Chinakraut (Tripterygium wilfordii) wird in der Traditionellen Chinesischen Medizin zur Behandlung diverser Autoimmunerkrankungen eingesetzt.
Extrakte der Wurzeln, nicht der Frucht, zeigen entzündungshemmende und immunsuppressive Effekte.
In vitro – also im Reagenzglas – hemmen Extrakte der Pflanze die Freisetzung von TNFα, IL-2, und INFγ. Sie blockieren die Prostaglandin-Bildung durch Hemmung der COX-2.
Auch suppressive Wirkungen auf Adhäsionsmoleküle wie E-Selectin und Interzelluläres Adhäsions-Molekül (ICAM) wurden beschrieben. Weit mehr als 100 Inhaltsstoffe wurden bisher isoliert und zum Teil charakterisiert.
Für die in vitro belegten Glucocorticoid-ähnlichen Wirkungen werden hauptsächlich die Diterpenoide Triptolid und Tripdiolid sowie das sehr potente Chinontriterpen Celastrol verantwortlich gemacht.
In insgesamt sieben, teilweise auch Sulfasalazin-kontrollierten Studien mit bis zu 121 Patienten wurde über eine signifikante Verbesserung von Gelenkschwellungen, Schmerz, Morgensteifigkeit und Funktionseinschränkungen vor allem bei Rheumatoider Arthritis berichtet.
China-Kraut bzw. Wilfords Dreiflügelfrucht enthält mit Triptolid und Celastrol pharmakologisch hochwirksame Inhaltsstoffe. Es handelt sich um ein klinisch wirksames Antiphlogistikum (Entzündungshemmer) mit Glucocorticoid-ähnlicher immunsuppressiver Wirkung, das mit zahlreichen Zytokinen. China-Kraut weist allerdings ein relativ hohes Nebenwirkungspotential auf.
Relativ oft traten dabei jedenfalls Nebenwirkungen auf wie Durchfälle, Übelkeit, Dyspepsie und abdominale Schmerzen, Amenorrhoe, Osteoporose und Reizungen der Schleimhäute.
Quelle:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/?type=0&id=40814
Kommentar & Ergänzung:
China-Kraut ist also ein Entzündungshemmer mit Glucocortikoid-ähnlicher Wirkung, hat aber auch ein hohes Risiko für Nebenwirkungen. So die Meldung.
Das mit dem Nebenwirkungsrisiko ist nicht überraschend. Schliesslich kann man davon ausgehen:
Keine Wirkung – keine unerwünschten Nebenwirkungen;
Milde Wirkung – geringes Risiko für ernste Nebenwirkungen;
Starke Wirkung – deutliches Risiko für ernsthafte Nebenwirkung.
Mag sein, dass es von dieser Regel auch Ausnahmen gibt, aber überwiegend dürfte sie zutreffen. Wenn eine Arznei eben beispielsweise ähnliche Effekte hat wie Kortison, muss auch potenziell mit unerwünschten Nebenwirkungen ähnlicher Art gerechnet werden.
Das Beispiel Chinakraut zeigt aber auch: Nicht alles, was eine Tradition von hunderten von Jahren beansprucht, ist sanft und harmlos. Es ist nämlich kaum anzunehmen, dass in der langen (und heterogenen) Tradition in China systematisch nach Nebenwirkungen gesucht worden wäre. Systematische Pharmakovigilanz ist eine ziemlich neue Entwicklung.
Es gibt wertvolle Heilpflanzen im der chinesischen Arzneikunde, aber auch viele unwirksame und risikobehaftete Kräuter. Und über den grössten Teil der chinesischen Heilkräuter fehlen ganz einfach gesicherte Erkenntnisse. Von tierischen Heilmitteln wie Nashorn-Horn, getrocknete Ameisen, Saiga-Antilopen-Horn oder Bärengalle einmal ganz abgesehen.
Siehe:
China: Widerstand gegen Entnahme von Bärengalle steigt
Saiga-Antilope durch TCM-Heilmittel bedroht
Traditionelle Medizin bedroht Nashörner
Tradition allein ist noch keine Bestätigung, weil Tradition sich sehr häufig auch irrt.
Siehe:
Komplementärmedizin – hat Tradition recht?
Es braucht sorgfältige Auseinandersetzung mit traditionellen Heilmethoden, damit sich klären lässt, welche Empfehlungen sinnvoll sind und welche nicht.
Und es ist oft sehr anspruchsvoll, Überlieferungen aus Kulturkreisen, die uns wie der chinesische sehr fremd sind, zu übersetzen und zu deuten. Wenn beispielsweise in dieser Meldung steht, dass Wilfords Dreiflügelfrucht in der Traditionellen Chinesischen Medizin gegen Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird, dann ist das zumindestens fragwürdig. Es spricht nämlich sehr viel dafür, dass die Traditionelle Chinesische Medizin das Konzept der Autoimmunkrankheiten, so wie es heute definiert ist, nicht gekannt hat. Wir unterstellen hier rasch Ähnlichkeiten, die nur in unserem Kopf existieren.
Die Phytotherapie nimmt auch traditionelle Heilpflanzen aus allen Weltgegenden auf, sofern die Wirksamkeit und Sicherheit ausreichend dokumentiert ist. Beispiele sind Ginkgo biloba (Asien), Teufelskralle (Afrika) oder Hamamelis (Nordamerika).
Bevor Chinakraut (möglicherweise) in die westliche Phytotherapie integriert werden kann, braucht es noch vertiefte Studien und viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Es braucht beispielsweise standardisierte Extrakte mit gleichbleibendem Wirkstoffgehalt und einen Prozess der Dosisfindung.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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