Eine Fahrzeugkarosserie produziert mit Brennnesselfasern? – Eine ziemlich ungewohnte Vorstellung, die aber gar nicht so abwegig ist. Jedenfalls gibt es Forschungsprojekte, die eine solche Verwendung zum Ziel haben.
In der traditionellen Pflanzenheilkunde hat die Grosse Brennnessel (Urtica dioica) schon seit langem einen wichtigen Platz.
Dass man aus den Fasern der Brennnessel robuste Kleidung herstellen kann, ist aber nur noch wenigen bekannt.
Bereits in der Bronzezeit haben Menschen aber aus den Fasern der Brennnessel Kleidung produziert. Schliesslich wurde das Nesseltuch jedoch von der Baumwolle verdrängt.
Infolge einer Baumwollknappheit lebte das Interesse an der heimischen Faserpflanze im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wieder auf.
Um 1900 galt es als „Leinen der armen Leute“. Im Zweiten Weltkrieg wurde Nesseltuch in Deutschland noch für Armee-Bekleidung verwendet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geriet es in Vergessenheit. Versuche in den 1990er-Jahren, das Brennnesseltuch jenseits der Ökoszene wieder populär zu machen, brachten keinen Durchbruch.
Brennnesselfasern besitzen aber Eigenschaften, die ihnen nun in der Automobilindustrie eine Renaissance bescheren könnten. Denn dort sind in steigendem Masse Faserverbundwerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen gefragt. Das liegt auch an einer neuen EU-Richtlinie zu Altfahrzeugen, nach der die europäischen Automobilhersteller ab Anfang 2015 angehalten sind, die Wiederverwendungs- und Verwertungsrate von Fahrzeugen auf 95 Prozent des durchschnittlichen Fahrzeuggewichts zu erhöhen. Je mehr Fahrzeugteile also aus organischen Substanzen produziert werden können, desto besser.
Das Beeindruckende an Brennnesselfasern sei, dass sie über ein höheres Elastizitätsmodul als Glasfaser verfügen. Das mache sie als Rohstoff für Faserverbundwerkstoffe besonders interessant, sagt Günter Grabher, Geschäftsführer des gemeinnützigen Forschungsinstituts V-trion mit Sitz in Hohenems, das seit Kurzem Mitglied der Austrian Cooperative Research (ACR) ist. Die zur Grabher Group gehörende Firma ist spezialisiert auf die Entwicklung von Faserverbundwerkstoffen und Sensortechnologie („smart textiles“).
Gegründet wurde sie vor drei Jahren als Reaktion auf die Abwanderung großer Textilbetriebe aus Vorarlberg.
Als Partner arbeitet bei allen Forschungsprojekten das Institut für Textilchemie und Textilphysik der Universität Innsbruck mit.
Für die beteiligten Wissenschaftler besteht die Herausforderung gegenwärtig darin, tragende Strukturteile wie die Fahrzeugkarosserie aus Brennnesselfasern zu entwickeln. Aus Vorstudien seien die hervorragende Werkstoffeigenschaften der Brennnesselfasern bereits bekannt, sagt Grabher.
Den Einstieg in die Automobilindustrie über solche Faserverbundwerkstoffe sehen die am Projekt beteiligten Akteure als ein neues Feld mit großem Potenzial für die heimische Textilindustrie.
Quelle:
Kommentar & Ergänzung:
Ein „Brennnesselauto“, das sich zum grossen Teil kompostieren lässt? – Wirklich eine sehr „grüne“ Vorstellung. Bin sehr gespannt, ob sich dieses Projekt erfolgreich weiterentwickelt.
Siehe auch:
Kleidung aus Brennnesselfasern in der Bronzezeit für Fürsten verwendet
Und auf Wikipedia:
Zum Nesseltuch
Zur Fasernessel, einer züchterischen Variante der Grossen Brennnessel.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
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Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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