Die „Heidenheimer Zeitung“ publizierte vor kurzem ein Interview mit Ingrid Maier-Regel. Die Homöpathin war 25 Jahre lang Vorsitzende des Vereins für Homöopathie und Lebenspflege in Nattheim und ist Präsidentin des Dachverbandes Hahnemannia. Mit Homöopathie wird die Frau sich daher wohl auskennen.
Umso erstaunlicher ist folgende Aussage im Interview:
„Unsere Methoden kann man nicht wissenschaftlich messen. Es gibt keine Studien dazu.“
Quelle:
http://www.swp.de/heidenheim/lokales/kreisheidenheim/Wer-heilt-hat-Recht;art1168195,1821855
Keine Studien zur Homöopathie? Diese Aussage ist von A – Z vollkommen falsch.
Zur Frage, ob man die Homöopathie wissenschaftlich untersuchen kann, schreibt das Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie Charité ‐ Universitätsmedizin zu Berlin:
„Kann man die Homöopathie in placebo‐kontrollierten Studien erforschen?
Wenn es um die alleinige Wirksamkeit der homöopathischen Arzneimittel geht, kann man diese selbstverständlich in randomisierten placebo‐kontrollierten Studien untersuchen. Selbst die Form der ausführlichen Anamnese und Auswahl der individuellen Arznei lässt sich in diesen Studiendesign berücksichtigen, was auch schon mehrfach gemacht wurde. In diesem Fall erhalten Patienten beider Gruppen die Anamnese und der homöopathische Arzt sucht die passende Arznei aus. Die Apotheke schickt dann entweder die Arznei oder Placebo an den Patienten. Arzt und Patient wissen beide nicht, wer was bekommt.“
Quelle:
http://www.charite.de/fileadmin/user_upload/microsites/m_cc01/epidemiologie/downloads/Informationen_Homoeopathie.pdf
Das Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie befasst sich selber mit Homöopathie-Forschung am Lehrstuhl von Prof. Claudia Witt, der von der homöopathienahen Carstens-Stiftung finanziert wird.
Noch krasser ist die Aussage von Ingrid Maier-Regel, dass es zur Homöopathie keine Studien gibt.
Intensive Homöopathie-Forschung unter Einbezug führender Homöopathen wurde bereits im „Dritten Reich“ betrieben, und zwar auf Betreiben höchster Kreise. Vor allem der Reichsführer-SS Heinrich Himmler und der Führer-Stellvertreter Rudolf Hess standen der Homöopathie und der Naturheilkunde nahe.
Die im „Dritten Reich“ durchgeführten Studien endeten für die Homöopathie allerdings in einem totalem Fiasko.
Ein Bericht darüber erschien unter dem Begriff „Donner-Report“ (nach dem Verfasser Fritz Donner).
Siehe dazu:
Homöopathie-Forschung im Nationalsozialismus
Auch in neuerer Zeit gibt es eine vielfältige Homöopathie-Forschung.
Laboruntersuchungen zur Homöopathie
Einerseits wird versucht, die Wirksamkeit homöopathischer Präparate in Laboruntersuchungen zu beweisen.
Das führt regelmässig zu Sensationsmeldungen, die bisher ebenso regelmässig im Fiasko endeten.
Das bekannteste Beispiel ist der französiche Arzt Jacques Benveniste (12. März 1935 – 3. Oktober 2004).
Er wurde hauptsächlich bekannt durch seine Behauptung, hochgradig verdünnte Antigene könnten über einen „Gedächtniseffekt“ des Wassers weiße Blutzellen (Leukozyten) beeinflussen. Ein Bericht über diese vor allem für die Homöopathie bahnbrechend erscheinende Neuigkeit wurde 1988 sogar im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature publiziert.
Allerdings gelang es Wissenschaftlern auf der ganzen Welt nicht, den Effekt im Experiment zu bestätigen. Unter der Aufsicht des Nature-Chefredakteurs John Maddox und des amerikanischen Pseudowissenschaften-Gegners James Randi gelang es Benveniste selbst nicht, seine eigenen Resultate zu wiederholen. Das endgültige Ende für Benvenistes These vom „Gedächtnis des Wassers“ kam in Gestalt des als offen und unvoreingenommen geltenden Physikers und Nobelpreisträgers Georges Charpak. Er schlug Benveniste eine Reihe von Experimenten vor, die dann unter seiner Aufsicht durchgeführt wurden. Das Resultat dieser Versuche war für Benveniste desaströs: allenfalls zufällige Wirkungen konnten festgestellt werden. 1995 zog Charpak das abschliessende Fazit, dass Benvenistes „Wassermanipulationen“ keinerlei nachweisbaren Effekt hätten. Ungeachtet dieser Erkenntnisse erweiterte Benveniste später seine Position noch, indem er behauptete, die Informationen des Wassers könnten auch via Telefon oder Internet übertragen werden.
