„Häufig hört man in Diskussionen:
«Das ist eine Frage des Standpunktes»,
«Ich betrachte das eben aus einer anderen Perspektive»,
«Das sehen Frauen nun einmal anders als Männer».
Dahinter steht die Vermutung, dass die Wahrheit unserer Hypothesen vom Standpunkt oder vom Kontext abhängt. Diese Ansichten sind zur Zeit einigermassen populär; «Relativismus» lautet die philosophische Bezeichnung für solche Positionen. Leider verführen sie uns dazu, denkfaul zu werden. Weil ohnehin alles relativ ist, lohnt sich die kritische Auseinandersetzung nicht mehr. Doch wenn jemand eine interessante Behauptung vorbringt, sollte uns interessieren, ob die Behauptung auch zutrifft. Woher eine These auch stammen mag, aus welcher Disziplin, welcher Kultur usw. – Sie können versuchen, sie mit anderen, konkurrierenden Behauptungen zu vergleichen oder nach empirischen Belegen zu fragen. Gegen Beliebigkeit helfen kritische Prüfungen.“
Zitat aus: Das Abenteuer der Erkenntnis – Eine kleine Geschichte des Wissens,
von Jürgen August Alt, Beck’sche Reihe 2002.
Kommentar & Ergänzung:
Die Falle des Relativismus ( = Beliebigkeit) taucht in vielen verschiedenen Bereichen auf – in Politik und Gesellschaft, aber auch in Naturheilkunde und Komplementärmedizin.
Aber nicht nur der Relativismus ist eine Falle, auch seine Gegenposition, der Dogmatismus (Ausschliesslichkeit).
Beiden mangelt es an Lernfähigkeit und sie schliessen zudem eine diskursive Gesprächskultur aus, die als Basis für demokratische Gesellschaften unerlässlich ist.
Zur Relativismus und Dogmatismus habe ich einen aufführlicheren Text veröffentlicht:
Demokratie braucht eine diskursive Gesprächskultur – verteidigen wir sie!
Über die Fallen von Relativismus und Dogmatismus.