Es gibt eine ganze Anzahl von Bäumen, die in der Pflanzenheilkunde verwendet werden – zum Beispiel als Eichenrinde, Birkenblätter, Weidenrinde, Lindenblüte.
Gelegentlich werde ich bei der Besprechung solcher Heilpflanzen darauf angesprochen, dass zum Beispiel die Weide im „Keltischen Baumkreis“ vorkomme und dort mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen verbunden werde.
Deshalb hier ein paar Anmerkungen zum „Keltischen Baumkreis“.
Das sogenannte „Keltische Baumhoroskop“ umfasst:
Apfelbaum, Tanne, Ulme, Zypresse, Pappel, Zürgelbaum, Kiefer, Weide, Linde, Eiche, Ölbaum, Haselstrauch, Eberesche, Ahorn, Nussbaum, Kastanie, Esche, Hainbuche, Feigenbaum, Birke, Buche.
Festgehalten werden muss dazu aber: Das Keltische Baumhoroskop (Keltischer Baumkreis) ist eine freie Erfindung des 20. Jahrhunderts und hat mit den Kelten rein gar nichts zu tun.
Zur Entstehung des „Keltischen Baumkreises“:
„ Das sogenannte keltische Baumhoroskop geht auf das Buch The White Goddess (1946) (Die weiße Göttin, 1948) des britischen Schriftstellers und Dichters Robert Graves zurück, in dem der Autor durch eine meist willkürliche Zuordnung von Ogham-Zeichen zu einzelnen Bäumen einen keltischen Baumkalender entwickelte. Dabei kommen bei der Bezeichnung der einzelnen Schriftzeichen zwar auch einige Baumnamen vor, aber ein Großteil der Bezeichnungen ist deutlich anderen Ursprungs. Ein keltisches Baumhoroskop lässt sich weder durch antike noch durch mittelalterliche Quellen über keltische Religion und Bräuche belegen. Vor allem aber fällt auf, dass in den altirischen und altwalisischen Quellen zur Astrologie niemals Bäume vorkommen.
Die heute besonders im deutschsprachigen Raum weit verbreitete Form geht ihrerseits auf eine Artikelserie der französischen Journalistin Paule Delsol zurück, die 1971 im Auftrag des Mode- und Lifestyle-Magazins Marie Claire eine Reihe von Horoskopsystemen erfand, die ‚alten‘ Kulturen nachempfunden waren. Unter anderem entwickelte Delsol ein mittlerweile auch auf Deutsch erhältliches ‚arabisches‘ Horoskop (Horoscopes Arabes), ein ebenso frei erfundenes ‚tibetisches‘ Horoskop (Horoscopes Tibetains) und ein offenbar Robert Graves nachempfundenes ‚keltisches‘ Baumhoroskop (Horoscopes Gauloise).
1984 erschien dieses Baumhoroskop unter dem Titel „Bäume Lügen nicht. Das keltische Horoskop“ (herausgegeben von Annemarie Mütsch-Engel im Verlag Bert Schlender, Göttingen) zum ersten Mal im deutschen Sprachraum und fand schnell lebhafte Aufnahme. Die erste Ausgabe des Buches berief sich vorerst auf eine ‚uralte‘, tatsächlich jedoch frei erfundene Texttradition. In später erschienenen Lizenzausgaben anderer Verlage wurde gar von einer alten Handschrift in einem polnischen Kloster berichtet, von deren Abschrift im vorliegenden Buch eine Übersetzung vorliege.“
(Quelle: Wikipedia)
Gerichtliche Auseinandersetzungen um das „Keltische Baumhoroskop“:
„ In einem sich durch drei Instanzen bis zum deutschen Bundesgerichtshof hinziehenden Streit um Fragen des Urheberrechts und das Recht zur Weitergabe der Verwertungslizenzen (Urteil vom 27. Juni 1991, 1. Zivilsenat, Aktenzeichen I ZR 7/90) musste die eigentliche Geschichte des ‚keltischen‘ Horoskops offengelegt werden. Hierbei stellte sich heraus, dass die deutschsprachige Form aus einer Übersetzung des französischen Artikels für einen polnischen Gartenkalender entstanden war. Indiz hierfür war unter anderem auch ein Übertragungsfehler, der den in Polen unbekannten, im Frankreich aber weit verbreiteten Zürgelbaum (lateinischer Name Celtis australis aus der Familie der Hanfgewächse) zur Zeder machte, die den Kelten unbekannt war und erst im 17. Jahrhundert in England angepflanzt wurde. Aufgrund dieses Übertragungsfehlers ist die Zeder heute Bestandteil der meisten keltischen Baumhoroskope im deutschsprachigen Raum.“
