Demagogie gibt es wohl seit es Menschen gibt. Aber vor allem durch Internet und sogenannte soziale Medien bekommt demagogisches Vorgehen Einfluss und Verbreitung in einem Ausmass, das zunehmend besorgniserregend wird.
Demagogie war prägend für die Zeiten von Nationalsozialismus und Stalinismus. Wer diese totalitären Systeme nicht persönlich erlebt oder sich intensiv damit auseinandergesetzt hat, ist mit diesem gesellschaftlichen und politischen Krebsgeschwür in der Regel nicht vertraut und kennt die Vorzeichen nicht, die als Warnsignale dienen könnten.
Wir haben Jahrzehnte geprägt von Stabilität und Frieden hinter uns. Dadurch kommt es leicht dazu, dass wir Errungenschaften wie Demokratie und Rechsstaat für selbstverständlich halten. Das sind sie aber nicht – und Demagogie ist eine Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat.
Darum ist es wichtig, die Merkmale von Demagogie zu kennen, auch die kleinen Vorzeichen.
Walter Ötsch und Nina Horaczek haben in ihrem Buch „Populismus für Anfänger“ dazu eine kompakte Beschreibung geliefert:
„Der Begriff Demagogie kommt aus dem Altgriechischen und leitet sich ab aus den Wörtern démos = das Volk und agógein = führen. Demagogie ist die Führung des Volkes in einem zweifachen Sinn: Erstens als Ver-Führung, eine unzufriedene Bevölkerung wird mit Verheissungen einer besseren Politik verführt. Dies geschieht zweitens, indem Demagogen von „dem Volk“ reden: Sie schaffen damit das Kunstprodukt einer gleichartigen Bevölkerung, die durch einen gemeinsamen «Volkswillen» verbunden ist. Demagogie ist politische Verführung mit dem erfundenen Begriff «des Volkes». Dieses «Volk» sind die WIR, sie stehen den ANDEREN gegenüber, zum Beispiel «der Elite». Immer, wenn so ein Bild entworfen wird, sprechen wir von Demagogie.
Demagogen aller Schattierungen unterteilen die Menschen in zwei Gruppen: Die «In-Gruppe», das sind WIR. Die «Out-Gruppe», das sind die ANDEREN…….
Das Demagogische ist nicht die Einteilung in zwei Gruppen. Es ist die Intensität und die Ausschliesslichkeit.“
Walter Ötsch und Nina Horaczek beschreiben acht Merkmale, an denen sich Demagogen erkennen lassen:
Acht Merkmale der Demagogie
„1. Die Radikalität
Sie trennen die WIR und die ANDEREN radikal. Es gibt (fast) keine verbindenden Merkmale. Die ANDEREN müssen völlig anders sein und dürfen gar keine Züge der WIR aufweisen.
2. Die Aggressivität
Sie belegen die ANDEREN mit einer aggressiven und ausgrenzenden Sprache.
3. Die Ausschliesslichkeit
Sie zeichnen die WIR nur als GUT und WAHR, die ANDEREN ausschliesslich als BÖSE und FALSCH.
4. Die Kriegsrhetorik
Sie dramatisieren eine tiefe Feindschaft zwischen dem WIR und den ANDEREN. Zwischen den WIR und den ANDEREN tobt ein Kampf auf Leben oder Tod.
5. Die Negativität
In ihrer politischen Werbung setzen Demagogen überwiegen auf Negativthemen. Rechtspopulistische Politik ist vor allem ein Kampf gegen die ANDEREN.
6. Das Geschäft mit der Angst
Demagogen sprechen gezielt Ängste an, verstärken sie und lenken sie auf die ANDEREN um. Denn die ANDEREN sind schuld, wenn WIR Angst haben. Demagogische Politik ist Angst-Politik und Demagogen sind Angst-Experten.
7. Das autoritäre Element
Demagogische Bewegungen sind notwendig autoritär. Sie stehen unter der direkten Leitung einer Gruppe, eines Führers oder einer Führerin. Wir nennen diese Führungsspitze das SUPER-WIR.
8. Die Demokratiefeindlichkeit
Demagogische Politiker wollen nicht nur an die Macht kommen oder eine Regierung bilden. Sie drängen nach radikaler Umgestaltung des politischen Systems. Demagogen wollen die Demokratie und ihre Institutionen autoritär umbauen.“
Das informative Buch “Populismus für Anfänger“ von Walter Ötsch und Nina Horaczek finden Sie in meinem Buchshop. Sie können es dort auch via Buchhaus.ch bestellen.
Zum Autor Walter Ötsch
Prof. Dr. Walter Ötsch ist Ökonom und Kommunikationswissenschaftler an der Johannes Kepler Universität Linz. Er leitet das Zentrum für soziale und interkulturelle Kompetenz, ist Autor mehrerer Bücher und als Trainer und Coach für Führungskräfte tätig.
Zur Autorin Nina Horaczek
Nina Horaczek studierte Politikwissenschaften und arbeitet seit dem Jahr 2000 bei der österreichischen Wochenzeitung „Falter“,aktuell als Chefreporterin. Horaczek widmet sich intensiv dem Thema Rechtsextremismus und ist Autorin mehrerer Sachbücher.
Kommentar:
Das prominenteste Beispiel für einen Demagogen ist gegenwärtig wohl unübertroffen US-Präsident Donald Trump, der die entsprechenden Merkmale unverkennbar zeigt.
Aber auch Brasiliens Präsident Bolsonaro gehört in diese Kategorie. Das sind Lehrbeispiele. Auch in Europa gibt es Politikerinnen und Politiker, die demagogische „Symptome“ in mehr oder weniger grossem Mass zeigen, auch in der Schweiz. Es ist wichtig, solche Symptome zu erkennen und Politikerinnen und Politiker, die demagogisches Verhalten zeigen, auf gar keinen Fall zu wählen. Sie bringen erfahrungsgemäss nur Unglück.
Ausserdem: Übersicht meiner eigenen gesellschaftspolitischen Texte und Buchempfehlungen.