(Quelle dieses Abschnitts: Wikipedia)
Erstaunlich ist eigentlich nur, dass in der Homöopathie zur Erklärung der Wirksamkeit immer noch oft das „Wassergedächtnis“ herangezogen wird. Dabei gäbe es an dieser Stelle eine ganze Reihe weiterer Fragen. Beispielsweise: Das wässrig-alkoholische homöopathische Präparat wird in der Regel auf eine Zuckerpille aufgetragen (Globuli). Das Wasser-Alkohol-Gemisch verdunstet dann, während die Globuli geschluckt werden. Wo bleibt das Wassergedächtnis? Und wie weiss das Lösungsmittel bzw. das Wassergedächtnis, welche Informationen es speichern und weitergeben soll und welchen nicht. Wie kann es sein, dass das Wassergedächtnis sich nur an die heilsamen Eigenschaften der Ursubstanz erinnert, nicht aber an möglichen negativen Eigenschaften wie unerwünschte Nebenwirkungen?
Klinische Homöopathie-Forschung:
Dass eine homöopathische Behandlung manchen Menschen bei gewissen Krankheiten eine Linderung bringt, lässt sich meines Erachtens nicht ernsthaft bestreiten. Die entscheidende Frage ist aber, ob dabei auch ein spezifischer Effekt der Globuli mitwirkt.
Es gibt über 100 Doppelblind-Studien zur Homöopathie, wobei es darunter allerdings grosse Qualitätsunterschiede gibt. Deshalb fasst man die qualitativ besten Studien in sogenannten Metastudien zusammen.
Wikipedia fasst die Lage bei den Metastudien so zusammen:
„Eine erste Metaanalyse von Klaus Linde und Mitarbeitern aus dem Jahr 1997 kam zwar zu dem Schluss, dass die Gesamtheit der Ergebnisse der Studien nicht vollständig durch den Placeboeffekt erklärbar waren und dass einige der untersuchten Homöopathika folglich wirksam sein müssten. Bei weiteren Untersuchungen fanden die Autoren allerdings, dass Studien geringerer Qualität bessere Ergebnisse für die homöopathische Behandlung zeigten als Studien mit strengen Kriterien. Linde räumte daher ein, dass die damalige Schlussfolgerung so nicht haltbar sei und die Metaanalyse die Effekte zumindest deutlich überschätzt haben dürfte.“
Zur zweiten grossen Metastudie schreibt Wikipedia:
„Eine schweizerisch-britische Forschergruppe hatte insgesamt 220 Studien in Bezug auf den Behandlungserfolg verschiedenster Erkrankungen mit homöopathischen oder schulmedizinischen Methoden ausgewertet. Es zeigte sich ein vergleichsweise schlechteres Abschneiden der Homöopathie, bei der die gemessenen Effekte nicht gegen die Annahme der Nullhypothese (die Homöopathie beruhe einzig auf dem Placebo-Effekt) sprechen. Auch bestätigte die breitangelegte Metauntersuchung die Vermutung, dass Studien mit wenigen Teilnehmern und niedriger Qualität eher nicht vorhandene Wirkungen vorspiegeln als solche mit einer höheren Teilnehmerzahl und guter Qualität. Die erwähnte Metastudie wurde 2006 von dem österreichischen Homöopathie-Befürworter Friedrich Dellmour und dem Schweizerischer Verein Homöopathischer Aerztinnen und Aerzte hauptsächlich mit der Behauptung kritisiert, dass sich die Homöopathie nicht für Doppelblindstudien eigne und nur deshalb keine Wirksamkeit feststellbar sei. Außerdem gab es von mehreren Seiten Kritik an der Methodik der Metastudie. Dennoch konnte die Grundaussage nicht widerlegt werden. Klaus Linde und Wayne Jonas gingen trotz ihrer Kritik mit dem Ergebnis konform, dass es keinen stabilen Nachweis durch Placebo-kontrollierte Studien gibt.“
Eine sehr informative Zusammenfassung der Studienlage zur Homöopathie gibt hier:
http://www.medizin-transparent.at/streitthema-homoopathie
So. Und wie kommt nun eine langjährige Homöopathin wie Ingrid Maier-Regel zur Behauptung, es gebe keine Studien zur Homöopathie?
Hat sie davon wirklich noch nie gehört oder blendet sie diesen Bereich einfach aus, weil die Resultate nicht ihrem Bild der Homöopathie entsprechen? Sieht nach hochgradig selektiver Wahrnehmung und Realitätsverarbeitung aus.
Genau solche Phänomene sind es, die mich in den letzten Jahren immer skeptischer werden liessen gegen weite Bereiche der Komplementärmedizin. Das ist einfach kein seriöser Umgang einem Thema. Jedenfalls ist das soeben besprochene Beispiel kein Einzelfall.
Die bekannte Homöopathie-Herstellerin Similasan beispielsweise stellt auf ihrer Website die höchst fragwürdige Sepsis-Studie von Michael Frass sehr selektiv und einseitig interpretiert in den Vordergrund, während die kritischen Metaanalysen gar nicht erwähnt werden.
Zum Interview mit Ingrid Maier-Regel in der Heidenheimer Zeitung muss noch ergänzt werden, dass die Interviewerin an den betreffenden Punkten auch nicht kritisch nachgehakt hat, vermutlich weil ihr dazu das Fachwissen fehlte. Aber auch diese kritik- und fraglose Berichterstattung ist leider eher die Regel als die Ausnahme.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
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Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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