamte noch Institutionen oder die Kirchen, und auch nich die anderen europäischen Regierungen.
Vieles geschah 1938 zum ersten Mal: die Inbesitznahme eines souveränen Nachbarstaates – Österreich – , offene Kriegsdrohung und Ultimatum – Anspruch auf das Sudetenland -, Massenverhaftung und Arbeitszwang mit der Aktion ‚Arbeitsscheu Reich‘, die erste grosse Abschiebung von Tausenden Juden mit polnischen Pässen. Es gab das Gesetz zur Beschlagnahme von sogenannter entarteter Kunst, die systematische Enteignung der jüdischen Bürger und schliesslich die berüchtigten Novemberpogrome – den offenen Terror.“
Die Stärke dieses Buches liegt darin, dass es diese politischen Vorgänge anhand von persönlichen Schicksalen eindrücklich, konkret und hautnah nachvollziehbar macht.
Barbara Schieb und Jutta Hercher schreiben in der Einleitung:
„1938 war das Jahr, in dem Menschlichkeit zur Ausnahme wurde und Terror zur Normalität. Jede und jeder konnte damals wissen, worauf Deutschland zusteuerte, weil es vor aller Augen geschah. Ab 1933 wurde die Schicht der Humanität Lage für Lage abgetragen, und zwar ohne grossen Protest, dafür aber nicht selten begleitet von der Begeisterung einer korrumpierten Bevölkerung. Wie die Gesetze von 1933 und 1935 gegen Juden und alle politischen Gegner zeigten, ging die Verwandlung Deutschlands vom Rechtsstaat zur Diktatur in atemberaubendem Tempo vor sich.
Wer jetzt nicht Hilfe von guten Freunden, mutigen oder einfach human denkenden Menschen bekam, war in seiner gesamten Existenz gefährdet. Was aber heisst das genau? Wie muss es gewesen sein, wenn die Miete nicht mehr bezahlt werden konnte oder dem Ladenbesitzer die Kundschaft wegbrach? Wie war das, wenn die einstmals gefeierten Mäzene der Stadt, die den Museen wertvolle Gemälde geschenkt, das Waisenhaus unterstützt, den Fussballverein gefördert oder die Bestuhlung des Gemeindesaals bezahlt hatten, aus den Kuratorien, Sportvereinen und Gemeinderäten geworfen und von den Einladungslisten gestrichen wurden, Hausverbot erhielten, sich Freunde und Bekannte wegdrehten, wenn sie einander auf der Strasse sahen. Wie war das, wenn die Kinder nicht mehr in die Schule gehen durften, in denen ihre Freunde waren? Oder die Freunde von einst auf sie spuckten, die Lehrer nicht mehr ihre jüdischen Schüler schützten, oder sie, im Gegenteil, dem Spott preisgaben.“
Das Buch zeigt eindringlich auf, wie eine Bevölkerung im Alltag nach und nach korrumpiert wird und sich korrumpieren lässt. Es ist in diesem Sinn eine Warnung und ein Aufruf zur Wachsamkeit. Es zeigt aber auch Widerstand und Zivilcourage.
Rechtspopulismus ist nicht schon Nationalsozialismus oder Faschismus. Aber weil Parteien wie AfD, FPÖ und Lega sich wiederkehrend nicht eindeutig von extremistischen Personen und Vorstellungen abgrenzen können oder wollen, ist eine Entwicklung in diese Richtung auch nicht ausgeschlossen. Leider sind die Übergänge hier oftmals sehr fliessend. Madeleine Albright verweist in ihrem Buch „Faschismus – eine Warnung“ auf eine Äusserung des italienischen Schriftstellers und Holocaust-Überlebenden Primo Levi hin, wonach jedes Zeitalter seinen eigenen Faschismus habe.
Das Buch „1938 – Warum wir heute genau hinschauen müssen“, bietet passend zur gegenwärtigen Lage eine sehr aktuelle, lebendige und packende Geschichtslektion.
Übersicht meiner eigenen gesellschaftspolitischen Texte und Buchempfehlungen.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde am Seminar für Integrative Phytotherapie in Winterthur (Schweiz) und Leiter von Kräuterwanderungen und Kräuterkursen.
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