(Quelle: Wikipedia)
Zur Bedeutung des „Keltischen Baumkreises“ heute:
„ Obwohl das ‚keltische Baumhoroskop’ eine freie Erfindung des 20. Jahrhunderts ist und mit den alten Kelten nichts zu tun hat, hat es eine weite Verbreitung gefunden und wird von einigen Teilen der Neuheiden als ein Bestandteil ihrer Lebensauffassung angesehen. Ähnlich eines modernen Mythos hat sich der verbreitete Irrtum vom angeblich keltischen Horoskop mittlerweile so fest im Alltagswissen des deutschen Sprachraumes etabliert, dass selbst die ehemalige österreichische Justizministerin Miklautsch in einer Rede auf den keltischen Baumkreis mit seinen Baumbotschaften einging und das Bundesministerium für Justiz in einer Aussendung darauf hinwies, dass drei ehemalige österreichische Justizminister im Zeichen der Linde geboren worden seien. Diese, so die Aussendung, würden sich daher ‚durch besonderen Gerechtigkeitssinn und eine ausgeprägte Harmoniefähigkeit’ auszeichnen und verstünden es, ‚sich in die Lage ihrer Mitmenschen zu versetzen, um eine akzeptable Lösung für jede Situation zu entdecken.’“
(Quelle: Wikipedia)
Kommentar & Ergänzung:
Das „Keltische Baumhoroskop“ bzw. der „Keltische Baumkreis“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie freie Erfindungen als altes, ursprüngliches Wissen verkauft werden. Offenbar wird hier einfach das Bedürfnis nach Tradition & Ursprünglichkeit, nach einer (angeblich) heilen Urzeit ausgenützt.
Solche „freien Erfindungen“ gibt es auch im Bereich Komplementärmedizin / Naturheilkunde / Pflanzenheilkunde.
Es fehlt in diesen Bereichen nicht nur an Qualitätskontrolle, es fehlt auch weitgehend an einer kritischen Auseinandersetzung mit Heilungsvorstellungen und Heilungsversprechungen.
In vielen Bereichen vorherrschend ist eine blinde Gläubigkeit, die alles Wunderbare dankbar und nicht selten sogar fast süchtig entgegen nimmt.
Das halte ich für ausgesprochen bedenklich, vor allem aus gesellschaftspolitischer Sicht.
Wo kommen wir hin, wenn die Fähigkeit und der Wille, sich ein sorgfältiges Urteil zu bilden, mehr und mehr abhanden kommt,
wenn politische oder heilkundliche Ideen und Versprechungen völlig ungeprüft übernommen werden, wenn sie nur wunderbar genug daher kommen?
Was Komplementärmedizin / Naturheilkunde / Pflanzenheilkunde angeht:
In meiner Phytotherapie-Ausbildung oder in meinem Heilpflanzen-Seminar lernen Sie nicht nur die Wirkungen und Anwendungsmöglichkeiten der Heilpflanzen kennen. Sie können darüber hinaus lernen, welche Fragen Sie stellen können, um Aussagen und Versprechungen zu überprüfen. Das ist ein wichtiger Punkt, wenn man sich eine eigenständige, fundierte Meinung bilden will.
Siehe oben in der Menü-Liste unter „Kurskalender“.
Qualitätskriterien für den Bereich Komplementärmedizin / Naturheilkunde sind Thema im Tagesseminar
„Komplementärmedizin – Kriterien zur Orientierung im überquellenden Angebot“
Ausserdem:
Komplementärmedizin – woran erkennen Sie fragwürdige Aussagen?
Mehr Kontroverse in Komplementärmedizin – Naturheilkunde – Pflanzenheilkunde
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
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